Nikolaus Fecht

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Breme: „Industrie 4.0
wird bei uns gelebt“

Die Welt des Werkzeug- und Formenbaus ist im Umbruch. Zum Hightech-Standard zählen im Audi-Werkzeugbau bereits intelligente Werkzeuge, mit denen der Ingolstädter Automobilhersteller höchste Designanforderungen prozesssicher umsetzt. Innovationen gelingen nur, wenn sich die Mitarbeiter fortwährend fortbilden. Was zukünftig auf Mitarbeiter zukommt und welche Rolle die Zusammenarbeit mit Maschinenherstellern spielt, berichtet Michael Breme, Leiter des Audi-Werkzeugbaus in Ingolstadt, im Interview mit dem Fachjournalisten Nikolaus Fecht.

Welche Anforderungen stellt die Fertigung von Automobilen aktuell an den Werkzeugbau?

Breme: Die aktuellen Herausforderungen für den Werkzeugbau lauten Internationalisierung, Derivatisierung, Flexibilisierung und Prozesssicherheit. Die Anzahl an Varianten steigt und damit auch eine engere Staffelung der Produktanläufe an unterschiedlichen Produktionsstandorten weltweit. Dadurch haben sich die realen Durchlaufzeiten von der Auftragserteilung bis zur Fertigstellung der Betriebsmittel in den vergangenen Jahren permanent verkürzt, und sie werden dies weiter tun. Gleichzeitig erhöhte sich die Komplexität der konventionellen Werkzeuge und Karosseriebauanlagen, da zusätzliche Derivate und Modelle auf höherflexiblen Betriebsmitteln gefertigt werden.

Das Unternehmen Audi AG mit Sitz in Ingolstadt produziert an zwölf Standorten weltweit. Eine wichtige Rolle spielt Audi-Werkzeugbau. Er deckt die Kette der Blechteileherstellung ab und ist somit in hohem Maß für die Hochwertigkeit der Karosserien verantwortlich. Darüber hinaus beliefert der Audi-Werkzeugbau auch andere Marken des Volkswagen-Konzerns mit Umformwerkzeugen und Karosseriebauanlagen. Mehr als 2000 Personen arbeiten für an den Standorten Ingolstadt, Neckarsulm, Barcelona (Spanien), Győr (Ungarn) und Peking (China). Der Konzernumsatz lag 2014 bei 53,8 Milliarden Euro. Weltweit sind es mehr als 80.000 Mitarbeiter.

Was bedeutet der Trend zum Leichtbau?

Breme: Im Karosseriebau steigt der Anteil an Leichtbaukomponenten und damit der Anspruch ans Design, da die Geometrien immer komplexer werden. Das fordert von uns im Werkzeugbau neue Ansätze für höchste Prozesssicherheit bei gleichzeitiger Absicherung der technischen Verfügbarkeit. Es kommen neue Materialien im Karosseriebau zum Einsatz: Beispielsweise CFK, Sandwich- oder Magnesiumbleche, Aluminium-Druckguss und Warmumformung.

Was ist die Konsequenz für den Audi-Werkzeugbau?

Breme: Wir folgen mit unserem Betriebsmittel-Portfolio diesen Materialentwicklungen und entwickeln bestehende Konzepte und Prozesse selbstständig weiter. Im Audi-Werkzeugbau betreiben wir zudem eine Kleinserienfertigung und beliefern den VW-Konzern mit Karosseriebauteilen und -baugruppen für „Highperformance-Automobile“. Hier steht der Werkzeugbau ebenfalls vor der Herausforderung, die zunehmende Anzahl an Baugruppen bei maximalem Kundenanspruch unter wirtschaftlichen Bedingungen zu beherrschen.

Mit welchen Technologien stellen Sie sich diesen Herausforderungen?

Breme: Bei uns ist beispielsweise das intelligente Werkzeug seit 2011 in der Großserie im Einsatz, unter anderem bei den Modellen A8, A3, TT, Q7 und beim neuen A4. So können wir höchste Designanforderungen prozesssicher umsetzen. Bei der Werkzeugauslegung werden die statischen und dynamischen Lasten beim Umformen berücksichtigt. Intensiv wird im Audi-Werkzeugbau die Simulation der gesamten Prozesskette betrieben – also vom Bauteil bis zur fertigen Rohkarosserie. Hier ergibt sich ein hohes Potenzial, da wir künftig ohne Absicherungswerkzeuge auskommen wollen.

Wie ist der Stand zur Vorbereitung auf Industrie 4.0?

Breme: Industrie 4.0 oder – wie wir bei Audi es nennen – Smart Factory wird bei uns gelebt. Seit Jahren findet die Fernwartung unserer Karosseriebauanlagen im Serieneinsatz statt, ebenso die Fernwartung der intelligenten Werkzeuge. Industrie-4.0-Technologien finden mittlerweile auch dort Einsatz, wo wir unsere Fertigungsprozesse im Bereich „Shop Floor“ weiterentwickeln. So unterstützen Assistenzsysteme unsere Mitarbeiter mit Echtzeitdaten aus der Produktion bei der Planung von Projektabläufen. Quasi wie Navigationssysteme für die Routenplanung liefern diese digitalen Assistenten Einplanungsvorschläge bei komplexen Planungsvorgängen mit konkurrierenden Planungszielen. Dabei geht es unter anderem um Terminerreichung oder hohe Maschinenauslastung. Auch die Automatisierung schreitet voran: 2015 haben wir eine automatische Roboterbohranlage in Betrieb genommen und den Einsatz von fahrerlosen Transportsystemen für Logistikzwecke erweitert.

Wie haben Sie Ihren Werkzeugbau digitalisiert?

Breme: Zum Beispiel mit der Rückführung der Regeldaten der intelligenten Werkzeuge. Wesentliche Informationen zur Qualität des Werkzeugs und des Prozesses liefern die Regeltätigkeiten der Sensoren im intelligenten Werkzeug. Damit lassen sich beispielsweise gute von weniger guten Platinen-Chargen unterscheiden. So wird es möglich, frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Nicht unerwähnt bleiben darf die Systemintegration in die Qualitätserfassungssysteme der Produktion. Seit kurzem stehen uns dafür Softwaretools zur Verfügung, die kontinuierlich erweitert werden. Diese Qualitätstools bilden uns jederzeit den Qualitätsstand eines bestimmten Fahrzeugprojekts transparent ab. Sie dienen als Bindeglied zwischen Aufgaben aus Qualitätsprozessen sowie der Projekt- und Kapazitätsplanung des Werkzeugbaus.
Eine wichtige Rolle spielt auch die weltweite dezentrale Messdatenerfassung und virtuelle Qualitätsanalyse. Bauteile, Werkzeuge und Automobile lassen sich in unserer neuen Roboter-Duplexmesszelle innerhalb weniger Stunden qualitativ bewerten. Außerdem ist nun eine Rückführung der Daten und Erfahrungen während der Lebensdauer eines Werkzeugs möglich, weil das Presswerk seit Mai 2015 in den Audi-Werkzeugbau integriert ist.

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