TopSolid als Antrieb für die Drehfräsbearbeitung
Drehen und Fräsen sind die wichtigsten Bearbeitungsverfahren bei der SPN Schwaben Präzision Fritz Hopf GmbH, die Getriebe, Verzahnungselemente, Antriebssysteme und mechatronische Komponenten entwickelt und fertigt - meist im Kundenauftrag. Um die Komplettbearbeitung auf den Drehfräszentren von Index und den 5-Achs Fräszentren von Hermle durchgängig mit einer CAM-Lösung programmieren zu können, hat SPN die Software TopSolid von Missler eingeführt.
Präzision und Innovation greifen in Nördlingen ineinander wie gut geschliffene Zahnräder. Mit über 300 Mitarbeitern entwickelt und fertigt SPN hier an zwei Standorten Getriebe und antriebstechnische Komponenten für Kunden in Maschinenbau, Energietechnik, Bergbau, Luftfahrtindustrie und anderen Branchen. Maßgeschneiderte Antriebslösungen sind die Spezialität des mittelständischen Unternehmens, das daneben auch spielarme und spielfreie Planetengetriebe in verschiedenen Ausführungen sowie Stirnrad- und Schneckengetriebe als Katalogware herstellt Der Umsatz liegt bei 30 Millionen Euro.
Aufgrund des hohen Anteils an kundenspezifischen Antriebslösungen, die in wenigen Wochen reifen müssen, ist Zeit bei SPN immer ein knapp bemessenes Gut. „Unsere größte Herausforderung aber ist die Genauigkeit“, sagt Christian Blaurock, Leiter der Vorfertigung. „Wir fertigen gerade für die Luftfahrt sehr dünnwandige Teile mit hohem Zerspanungsgrad und engen Toleranzen aus schwierig zu bearbeitenden Materialien wie Titan. Da einen sauber funktionierenden Prozess aufzusetzen, ist manchmal nicht ganz einfach.“ Eingesetzt werden die anspruchsvollen Getriebe von SPN beispielsweise in den Landeklappen des Airbus.
Um die engen Fertigungstoleranzen zu erreichen, setzt SPN konsequent auf die Komplettbearbeitung. Der Maschinenpark wurde in den letzten Jahren um drei leistungsstarke Drehfräszentren vom Typ Index C65 und Index C200 ergänzt, die mit je zwei Spindeln und drei Werkzeugrevolvern ausgerüstet sind. Auf der Index C200 werden von der Drei-Meter-Stange Drehfrästeile mit einer Länge von bis zu 500 Millimetern und einem Durchmesser von maximal 65 Millimetern bearbeitet; der Fräsanteil liegt im Schnitt bei 30 Prozent. Im Fräsbereich hat SPN mit der Anschaffung eines Hermle-Fräszentrums C40U mit Drehtisch die Voraussetzung für die 5-Achs-Bearbeitung von komplexen Oberflächen geschaffen. Zahlreiche 3-Achs-Fräsautomaten und 4-Achs-Drehmaschinen runden den Maschinenpark ab - darunter fünf Index G300, die mit je zwei Werkzeugrevolvern ausgestattet sind.
Vielfalt der Programmiermethoden
Die NC-Programme für die Maschinen wurden in der Vergangenheit mit unterschiedlichen Werkzeugen und Methoden erzeugt. Für die Index-Maschinen nutzten die Anwender das Programmiersystem H200 des Maschinenherstellers, für die Fräszentren ein anderes 2D-CAM-System; ältere Fräs- und Drehautomaten wurden zum Teil offline mit einem Editor, zum Teil aber auch direkt an der Maschine programmiert. Da es sich um 2D-Systeme und Methoden handelte, konnten die Anwender die 3D-Daten aus der Getriebeentwicklung oder von Kunden, die ihnen Modelldaten der zu fertigenden Bauteile zur Verfügung stellten, nicht weiter verwenden. Für Freiformflächen fehlten die Programmiermöglichkeiten gänzlich. Darüber hinaus hatte die Methodenvielfalt den Nachteil, dass die Programmierer im Krankheitsfall schwer durch Kollegen ersetzbar waren.
Um das Drehen und Fräsen enger zusammenzuführen und bei der CAM-Programmierung flexibler zu werden, entschied sich SPN, TopSolid einzuführen: „Der Markt hat sich schnell gelichtet. Es gibt nicht so viele Systeme, die das Drehen mit drei Revolvern und Gegenspindel unterstützen“, sagt Blaurock. Missler-Vertriebspartner AdeQuate Solutions überzeugte durch die gute Systemvorführung. Die Experten des Lahrer Systemhauses programmierten die Bearbeitung eines typischen Drehfrästeils und stellen den Anwendern den NC-Code zur Verfügung, damit sie ihn auf der virtuellen Maschine der Index C200 testen konnten. Die NC-Programme hatten eine ausgezeichnete Qualität, wie Blaurock sagt, obwohl die Postprozessoren erst noch an die Anforderungen von SPN angepasst werden mussten.
AdeQuate optimierte im ersten Schritt die Postprozessoren für die Index C200 sowie das 5-Achs-Fräszentrum von Hermle - die komplexesten Maschinen bei SPN. - und integrierte eine neu beschaffte Drehmaschine Spinner TC-800. Im zweiten Schritt wurden vier weitere Maschinen an das CAD/CAM-System angebunden; die Index G300 soll im Laufe dieses Jahres folgen. „Maschinenanbindung und Anpassung der Postprozessoren haben sehr gut geklappt“, versichert Blaurock.
Im Rahmen der Anpassung ergänzten die Spezialisten von AdeQuate die Postprozessoren beispielweise um die Funktionen für die Kühlmittel-Zuführung durch die Spindel oder mit Hochdruck, die im Standardfunktionsumfang nicht abgebildet waren. Sie schufen die Möglichkeit, die Vorschübe zu parametrieren und in einer Tabelle am Anfang der NC-Programme zusammenzufassen, so dass die Maschinenbediener sie einfacher modifizieren können - beispielsweise wenn bei einer Bearbeitung Vibrationen auftreten, was man bei der Simulation nicht erkennen kann. Außerdem implementierten sie ein Zusatzprogramm, das es erlaubt, zusammen mit den NC-Programmen die in TopSolid definierten Werkzeugdaten per Funk an die Maschine zu senden.
3D-Bibliothek mit den Werkzeugen
Werkzeuge und Vorrichtungen werden bei SPN schon seit über zehn Jahren mit der Werkzeugdatenbank von Coscom verwaltet, die betriebsweit eingesetzt wird und deshalb auch weiterhin im Einsatz bleiben soll. Nachteil der Lösung ist, dass es sich um ein 2D-Verwaltungssystem handelt, so dass die Werkzeugdaten nicht direkt für die Programmierung der 3D-Bearbeitung genutzt werden können. Der Aufwand für die Entwicklung einer Schnittstelle ist hoch , da zum Beispiel die Werkzeughalter nicht einmal als 2D-Geometrie abgebildet sind. Deshalb werden Schneidwerkzeuge, Halter und Vorrichtungen für die Fräs- und Drehbearbeitung jetzt nach und nach in der Werkzeugbibliothek von TopSolid abgebildet. Dank entsprechender 3D-Kataloge der Hersteller ist das nicht mehr so aufwendig wie noch vor ein paar Jahren: „Wir laden uns die Werkzeuge und Halter einfach runter und bauen sie in TopSolid‘Tool zusammen“, erläutert Blaurock. „Index ist da einer der Vorreiter. Alle angetriebenen und festen Halter stehen heute in 3D zur Verfügung.“
Die Abbildung der tatsächlich eingesetzten Werkzeuge ist Voraussetzung für die zuverlässige Simulation der Fräs- und Drehbearbeitung und auch für eine präzise Prüfung des Materialabtrags. „Nur wenn ich das richtige Werkzeug verwende, sehe ich mit der Prüffunktion, ob irgendwo noch Material steht“, sagt Blaurock. Die Anwender nutzen die Simulationsfunktionen von TopSolid sehr intensiv, um die Bearbeitung mit mehreren Werkzeugen im Eingriff optimal zu synchronisieren und Kollisionen zu vermeiden. Die Zuverlässigkeit der CAM-Simulation ist so hoch, dass sie auf die nachträgliche Simulation des NC-Codes mit der virtuellen Index-Maschine heute verzichten können.
Mit der neuen Programmierlösung sind die Anwender sehr zufrieden, wie Blaurock weiter ausführt, obwohl sie noch immer nicht alle Funktionen beherrschen. Insgesamt wurden die vier Programmierer 14 Tage im Umgang mit den CAD- und CAM-Funktionen des Systems geschult. Die Aufbauschulungen fanden in Nördlingen statt, auf der Basis von Getriebeteilen aus dem Fundus von SPN, was für einen guten Bezug zur täglichen Programmierpraxis sorgte. „Trotzdem lernt man in einer Schulung höchstens 30 Prozent der Möglichkeiten des Systems kennen. TopSolid ist halt sehr umfangreich“, sagt Blaurock. Rund 500 Dreh- und Fräsprogramme haben die vier CAM-Programmierer seit ihrer ersten Schulung erstellt.
Verbesserungspotential sehen die Anwender bei der Programmierung der Übergabe von der Haupt- auf die Gegenspindel, die jedes Mal Schritt für Schritt definiert werden muss, obwohl es sich eigentlich immer um den gleichen Vorgang handelt. Er ließe sich deshalb einfach standardisieren. AdeQuate hat für die Übergabe eine Vorlage angelegt, die allerdings den Nachteil hat, dass die Parameter an mehreren Stellen eingegeben werden müssen und der Vorgang nicht simuliert werden kann. „Wir würden uns wünschen, sie direkt in TopSolid eingeben und die Übergabe dort auch simulieren zu können“, sagt Blaurock.
Verkürzung der Programmierzeiten
Die Programmierung in der Maschinenumgebung sorgt in Verbindung mit den leistungsfähigen Simulationsfunktionen für eine bessere Qualität der NC-Programme. Wie viel schneller das Einfahren dadurch geworden ist, hängt von der Komplexität der Bauteile ab. „Neue Programme einzufahren ist auf alle Fälle problemloser geworden, weil wir mehr Dinge schon am Rechner abfangen können, die wir früher erst an der Maschine gesehen haben; und dann stand sie erst mal zwei Stunden still. Wenn heute Probleme auftreten, lassen sich die Programme auch viel schneller ändern. Dadurch sind die Stillstandszeiten bei Neuteilen deutlich zurück gegangen.“
Durch den Einsatz von TopSolid‘Cam haben sich die Programmierzeiten selbst bei Teilen mittlerer Komplexität um circa ein Drittel verkürzt, wie ein erster Test ergeben hat. Noch größer dürfte der Zeitvorteil bei komplexeren Teilen mit einem hohen Fräsanteil sein, schätzt Blaurock. Weitere Zeitersparnis verspricht er sich von der automatischen Ableitung der Einrichteblätter, die auf Knopfdruck mit den Daten aus TopSolid befüllt werden sollen. Diese Erweiterung setzt AdeQuate zur Zeit um.