Dr. Daniel Meyer nahm im Rahmen des 6. Jahreskongresses der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) die renommierte Otto-Kienzle-Medaille für seine Forschungen auf dem Gebiet der Fertigungstechnik entgegen. Die WGP – ein Zusammenschluss führender deutscher Maschinenbau-Professoren – zeichnete damit einen international beachteten Nachwuchswissenschaftler aus, der produktionstechnische mit mikrobiologischen und chemischen Fragestellungen verbindet.
„Die Forschungen von Dr. Meyer sind durch ihren interdisziplinären Ansatz einzigartig und erlauben eine völlig neue Sichtweise auf die Produktionstechnik, insbesondere in der Kühlschmierstoffforschung“, sagte Prof. Eberhard Abele, Präsident der WGP, der die Medaille überreichte. „Seine national und international viel beachteten wissenschaftlichen Arbeiten stoßen auch in der Industrie auf Interesse. Sie verbessern nicht nur das Grundlagenverständnis, sondern erlauben Maschinenbauern, ressourcen- und damit energieeffizienter zu arbeiten und gleichzeitig ihre Produktivität zu steigern.“
Neue Konzepte für Kühlschmierstoffe
Ein Forschungsschwerpunkt von Meyer sind Kühlschmierstoffe (KSS). Hier erlaubt ihm sein ungewöhnlicher wissenschaftlicher Hintergrund – Meyer ist Diplom-Biologe und promovierter Produktionstechniker - einen einmaligen Blick auf produktionstechnische Prozesse. So rückte er erstmals in größerem Umfang die mikrobiellen und chemischen Eigenschaften von Kühlschmierstoffen in den Fokus der Wissenschaft. In den Substanzgemischen, die beim Zerspanen eines metallischen Werkstücks zur Kühlung eingesetzt werden, siedeln sich im Laufe der Zeit Bakterien an, die die Leistungsfähigkeit der Flüssigkeit beeinflussen und dazu führen, dass sie häufiger ausgetauscht werden muss.
„Dank unseres Verständnisses über die molekularen Zusammenhänge in KSS und die Mechanismen bei der Werkstoffmodifikation können wir zukünftig Fertigungsprozesse wissensbasiert planen“, erläutert Meyer. „Die erfahrungsbasierte Bearbeitung funktioniert zwar in vielen Bereichen sehr gut, aber sie kann noch optimiert werden. Wenn wir die Mechanismen verstehen, die sich in einem Werkstoff bei chemischen oder auch thermischen und mechanischen Einflüssen abspielen, können wir den Prozess so auslegen, dass exakt die gewünschte Reaktion auftritt.“
Aufbauend auf die gewonnenen Erkenntnisse entwickelte der Nachwuchsforscher neue Zusammensetzungen für KSS, die weniger für eine mikrobielle Verstoffwechslung anfällig und damit sowohl leistungsfähiger als auch langlebiger sind. Ein Austausch des Substanzgemischs, das zu einem nicht unerheblichen Teil auf Mineralöl basiert, ist damit deutlich seltener notwendig. Das bringt nicht nur für den produzierenden Betrieb eine klare Kostenersparnis, sondern ist darüber hinaus aus Sicht des Umweltschutzes zu begrüßen.
Automatisierte KSS-Zufuhr spart Energie
Doch nicht nur die molekulare Zusammensetzung des KSS ist entscheidend für die Bearbeitung, auch das KSS-Zufuhrsystem hat Einfluss auf Effizienz und Bauteilqualität. „Mitarbeiter stellen nach dem Schichtwechsel häufig das Zufuhrsystem neu ein – abhängig von ihren subjektiven Erfahrungen. Bei drei Schichtwechseln pro Tag wird das System bis zu drei Mal neu eingestellt“, weiß Meyer. Im Zuge des Projekts Cool-Art wurde nun mit Förderung des European Research Council (ERC) unter seiner Leitung ein automatisiertes Zufuhrsystem entwickelt. „Bei einem Probedurchlauf wird ein Dummy-Werkstück bearbeitet und währenddessen ermittelt, wie die Temperatur der Kontaktzonen von den Zufuhrbedingungen abhängen. Schon nach zwei bis drei Minuten gibt es ausreichend Messdaten, um die optimale KSS-Zufuhr zu berechnen und das System darauf einzustellen. Dann werden Winkel und Höhe der Düse genauso wie Strahlstärke des KSS für die betreffende Bearbeitung automatisch angepasst. „Diese Automatisierung birgt enormes Potenzial für eine effektivere Fertigung“, freut sich Meyer. „Abhängig davon, wie gut die jeweiligen Erfahrungen in einem Betrieb bereits umgesetzt sind, können durch das neue System noch einmal bis zu 40 Prozent Pumpenleistung und damit Energie eingespart werden.“
Neues Verfahren macht Härtung im Ofen unnötig
Dass Meyer die Ehrung der WGP-Professoren zuteil wurde, verdankt er zusätzlich über die KSS-Forschung hinaus einem neuen Verfahren in der Randzonenhärtung. Meyer hat ein Hybridverfahren zur Härtung von Randzonen metallischer Bauteile entwickelt. Gerade die Randzonen sind bei vielbelasteten Werkstücken wie Turbinenschaufeln, Kurbelwellen oder Kugellagern besonders beansprucht. Ihre Härtung ist daher von großer Bedeutung für Langlebigkeit und Sicherheit des Produktes. Beim so genannten kryogenen Festwalzen muss das zu bearbeitende Werkstück nicht mehr aus der Werkzeugmaschine ausgespannt werden, um im Ofen unter hohem Energieaufwand thermisch gehärtet zu werden, nur um danach für die weitere Bearbeitung wieder in die Werkzeugmaschine eingespannt zu werden. Beim kryogenen Festwalzen wird das Werkstück während der mechanischen Bearbeitung mit Trockeneis bestrahlt, wodurch das Material sogar noch härter wird als durch die Hitzebehandlung. Das Werkstück kann also während des kompletten Prozesses in der Werkzeugmaschine verbleiben. „Das spart viel Zeit und Energie, und trotzdem erreichen wir die für das jeweilige Bauteil erforderlichen Härtebereiche – oder sogar noch höhere. Und das Ganze funktioniert mit einem besonders für kleinere Losgrößen deutlich energieeffizienteren Verfahren“, erläutert Meyer. Hinzu kommt, dass innere Bereiche des Werkstücks von der Härtung ausgespart und damit weicher bleiben. Das ist bei hochbelasteten Werkstücken wichtig, da sie sonst bei dynamischen Belastungen schneller brechen.“ Das Verfahren wird bereits in Zusammenarbeit mit Industriepartnern angewendet und hat nicht nur zu Energieeinsparungen geführt, sondern auch zu qualitativ höherwertigen, weil langlebigeren Produkten.