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Genauigkeit in nicht optimaler Umgebung

Beitrag 07.11.2025, 07:33 Uhr
papirossi
Level 1 = Community-Lehrling
*

Hallo!
Der Titel ist erstmal bisschen schwammig, sorry dafür.
Erstmal etwas zur Erklärung um was es mir geht.
Ich arbeite in einem Betrieb der sowohl Optik als auch Mechanik herstellt. Ich bin dort in einer kleinen Mechanik als Zerspaner CNC Frästechnik angestellt. Wir arbeiten als Lohnfertiger in kleinen und mittleren Serien.
Maschinen haben wir: DMG CLX450TC, DMG CTX350, EMCO E65, DMU 50, GDW C280z Conturline und noch paar konventionelle um die es hier nicht gehen soll.
Wir bearbeiten zu 90% Aluminium aller Klassen, 7% Messing und Rest hauptsächlich POM, PEEK, bisschen Stahl. Da wir im Bereich Medizintechnik, Optik, Laser etc. unterwegs sind, sind die Teile oft sehr klein bis mittelgroß also will sagen Durchmesser und Längen von wenigen Millimetern bis so ca.100er Durchmesser und 300er Länge ungefähr. Aber eben oft mit Toleranzen von ein zwei hundertstel.

Jetzt zur eigentlichen Frage.
Sind so Toleranzen nicht eigentlich eher Glückssache zu erreichen? Unsere Mechanik ist nicht klimatisiert. Wir verwenden auch keine besonderen WZ aufnahmen ala Schrumpf oder so. Maschinen werden auch eher nur nach Bedarf gewartet.

Hoffe ich konnte klar machen um was es mir geht. Danke für das Lesen.
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Beitrag 10.11.2025, 18:39 Uhr
MikeE25
Level 7 = Community-Professor
*******

1 - 2 Hundertstel sind schon möglich wenn man die Maschine und ihren Wärmegang kennt. Und man die richtigen Werkzeuge nutzt.
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Beitrag 12.11.2025, 13:21 Uhr
papirossi
Level 1 = Community-Lehrling
*

Hallo und danke Mike.
Hab ich recht das dazu gewisse Bedingungen herrschen sollten um eine Wiederholgenauigkeit zu erreichen? Also thermische Stabilität ( klimatisierte Werkstatt? ), regelmäßig gewartete und kalibrierte Maschinen!?
Wir fertigen teilweise sehr kleine optische Fassungen und bis dato war alles immer soweit ok. Jetzt wurde aber eine Messmaschine angeschafft weil Kunden respektive der Markt es so wollen aber damit ist es ja mMn nicht getan. Wir murksen hier mit uralten zwar teilweise kalibrierten Messmitteln rum. Oft wird verlangt das wir für neue Aufträge uns selbst aus Messing Lehrdorne fertigen sollen.
Noch dazu sind unsere neuen Maschinen, CLX und CTX,wenn ich das richtig verstehe eher Brot-und Butter Maschinen. Zu groß für die meisten unserer Aufträge allemal.

Ich denke das für derartige Aufträge, also den sehr fein tolerierten, noch ein Rattenschwanz hinten dran hängt an Bedingungen die erfüllt sein sollten um Teile rauszubekommen die nicht nur Zufall sind.
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Beitrag 12.11.2025, 14:38 Uhr
MikeE25
Level 7 = Community-Professor
*******

ZITAT(papirossi @ 12.11.2025, 14:21 Uhr) *
Hallo und danke Mike.
Hab ich recht das dazu gewisse Bedingungen herrschen sollten um eine Wiederholgenauigkeit zu erreichen? Also thermische Stabilität ( klimatisierte Werkstatt? ), regelmäßig gewartete und kalibrierte Maschinen!?


Wenn du mit einer präzisen kalten (kalt ist für mich nach Spindel warmup) Drehmaschine startest, hast du je nach Maschine einen Wärmegang.
Bei meinen Maschinen meist um die 0,02mm im Durchmesser. Man muss also innerhalb der Zeit ständig messen und nachkorregieren. Und man muss aus Erfahrung wissen was man an der Maschine misst und was der QS Futzi in seinem temperierten Raum misst.
Sommer Winter macht meistens auch 0,01mm aus.
Werkzeuge sind auch wichtig. Die haben Verschleiss. Da gibt es Aufbauschneiden usw.
Je geringer die Toleranz, desto mehr Erfahrung muss der Mann an der Maschine haben. Und natürlich hat auch jede Maschine ihre Grenzen.
Einzelteile fertige ich mit einer Haas TL mit Einzel CXA Werkzeugwechsler. Da schaffe ich natürlich nicht die selbe Präzision wie mit einer Werkzeugrevolvermaschine. Wobei es trotzdem erstaunlich ist was mit der Haas möglich ist. Wenn alles passt und man beim Werkzeugwechsel auf Sauberkeit der Passflächen achtet, schaffe ich +/- 0,01mm oder knapp darüber. Bei Maschinen mit Revolver kann man dagegen sehr zuverlässig innerhalb 1/100mm fertigen. Wenn man sich Mühe gibt.
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Beitrag 13.11.2025, 11:46 Uhr
Andreas1964
Level 4 = Community-Meister
****

ZITAT(papirossi @ 12.11.2025, 14:21 Uhr) *
Hab ich recht das dazu gewisse Bedingungen herrschen sollten um eine Wiederholgenauigkeit zu erreichen? Also thermische Stabilität ( klimatisierte Werkstatt? ), regelmäßig gewartete und kalibrierte Maschinen!?

Ganz klares nein.

Wiederholgenauigkeit ist ein Toleranzfenster, mehr nicht.

Also wenn ich ein Werkzeug in einer bestimmten Art und Weise zu einem Punkt bewege, dann gibt die Wiederholgenauigkeit der Maschine die max. Abweichung an, an der sich das Werkzeug beim 2ten Mal befinden darf wenn ich das Werkzeug auf den gleichen Punkt in der gleichen Art und Weise bewegt habe.

Ob dabei die Maschine in der Antarktis oder der Sahara steht spielt keinerlei Rolle. Die Genauigkeit der Maschine ist nur für die Genauigkeit der Reproduzierbarkeit verantwortlich, nicht für das absolute Maß das gefordert ist!

Das ist bei vielen ein großer Irrglaube das es eine super genaue Maschine braucht um ein Maß 5±0,002 fertigen zu können. Man kann das auch mit einer 50 Jahren alten konventionellen Maschine machen.

Im Laufe eines Tages verändern sich die Temperaturen der Umgebung, des Kühlmittels (durch Abwärme während der Zerspanung) und der Maschine in sich durch Reibung sowie durch Abwärme der elektrischen Komponenten, sprich Motoren.

Dadurch verändern sich die Bedingungen wie sich das Werkzeug an den Punkt bewegt und es kommt zu Abweichungen. Bei der konventionellen Maschine muss ich als Bediener nun die Position verändern um wieder das Maß zu erreichen.

Bei CNC-Maschinen übernimmt das in der Regel die Steuerung selber, wenn in der Maschine Sensoren eingebaut sind, dann gibt es in der Steuerung eine Kompensationstabelle wo drin steht wohin die Achse fahren soll. Auch eine juckelige 0815-Maschine kann/wird die gleiche Genauigkeit wie eine supa-dupa-Maschine haben, wenn sie gute Sensoren hat und ordentlichen kompensiert.

Sagen wir mal das Du nun mit Deiner Maschine irgendein Teil im Sommer bei 35° fräst und Deine Mikrometerschraube die Du an der Maschine (nicht in der Sonne) liegen hast ebenso 35° hat und das Maß 5±0,002 entspricht, sagen wir mal wir messen 5,0 exakt. Jetzt legen wir das Teil ins Regal und warten bis zum Herbst, die Temperatur fällt auf 20° und Du misst das Teil nochmal, welches Maß misst Du mit einer Mikrometerschraube die 20° hat?

Wenn das Teil und die Mikrometerschraube aus dem gleichen Material sind, dann wirst Du exakt 5,0 messen, bzw. ein Maß was der Wiederholgenauigkeit der Mikrometerschraube entspricht.

Wenn die Materialien unterschiedlich sind, dann ist eine Abweichung entsprechend der Differenz der Temperaturkoeffizienten zu erwarten.

Lange Rede kurzer Sinn: Für die Genauigkeit der Werkstücke bist Du verantwortlich, nicht die Maschine oder Umgebung. Wenn Du Ausschuß produzierst dann muss man schauen woran es liegt. Jedes Werkzeug nutzt sich mit der Zeit ab und muss dann korrigiert oder ersetzt werden. Mit diesem Ausschuß (oder ggf. Nacharbeit des Teils falls möglich) muss man leben, einen guter Facharbeiter zeichnet sich dadurch aus das er geeignete Maßnahmen selbsttätig ergreifen kann um diesen Anteil möglichst klein oder bei 0 zu halten.

Passiert dennoch "viel" Ausschuß ist der Programmierer / Arbeitsvorbereiter mit in der Pflicht und man sollte Fragen ob die korrekten Schnittbedingungen bzw. Werkzeuge gewählt wurden. Auch in Hinblick auf die Maschine, hier spielt dann die Stabilität und auftretende Schwingungen des Werkzeuges und der Maschine eine Rolle!

Wie groß der Unterschied sein kann merkt man meistens erst wenn mal eine Maschine kaputt ist und die Teile auf einer anderen produziert werden. Dann zeigen sich oft deutliche Unterschiede in der Oberflächenqualität, Maßhaltigkeit der Teile oder Standzeit der Werkzeuge.

Der berühmte Wärmegang den man im Laufe des Tages (vermeintlich) messen kann, ist nur durch den Temperaturunterschied des Messwerkzeuges und der kompensierten Maschine zu begründen. Wie sich Wärme tatsächlich auf den Produktionsprozess auswirkt ist in der Praxis nicht einfach zu ermitteln, dann dafür muss man die Temperatur im Inneren der Maschine (wo das Teil produziert wird), der Umgebung, des Messmittels und des gemessenen Teils zu verschiedenen Zeitpunkten messen, am besten bei mannloser Produktion. Wenn man die Daten dann analysiert ist es oft nicht eindeutig welchen Einfluss die Temperaturänderung im Laufe des Tages hat, in der Regel wird das überschätzt.

Andreas.
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Beitrag 13.11.2025, 11:54 Uhr
maximus6666
Level 2 = Community-Facharbeiter
**

Servus beinand,
Also ich komme eigentlich zu 100% aus der Zerspanung und Schnitte und Formenbau...aber hatten 2 Langdrehautomaten mit Stangenlader.
Und wenn not am man war habe ich mal ausgeholfen weils a simple Fanuc war. Die Maschinen waren 24/7 an und liefen auch in einer nicht
klimatisierten Halle und selbst bei gleichbleibenden Temperaturen musste ma alle Stunde vorbeischauen und bisschen korrigieren.
Die Maschinen waren von Tornos mit ca. 20axen vertikal angebracht und wenn der schlitten sich auch nicht gleichbleibend bewegt hat
war die Wärmeentwicklung immer unterschiedlich. und nicht zu vergessen dass das Kühlmedium war auch nicht temperiert war...
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Beitrag 13.11.2025, 19:35 Uhr
MikeE25
Level 7 = Community-Professor
*******

Unterschiedliche Wärmeentwicklung bei Teilen kenne ich auch.
Kommt meist auf die Laufzeit an.
Und Spindeldrehzahl spielt auch mit rein. Hohe Drehzahl erzeugt mehr Wärme und Vibrationen.
Mit weniger Drehzahl erhöht sich zwar die Bearbeitungszeit aber auch die Gleichmäßigkeit. Gilt auch für Eilganggeschwindigkeiten die man ja auch reduzieren kann.
Das sind alles Erfahrungswerte weshalb eine KI in dem Bereich einen qualifizierten erfahrenen Bediener vermutlich nicht so schnell ersetzen wird smile.gif

Der Beitrag wurde von MikeE25 bearbeitet: 13.11.2025, 19:36 Uhr
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Beitrag 16.11.2025, 01:55 Uhr
--freq--
Level 1 = Community-Lehrling
*

Hey papirossi,

Toleranzen erreichen darf keine glücksache sein.
Gerade in der Lohnfertigung mit dem ausgeprägtem Konkurenz und Kostendruck.

Das bedeutet, dass nur Teile angenommen werden sollten, für die ihr auch eingerichtet seid. (Messmittel, Maschinen, Know How) Wenn die Toleranzen nicht erreicht werden, dann mal das ganze mit dem Chef abklären und dem systematisch nachgehen. Ist ja sein Geld.

Jetzt aber zu deiner Frage was wichtig ist um die Genauigkeit zu erreichen. Alles eigentlich....
Ich schliesse mich auch meinen vorrednern an, in den meisten Punkten.

Punkt 1
Typisch ist die Winkligkeit und Geradheit der Maschinenachsen ein Problem. Ich habe oft erlebt, dass es mal "geklopft"(crash) hatte in einer Maschine und danach nur geschaut wurde ob sich die Spindel noch dreht. Dabei wurden aber die Führungen wellig oder die Spindel läuft nicht mehr Rund. Dann mal kurz Maschine mit Kugel kalibrieren und es passt auf den ersten Blick wieder. Man hat aber immer irgendwie Massprobleme...
Führungen erneuern ist nicht so teuer, planbar und hilft enorm. Schon alleine durch das Wissen, dass die Mechanik der Maschine als permanente zusätzliche Fehlerquelle weitgehend ausgeschlossen werden kann.

Punkt 2
Messtaster müssen regelmässig ->richtig<- kalibriert werden. Der Rundlauf auf 0.002mm einstellen. Nicht 0.02. Und auch nicht am voreinstellgerät sondern in der Spindel mit einer präzisen messuhr.

Wenn ihr hauptsächlich Aluminium bearbeit, sollte die Kugel auch nicht aus Rubin sein. Aluminiumoxid(Rubin) und Aluminium neigen zum "Kleben" und führt über längere Zeit zu verschleiss.

Punkt 3
Wenn Probleme mit der Temparatur herschen, dann kann es helfen, einen fixen ausgemusterten Kalibrierring/Endmass in der Maschine zu haben der die Temperatur vom Kühlwasser hat.
Nicht zum Kalibrieren, sondern um ein Referenzmass zu haben, an dem man über viele Bauteile hinweg den Temparaturdrift kompensieren kann.

Punkt 4
Temparatur vom Kühlmittel.
Wenn das Kühlmittel mehrere Grad unterschied hat zu deinen Messmittel ausserhalb der Maschine. Dann ist ein Messen eher ein Schätzen. Wie gross der effekt ist, kann berechnet werden.
Bsp. 100mm alu bei 5° Differenz sind ca. 0.011mm
Was die Toleranz schon auffrisst.

Gruss Freq
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Beitrag 16.11.2025, 08:36 Uhr
MikeE25
Level 7 = Community-Professor
*******

ZITAT(--freq-- @ 16.11.2025, 02:55 Uhr) *
Punkt 3
Wenn Probleme mit der Temparatur herschen, dann kann es helfen, einen fixen ausgemusterten Kalibrierring/Endmass in der Maschine zu haben der die Temperatur vom Kühlwasser hat.


Wichtiger Punkt.
Ich habe auch an jeder Drehmaschine Bügelmessschrauben und einen präzise geschliffenen Messdorn als Referenz, mit dem auch die Bügelmessschraube eingestellt wurde. Anders hat man keine Chance weil die Messmaschine im temperierten Raum sonst zu hohe Abweichungen misst.
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Beitrag 16.11.2025, 11:05 Uhr
--freq--
Level 1 = Community-Lehrling
*

@MikeE25
Das funktioniert gut wenn der Temparaturunterschied zwischen Messmittel und Bauteil(Kühlmittel) in der Maschine nicht zu gross ist.

Punkt 5
Durchzug in der Werkstatt reduzieren. Wenn der ganze Tag ein Tor offen ist, weils mal wieder 35° in der Halle ist, kann man gleich aufhören mit Schlichten. Da sich das Maschinengestell einseitig abkühlen kann. Gerade bei 5x Maschinen ohne abgedichtete Verschalung bis auf den Hallenboden, hat das ein grossen Einfluss auf den Drehpunkt der Rundachsen.
Dasselbe gilt für Dachfenster und direkter Sonnenschein auf die Maschine. Das hebelt jede temperierung, falls vorhanden, der Maschine aus.

Punkt 6
Bei wichtigen Toleranzen/Teilen, einen Kollegen zuziehen der mit einem zweiten Messmittel und Kalibrierdorn gegenmisst.
Wichtig dabei, dein eigenes Messergebniss erst dem Kollegen mitteilen, wenn er gemessen hat^^
Am besten auf einen Zettel schreiben und erst danach zusammen vergleichen.
Wenn der unterschied zu gross ist, holt einen dritten dazu und kontrolliert danach die Messmittel.

Das hat folgenden Grund. Viele tendieren dazu, unabsichtlich so lange zu messen bis das Mass dem Erwartungswert entspricht. Deshalb sollte das Mass und Toleranz nicht vorher mittgeteilt werden.


Wenn du konkretere Vorschläge haben möchtest, dann wäre es von Vorteil, Bilder der Aufspannung/Zeichnung/Werkzeuge und der Oberfläche vom fertigen Bauteil hochzuladen. Sofern das erlaubt wird von deiner Firma.


Gruss
FreQ

Der Beitrag wurde von --freq-- bearbeitet: 16.11.2025, 11:18 Uhr
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