Tiefbohrmaschine

Aus IndustryArena
Version vom 27. März 2019, 15:55 Uhr von CNCFanatiker (Diskussion | Beiträge) (CNCFanatiker verschob die Seite Tiefbohrmaschine und Tiefbohrbank nach Tiefbohrmaschine und überschrieb dabei eine Weiterleitung)
Zur Navigation springen


Tiefbohrmaschinen sind eine besondere Bauart von Bohrmaschinen zum Herstellen von tiefen Bohrungen mit einem Verhältnis Länge zu Durchmesser größer 10. Häufig kommen dabei asymmetrische Bohrwerkzeuge zum Einsatz, welche speziell in den Bohrungen geführt werden müssen. Mit realisierbaren Längen von bis zu 45 Metern zählen Tiefbohrmaschinen zu der verhältnismäßig größten Ausführung der Bohrmaschine. Die erste Tiefbohrmaschine wurde von der Firma Loch Präzisions Bohrtechnik GmbH 1960 entwickelt von dem damaligen Juniorchef Horst Loch.


Aufbau

Tiefbohrbank

Der Aufbau dieser Tiefbohrmaschine ähnelt einer Drehmaschine. Auf dem steifen Maschinenbett befindlich liegen Werkzeug- und gegebenenfalls Werkstückspindel, Antriebe und meist eine oder mehrere Lünetten. Es gibt Tiefbohrmaschinen in senkrechter und waagerechter Ausführung, allerdings ist die senkrechte Ausführung durch die begrenzten Deckenhöhen in den meisten Wirtschaftsbetrieben eingeschränkt und daher nur bedingt einsetzbar.

  • Maschinenbett : Das Maschinenbett besteht aus dem Gestell beziehungsweise dem Maschinenfuß, einer Auffangeinrichtung für KSS (Kühl-Schmier-Stoff) und Späne, sowie einer oder mehrerer Führungen. Da die Werkzeuge beim Tiefbohren sehr schwingungsanregend sind und Biege,- Axial- und Torsionsschwingungen verursachen, muss das Maschinenbett steif und mit großer Masse ausgeführt werden. Die Führungen sind meist aus Guss, welche durch mehrere Bearbeitungsprozesse auf Präzision nachbearbeitet werden. An die Auffangeinrichtung für KSS und Späne werden besondere Anforderungen gestellt. Durch den hohen KSS-Bedarf beim Tiefbohren fällt eine große Menge wieder abzuführende Flüssigkeit an. Ebenfalls muss genügend Volumen vorhanden sein, um die zusätzlichen Späne mit aufnehmen zu können. Um die Führungen und andere wichtige Bauteile vor Spänen zu schützen können diese mit Abdeckungen versehen werden.
  • Werkzeugspindel : Die Werkzeugspindel ist meist fest zusammen mit dem Hauptantrieb, sowie dem übersetzenden Getriebe verbaut. Diese Baugruppe wird auf einem Schlitten fixiert welcher von einem Nebenantrieb über ein Vorschubgetriebe bewegt wird und den Freiheitsgrad der Vorschubbewegung auf 1 reduziert. Die Werkzeugaufnahme erfolgt über Spannbacken, Bohrfutter oder passgenaue Hülsen. Üblich sind Tiefbohrmaschinen mit einer bis zu sechs Spindeln. Dadurch können bis zu 6 Werkstücke gleichzeitig bearbeitet werden.
  • Werkstückspindel : Da das Tiefbohren mit Tiefbohrbänken fast ausschließlich zur Herstellung von zentrierten Bohrungen in symmetrischen Werkstücken erfolgt besitzen die Maschinen dementsprechend eine dafür vorgesehene zweite Spindel. Diese zentriert das Werkstück geradlinig zur Bohrspindel. Zur Realisierung der zur Werkzeugdrehung gegensinnigen Rotation des Werkstückes während des Bohrprozesses verfügen dafür ausgelegte Modelle über einen zweiten Hauptantrieb und ein zwischengeschaltetes Getriebe.
  • Lünette : Als Lünette bezeichnet man eine zentrierte Führung. Diese müssen je nach Länge des Werkstückes und der Bohrung beziehungsweises der damit verbundenen Werkzeuglänge in passender Anzahl eingesetzt werden. Sie verhindern zum einen ein Durchhängen des Materiales und zum anderen ein Ausweichen nach Außen durch hohe Fliehkräfte während der Rotationsbewegung. Sie werden auf der Führung des Gestelles geführt und bewegen sich beim Betätigen des Vorschubes ziehharmonikaartig mit, um zwischen den Lünetten und den Endlagern einen gleichmäßigen Abstand zu realisieren. Wenn das Werkstück drehbar sein soll, müssen die Werkstücklünetten ebenfalls drehbar gelagert sein. Ansonsten werden nicht drehbare Lünetten aus Kostengründen verwendet.
  • Bohrfutter : Das Bohrfutter stellt für Werkzeug und Werkstück das Endlager dar und beide werden dabei exakt zueinander zentriert und ausgerichtet. Eine weitere wichtige Aufgabe des Bohrfutters besteht in der Beherbergung der Bohrbuchse, welche zum Führen des Bohrers, vor allem während des Anbohrens, wichtig ist. Das Bohrfutter ist ebenfalls auf einem Schlitten verbaut, um sich an wechselnde Werkstücklängen anzupassen. Möglich ist hier eine Abdichtung der Welle des Werkzeugen durch Dichtringe an der Bohrbuchse. Dadurch kann das Späne-KSS-Gemisch gezielt aufgefangen werden und ein Auffangen auf gesamter Länge wird nur noch für Leckagen nötig und am anderen Ende des Werkstückes bei Durchgangsbohrungen.
  • KSS-Anlage : An die Kühlmittelschmierstoff-Anlage einer Tiefbohrmaschine werden verglichen mit anderen Bohrmaschinentypen besondere Herausforderungen gestellt. Der grundlegende Aufbau einer solchen Anlage setzt sich aus den Bauteilen Spanvorabscheider, Schmutztank, Filter, Filterpumpe, Reintank, Hochdruckpumpe und eventuell noch Ventilen zusammen. Der Spanvorabscheider besteht aus einem grobmaschigen Sieb um große Späne rauszufiltern und trotz großer Mengen. Anschließend wird das verunreinigte Gemisch in einen Schmutztank weitergeleitet. Hier kann sich das Öl beruhigen (Luftblasen absetzten) und ein Teil der Verunreinigungen kann sich durch höhere Dichte am Boden des Tankes absetzten. Eine Pumpe, meist eine Zahnradpumpe, saugt das Gemisch aus dem Schmutztank und pumpt es durch eine Druckfilterpatrone mit Mindestfilterfeinheit von 30 µm in den Reintank. Der Ansaugstutzen befindet sich dabei einige cm über dem Tankboden um die abgesetzte Partikel nicht mit aufzunehmen. Im Reintank kann sich das Öl nochmals beruhigen, was wichtig für die Lebensdauer der Hochdruckpumpe ist, welche besonders gefährdet durch Kavitation ist. Die Hochdruckpumpe, bei der es sich oft um eine Radialkolbenpumpe handelt, wird über ein Load-Sensing-System (lastfühlend) gesteuert zur Einstellung des geeigneten Druckes.

Tiefbohrmaschine für kubische Werkstücke

Tiefbohrmaschinen zur Herstellung von Bohrungen in kubische oder andersförmige Werkstücke unterscheiden sich in mehreren Punkten von einer Tiefbohrbank. Besonders bei der Werkstückaufnahme/-führung und der Bearbeitungseinheit liegen Unterschiedlichkeiten vor.

  • Werkstückaufnahme : Die Werkstückaufnahme erfolgt über einen Tisch mit T oder V-Nuten, ähnlich wie bei anderen Bohrmaschinentypen oder Fräsmaschinen. Für die Großserienfertigung werden auch spezielle Aufnahmen für die entsprechenden Werkstücke zur Fixierung verwendet. Der Werkstücktisch ist drehbar gelagert und kann über eine CNC-Steuerung gedreht werden um jede Seite des Werkstückes zu erreichen.
  • Bearbeitungseinheit : Die Bearbeitungseinheit mit Hauptspindel, Antrieb und Bohrfutter beziehungsweise Lünetten befindet sich auf einer beweglichen Führung. Diese kann sowohl in senkrechte Richtung bewegt werden zum Erreichen verschiedener Positionen auf dem Werkstück, als auch geneigt werden für Bohrungen, die nicht senkrecht sondern winklig hergestellt werden sollen. Aus diesem Zusammenspiel aus Aufnahme und Bearbeitungseinheit kann nahezu jede Stelle des Werkstückes erreicht werden.


Einsatzgebiete

Das Tiefbohren findet in vielen Disziplinen des Maschinenbaus Anwendung vor allem in der Motoren-, Antriebs-, Luft- und Raumfahrttechnik. Die hohen Qualitätsanforderungen an Bohrungen in Einspritzteilen, Pumpenkörpern, Kurbelwellen, Pleuels, Laufbuchsen oder Ventilen sind ausschließlich mit dem Tiefbohren zu erreichen. Aus diesem Grund sind Tiefbohrmaschinen für die immer weiter steigenden Anforderungen an Präzision unverzichtbar. Oftmals werden sie als Kombination aus Tiefbohrmaschine und Fräse angeboten als so genannte Fräs-Bohr-Zentren. Diese sind auch zur Herstellung anderer Bohrarbeiten wie Senken, Gewindebohren oder Reiben fähig und bieten große Möglichkeiten der Prozessbearbeitung. Im Folgenden sind einige Anwendungsbeispiele näher erläutert:

  • Injektoren : Durch neue Abgasnormen, Hang zur Optimierung und daraus resultierende Anforderungen an die Genauigkeit müssen die Injektoren für die Kraftstoffeinspritzung in Motoren hochpräzise gefertigt werden. Mit Einspritzdrücken von bis zu 1400 bar wirken enorme Kräfte auf die Dichtflächen der Düsen, in den meisten Fällen Piezo-Injektoren. Da sich bei diesen Drücken Kraftstoff schon bei mittlerer Oberflächengüte durchdrücken könnte ist eine hohe Güte gefragt.
  • Getriebewellen : Moderne Getriebewellen werden zur Gewichtsreduzierung Hohlgebohrt. Die Schwierigkeit hierbei besteht darin eine konstante Wandstärke der Hohlwelle beizubehalten, da kleine Abweichungen schon eine ungewollte Sollbruchstelle erzeugen können. Die Innenbohrungen werden zusätzlich mit radialen Bohrungen versehen, um Getriebeöl an die dementsprechenden Stellen an der Verzahnung der Zahnräder zu befördern.
  • Pleuel : Zur Übertragung der translatorischen Bewegung in eine Rotation benötigt jeder Verbrennungsmotor Pleuel. Hochleistungsmotoren, vor allem Benziner, erreichen sehr hohe Drehzahlen von über 20.000 Umdrehungen pro Minute. Da bei dieser Rotationsgeschwindigkeit bereits nach wenigen Sekunden die Lagerschalen des Pleuel verschlissen wäre ist eine Nassreibung durch ausreichend Öl wichtig. Um dieses bis an die Verbindungswelle von Kolben und Pleuel zu befördern wird in das Pleuel eine Bohrung von ca. 1 mm gefertigt. Dadurch kann der Ölstand der Ölwanne reduziert werden bis auf knapp über der Hälfte der Kurbelwellenmitte da durch die Kapillarbohrungen alle Schmierstellen mit Öl versorgt werden können.


Kühlmittel

Dem Kühlschmierstoff (KSS) kommen beim Tiefbohren besondere Aufgaben zugute. Neben der sonstigen Kühlfunktion der Werkzeuge und Werkstücke durch Flüssigkühlung und das Reduzieren der Reibung muss das KSS beim Tiefbohren zusätzlich das Bohrgut aus der Bohrung abführen. Ebenfalls muss für einen konstanten Film zwischen Führungsleisten und Werkstück gesorgt werden zum Sicherstellen einer Nassreibung. Eine Trocken- oder Mischreibung würde die Führungsleisten zu schnell verschließen und die Genauigkeit beeinträchtigen. Dazu sind hohe Volumenströme und Drücke notwendig. Dabei entstehen besondere Anforderungen an das KSS, welche den Einsatz eines speziellen Gemisches notwendig machen. Nach DIN 51385 werden KSS in nichtwassermischbar, wassermischbar und wassergemischt unterteilt. Nichtwassermischbare Gemische sind zumeist mineralische Öle und neuerdings auch esterbasierte synthetische Öle. Wassermischbare KSS werden mit Wasser zu einem Emulgator gemischt, wohingegen wassergemischte KSS bereits mit Wasser gemischt und einsatzfertig sind. Für den Prozess des Tiefbohrens besitzen die nichtwassermischbaren KSS aus Öl eine übergeordnete Rolle ein. Durch die Zugabe von Additiven können relativ leicht verbesserte Eigenschaften erzielt werden. Da Werkstücke mit Tiefbohrungen oft in Serien hergestellt werden wirken sich bereits kleine Einsparpotentiale stark auf die Wirtschaftlichkeit aus. Aufgrund dessen stellt der Markt spezielle Tiefbohröle bereit. Aufgrund der verbesserten Eigenschaften setzten sich dabei die Esteröle immer weiter durch. Sie besitzen eine geringere Verdampfungsneigung, bessere Schmiereigenschaften und Hautverträglichkeit, sowie eine verbesserte biologische Abbaubarkeit. Als Additive werden ihnen meist Phosphor- und Schwefelverbindungen beigesetzt. Die Viskosität der Tiefbohröle liegt meist bei 15-20 cSt. Je nach Bohrdurchmesser werden die Drücke und der Volumenstrom des Öles dem Bohrprozess angepasst. Mit steigendem Bohrdurchmesser sinkt dabei der Druck und steigt der Volumenstrom. Beispielsweise bei 4 mm Durchmesser liegt der Druck bei 80 bis 100 bar und der Volumenstrom bei ca. 5 l/min wohingegen bei 30 mm Durchmesser der Druck nur noch bei 10 bis 30 bar liegt und der Volumenstrom bei 40 bis 90 l/min. Besonders hohe Drücke treten bei Durchmessern von unter 1 mm auf, welche bis zu 200 bar betragen können. Diese hohen Drücke machen ein Abfangen des KSS beim Austreten aus der Bohrung erforderlich, da das KSS-Bohrgutgemisch ansonsten ein Verletzungsrisiko darstellt.


Automatisierung

Die Automatisierung von horizontalen Tiefbohrmaschinen zur Bearbeitung von drehrunden Bauteilen erfolgt meist nur auf der Werkstückseite. Eine Möglichkeit hierfür ist das Verwenden von Kettentaktbändern. Entsprechend der Lage der Bänder ergibt sich vor und hinter der Maschine ein Puffer. Bei zylindrischen Werkstücken können auch Magazine mit einem Fassungsvermögen von bis zu 100 Stück zum Einsatz. Durch diese Automatisierung lässt sich der Prozess nahezu mannlos durchführen. Die Werkstücke werden in der Maschine über Aushebeprismen oder eine Übergabestation angehoben und in der Achse zwischen Reitstock und Bohrbuchsenträger fixiert. Die Einspannung des Werkstückes kann vorgenommen werden durch die Pinole im Reitstock oder einen Spannkonus. In kombinierten Anlagen zum Beispiel in Kombination mit einer externen Drehmaschine können die Tiefbohrmaschinen über Portalkräne mit den Werkstücken beschickt werden. Dazu ist eine Tür, meist automatisch gesteuert, auf der Oberseite der Maschine notwendig. Der Vorteil dieser Ausführung ist der verringerte Platzbedarf. Ein Nachteil im Vergleich zu Kettentaktbändern ist die verlängerte Standzeit zum Be- und Entladen der Maschine durch das Ein- und Ausfahren des Portals in die Maschine. Weiterhin kann auch der Werkzeugwechsel automatisiert werden. Vor allem für kleine Losgrößen ist eine Ablösung des aufwändigen manuellen Wechsel durch eine automatische Wechseleinrichtung sinnvoll oder zum Realisieren von verschiedenen Bohrdurchmessern in einer Bohrung. Für die Großserienfertigung ist der Einsatz von Werkzeugwechseleinrichtungen unwirtschaftlich und wird manuell gefertigt.


Nachweise und Literatur

• Autoren: Wolfgang Klein und Hermann Klein: Tiefbohren – Effiziente Herstellung von tiefen Bohrungen und Präzisionsbohrungen, Süddeutscher Verlag anpact GmbH 2016, ISBN: 978-3-86236-095 • Andreas Hirsch: Werkzeugmaschinen - Grundlagen, Auslegung, Ausführungsbeispiele, Springer-Verlag, Chemnitz 2010, ISBN 978-3-8348-0823-3 • Jochen Dietrich: Praxis der Zerspantechnik - Verfahren, Werkzeuge, Berechnung; 12., überarbeitete Auflage; ISBN 978-3-658-14052-6


IndustryArena Suche


Bewertung für diesen Artikel:
4.75
(4 Stimmen)