Claus Oetter

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Usability wird
zum Erfolgsfaktor der IT

Selbst Hersteller von Werkzeugmaschinen legen Wert auf Schönheit. Es geht dabei nicht um Ästhetik allein. Ein gelungenes Design verbessert Funktionalität und Ergonomie der Produkte. Der Anwender spürt es sofort und freut sich, denn die Arbeit fällt ihm damit leichter. Wo wäre die Forderung nach einer verbesserten Usability (Nutzbarkeit) dringender als in weiten Teilen der Arbeit mit Informationstechnik (IT)?

Die zunehmende Durchdringung mit IT krempelt alle Bereiche des privaten ebenso wie des industriellen Lebens um. Besonders auffällig ist dieser Trend in der Industrie: Rapide steigt der Anteil der IT an der Maschine, und zugleich nimmt die weltweite Vernetzung der Systeme zu. Standards der IT halten überall Einzug und eröffnen neue Möglichkeiten der Nutzung. Dabei ist eine Beschleunigung zu bemerken. Neue Technologien schaffen es immer schneller, in der Industrie Fuß zu fassen. Die Grenzen zwischen den Engineeringbereichen verschwimmen, und man muss sicher das eine oder andere liebgewonnene Vorgehen über Bord werfen, um offen für neue Ansätze und Prozesse zu sein.

Dabei muss neue Technik nicht von vorneherein kompliziert sein. Zunehmend zeigt sich, dass attraktive Produktgestaltung auch im Maschinen- und Anlagenbau sehr positiv wahrgenommen und angenommen wird. Gestaltung umfasst deutlich mehr als Aussehen: Design ist zum Erfolgsfaktor geworden. Attraktivität bedeutet in der Regel nicht nur gutes Aussehen, sondern bezieht beispielsweise auch einfache Nutzbarkeit mit ein, so wie es Auto-, Computer- und Konsumgüterhersteller vormachen. Viele Hersteller von Investitionsgütern überlegen daher, wie sie einfache Oberflächen-Konzepte, beispielsweise aus dem Verbraucherbereich, auf ihre Produkte übertragen können.

Während beim traditionellen Handwerkzeug eine unmittelbare und damit auch einfach verständliche Verbindung zwischen der menschlichen Aktion und dem Ergebnis oder Effekt gegeben ist, ist bei Maschinen eher selten ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Bedieneingriffen und dem bewirkten Effekt zu erkennen. Insbesondere ist bei der Bedienung von Maschinen die Kenntnis bzw. ein Gefühl über die Dynamik der Antriebsmaschine mit einzubeziehen. Für eine gute Bedienung muss die Bedienoberfläche der Software folglich so gestaltet sein, dass sich für den Anwender ein Vorteil ergibt: Eine gewissermaßen automatisierte Beherrschung hoher Komplexität muss mit einer einfachen, leicht beherrschbaren Bedienung zu verbinden sein. Viele Maschinen- und Anlagenbauer haben erkannt, dass Funktionalität nicht alles ist. Sie muss auch beim Benutzer „ankommen“. Es genügt nicht, dass eine Maschine enorm viele Möglichkeiten besitzt und sie dann wie ein Sportler vor lauter Kraft kaum noch laufen kann, sondern sie muss schlank und fit sein, damit der Anwender sie sofort und ohne Umstände einsetzen kann.

Deshalb ist das Thema „Usability“ unter Herstellern ein wachsendes Anliegen. Hinter diesem Begriff verbirgt sich das Ziel, die Bedienung ihrer Produkte intuitiv, leicht erlernbar und damit effizient zu gestalten. Inzwischen gehen einige Hersteller sogar weiter: Auch die Maschinenbedienung (Human Machine Interface, HMI) soll Freude machen, den Benutzer motivieren und ihm ein positives Gefühl vermitteln. Der Fachausdruck hierfür lautet „User Experience“.

Er beschreibt ein positives Nutzungserlebnis, das der Anwender bei der Bedienung eines Produkts erfahren soll. Einige Hersteller gehen inzwischen sehr strukturiert bei der Gestaltung der Bedienoberflächen vor. Sie analysieren Nutzer und Nutzungsszenarien, entwerfen Informationsarchitekturen und Interaktionskonzepte, erstellen Interface-Prototypen, führen Akzeptanztests mit Endbenutzern durch und dokumentieren erarbeitete Standards in einem Firmen-Styleguide.

Eine solche Standardisierung bietet zudem Sparpotenzial für Maschinen- und Anlagenbauer, die normalerweise in jedem Projekt große Teile der Bedienung neu und individuell implementieren. Denn Firmenstandards sind ein wesentlicher Schritt hin zu Standard-Software, bei der nur noch begrenzte Teile kundenspezifisch projektiert werden müssen. Das verringert Entwicklungskosten und -zeiten, und kommt damit letztlich sogar dem Käufer zugute.

Es ist hilfreich und Kosten sparend, die Aktivitäten zu Usability und User Experience in einer frühen Phase der Entwicklung in den Blick zu nehmen, am besten bevor mit der Implementierung der Bedienoberfläche gestartet wird. Da sich aber viele Entwicklungsprojekte für Maschinen über einen längeren Zeitraum hinziehen, können während der Implementierungsphase neue Anforderungen oder Funktionen auftauchen.

Mitunter erkennt man erst bei der Implementierung, dass sich Gestaltungsideen aufgrund technischer Randbedingungen oder aufgrund enger Zeitpläne bzw. Ressourcenpläne nicht in der geplanten Art und Weise umsetzen lassen. In diesen Fällen ist es besonders wichtig, dass die Entwickler auf die Expertise eines Software-Ergonomen zurückgreifen. Mit Hilfe der Ergonomie lassen sich viele Fallstricke überwinden.

Wer den Trend beachtet, muss erkennen, dass damit die Entwicklungsprozesse der Industrie insgesamt auf den Prüfstein kommen und entsprechend anzupassen sind. Themen wie Usability und Security gehören in die frühen Phasen des Software-Engineeringprozesses. Dafür müssen Informatik, Maschinenbau, Elektrotechnik und Ergonomie bei Problemlösungen noch enger zusammenrücken und von Anfang an eine Einheit bilden, um die Anforderungen von morgen lösen zu können.

Titelbild: Dlugosch

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Prof. Claus Oetter

Leiter Forum IT@Automation im VDMA und
stellvertretender Geschäftsführer Fachverband Software
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