Neulich sah ich eine Sendung im Fernsehen. Es ging wiedermal um Vorurteile Ost-West.
Umfragen auf der Straße in Leipzig, Dresden, Ulm, Stuttgart, Essen und anderen Kleinstädten.
Der Reporter fragte in Stuttgart eine ältere Frau: "Was halten Sie von Ossi's?" "Noi, do will i nix zu sage." Reporter:"Wiso denn?" Oma: "Des kommt net gut aa." Reporter: "Warum? Haben sie denn schon mal einen 'Ossi' kennengelernt?"
Omi überlegt etwas...: "Hajo, moi Schwiegerdochder".
Ja, das ist natürlich vernichtend...
Im 'Osten' kam dann auch der 'Besserwessi' an den Pranger...wie immer.
Nun lebe ich seit einigen Jahren unter Schwaben und Badensern... Bitte keine mitleidigen Blicke. Es gibt durchaus auch intelligente Vertreter dieser Spezies - wenn auch nicht überall. Einige zähle ich sogar zu meinen Freunden. Jaa wirklich!
Mir fiel bei diesem Fernsehbeitrag ein Vorstellungsgespräch ein, das allerdings schon einige Jahre her ist. - Etwa um die Jahrtausendwende -
Wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, würde ich es der Phantasie eines Kabarettisten zuschreiben.
Ich stellte mich also bei einem kleinen Unternehmen nördlich von Stuttgart als CNC-Fräser vor, das Pumpengehäuse aus PVC produzierte und laut Anzeige in der Zeitung einen CNC-Programmierer für Siemens-Steuerungen suchte. Das passte, hatte ich doch die letzten Jahre mein Arbeitsleben damit verbracht, an Sinumerik 840D und anfangs auch 840C zu programmieren.
Der Chef, ein Urbild des Schwaben, fragte mich allerlei, was in meiner Bewerbung stand. Gut, er hätte es auch lesen können, aber man weiß ja nie... 'Vielloichd had der ja au die Bewerbung von
seim Nachbarn deboi...'
"Do staht sie hebbet in Ruhla Wergzeigmacha glernt... Wo isch dann des??" Ich sah in sein wirklich fragendes Gesicht und antwortete ruhig: "Das ist bei Eisenach, wo Luther die Bibel auf der Wartburg übersetzte. - In Thüringen."
Er schaute etwas entsetzt... "Hajo! Des isch doch do boi Bole (Polen)..."
Ich muß etwas entgeistert geschaut haben... weil er mich fragte: "Schdimmd doch oddr?"
Jetzt dachte ich ja: 'Der ist gut drauf und will 'Spässle.' - Ich bin dabei...
"Ja, fast" sagte ich mit noch ernster Mine. "Na wie habet Sie dann so oine Beruf lerne kenne? Die hadde do nix" kam dann aus dem Brustton der festesten Überzeugung. Ich wartete einige Momente auf das erlösende Lächeln... er meinte das so?!
"Na ja" sagte ich dann mit etwas devoter Mine: "Die Leute in unserem VEB waren ja zu ungebildet und faul, um Uhrwerke mit der Hand zu montieren. Deshalb mußten wir in den 70'ern dafür Montage-Automaten schnitzen. Noch mit elekronischen Steuerungen! Völlig altmodisch! Und völlig unrentabel! Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen...Nur gut, daß Neckermann und Quelle sich erbarmt hatten, uns einige Exemplare gnädigerweise abzukaufen, damit wir uns nicht auf den restlichen Fensterkitt stürzen mußten, den die Russen uns noch gelassen hatten."
Er muß wohl doch bemerkt haben, daß ich das nicht wörtlich meinte und etwas ... sagen wir ... angepisst war.
"So, nu will ich Ihne moo zoige, wie 'MIR' hier mit 'HOIDEGG" produzieret... kommetse!"
Er führte mich vorbei, an der Verwaltung mit einem Tresen, den ich schon in einer Schweriner Kneipe gesehen zu haben glaubte, auf dem ein abgegriffenes schwarzes Backelit-Telefon mit Wählscheibe thronte. Dahinter ein Büro, das auch schon als Handelskontor für Kolonialwaren gedient haben könnte und einem Lager, das mich an die Werkzeugausgabe im Keller des Sondermaschinenbaus in Ruhla erinnerte. "Des isch onser Doilelager... gell"...
Wir betraten einen spärlich ausgeleuchteten ...Raum... mit zwei Fenstern, ... Maschinen... und grünlich schimmerndem Wellblechdach.
Ich sah mich um.... entdeckte aber keine Kassierrerin, die mir das Ticket für die historische Ausstellung übereichen konnte...
In der Mitte des Raumes enteckte ich unter frischen Spänen eine vertraute Sillouette mit einem Logo das ich schon aus Kinderzeit kannte 'UMF Ruhla': "Eine Duplex-Achtundfünfzig von 1955" kam es freudig aus mir heraus. 'Das es sowas noch gibt!' dachte ich. 'Die ist drei Jahre älter als ich'
"Ja kennet sie soebbes übberhoubd?" hörte ich hinter mir..."Des isch no deutsche Wertarbeit... die han i in Ulm kaaft boi 'UMF'! Des isch hald ned so en Glumb wie em Oschde!"
"Ja" sagte ich mit fast schluchzender Stimme: "Ich hab' an der Maschine
fräsen gelernt... in der Arbeitsgemeinschaft 'Historische Technik' in der 6.Klasse"
Zwei Schritte weiter: "Ohhh ein Bohrwerk aus Chemnitz" murmelte ich vor mich hin...und entdeckte das verharzte Typenschild:'UNION' "Die is nemme ganz neu...aber des isch au ned so a Gruschd wie aus em Oschde. Die duat noo!".
Nun zeigte er mir sein 'HOIDEGG'-Sahnestückchen... Eine Portalfräse mir völlig unbekannter Herkunft, aber einem Schild von 'Hahn&Kolb Stuttgart', mit 'hochmoderner NC-Steuerung' ... mit Lochstreifen. "Die isch von Siemens! ...kennet sie des?" fragte er bedeutungsschwanger.
"Ja, schon..." Ich legte den Kopf etwas auf die Seite ... "
Siemens schon.... Die Lochstreifen gibts doch noch zu kaufen...oder kleben sie jetzt Aktentrennstreifen zusammen?"....
Auf die respektlose Frage "Wieviel Reichsmark hat die denn mal gekostet?" bekam ich keine Antwort mehr.
Ich hab die Stelle übrigens nicht bekommen. Gut, ich wäre auch einfach überfordert - mit so viel 'Hoidegg'.