Markus Isgro

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Tempo für die Drehbearbeitung

Der technische und wirtschaftliche Wettbewerb im Automobilbau verändert die Produktionstechnik. Selbst klassische Verfahren wie das Drehen stehen auf dem Prüfstand. Der Grund: Viele Bauteile werden in ihrer Geometrie komplexer. Die Anforderungen an die Oberflächenqualität steigen. Gleichzeitig müssen die Herstellungskosten kontinuierlich sinken. Mit welchen Verfahren lässt sich das erreichen? Eine außergewöhnliche Antwort gibt das Rollfeed-Turning der Werkzeugspezialisten von Vandurit mit Sitz in Leverkusen.

Rollfeed-Turning kann exklusiv auf allen EMAG-Vertikaldrehmaschinen bis Futterdurchmesser 500 Millimeter zum Einsatz kommen. Es erweitert das Drehen um die dritte Achse – auch per Nachrüstung. Das Verfahren sorgt für radikal kürzere Taktzeiten und minimierte Werkzeugkosten. Es erzielt eine höhere Oberflächenqualität auch bei größeren Schnitttiefen. Selbst komplexe Bauteilgeometrien entstehen per ganzheitlicher Bewegung mit nur einem Werkzeug. Kunden profitieren von dem Leistungssprung bei der Drehbearbeitung von anspruchsvollen Bauteilen.

Hohe Komplexität in der Metallbearbeitung ist häufig gleichbedeutend mit Zeitverlust und steigenden Kosten: Wenn zum Beispiel Kugelgelenke, Schaltmuffen, Zahnräder, Lagerringe oder Wellen mit hoher Oberflächenanforderung viele Bearbeitungsschritte durchlaufen, bevor die gewünschte Geometrie erreicht ist, kostet das Zeit und Geld. Ein Ansatz für die Produktionsplaner liegt deshalb immer nahe: Lassen sich verschiedene Prozessschritte in einem ganzheitlichen Ablauf zusammenfassen? „Eine solche Frage stand auch am Anfang des Rollfeed-Turning“, erklärt Maurice van den Hoonaard, Geschäftsführer von Vandurit. „Einer unsere Kunden wollte den Bearbeitungsprozess für ein komplexes Bauteil optimieren, das an drei angrenzenden Bauteilseiten einen Drehprozess durchläuft. Der zuvor eingesetzte Ablauf mit verschiedenen Drehwerkzeugen war kompliziert und langwierig. Wir haben den Prozess unter die Lupe genommen und dabei einen ganz neuen Ansatz entwickelt. Hier wird das klassische Drehen mithilfe einer dritten Achse intelligent erweitert – und so die Bewegung der Schneidplatte im Zerspanungsprozess ermöglicht. Jetzt fährt die speziell geformte, aus Radiensegmenten bestehende Schneidplatte die verschiedenen Seiten des Bauteils hintereinander ab.“

Entscheidende technologische Basis ist eine Erweiterung der Drehmaschine mit dem so genannten Rollfeed-Aggregat, das als angetriebenes Werkzeug zum Beispiel auf dem Revolver oder Werkzeugschlitten zum Einsatz kommt – auch per Nachrüstung. Das Aggregat fungiert als dritte Achse, mit der das Werkzeug während des Drehens geschwenkt wird. Den dabei entstehenden Mittenversatz kompensieren die vorhandenen X- und Z-Achse der Maschine.

Gleichbedeutend sind außerdem die speziell geformten Schneidplatten. Sie rollen während der 3-Achs-Bewegung auf der Werkstückoberfläche ab. Der Eingriffspunkt wandert also gewissermaßen über die Schneide des Werkzeugs. „Aufgrund der gleichmäßig oder variabel großen Arbeitsradiensegmente kann mit vielfach größeren Vorschüben gearbeitet werden, zudem entsteht eine hohe Oberflächenqualität präzise bis in die Ecken hinein. Von dort aus wird die Bearbeitung in einer Bewegung an der angrenzenden Bauteilseite fortgesetzt“, erklärt van den Hoonaard.

Riesiger Leistungssprung

Dass diese Technologie exklusiv in jeder EMAG-Drehmaschine zum Einsatz kommen kann, macht eine neue Kooperation von EMAG und Vandurit möglich. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? „Wir sind überzeugt davon, dass dieser Ansatz vielen Kunden in der Drehbearbeitung neue Potenziale eröffnet – gerade wenn sie bei komplexen Bauteilen eine hohe Oberflächenqualität anstreben oder insgesamt die Taktzeit beim Drehen deutlich verkürzen wollen“, erklärt Philipp Ruckwied, Leiter Technologie definierte Schneide bei EMAG. „Außerdem sind unsere Pick-up-Maschinen häufig darauf ausgelegt, komplexe Bauteile im Rahmen eines ganzheitlichen Ablaufs zu bearbeiten. Es laufen verschiedene Bearbeitungsschritte in einer Aufspannung hintereinander ab. Die Philosophien von EMAG und Vandurit passen perfekt zusammen.“

Das Rollfeed-Turning im Einsatz: Der unterbrechungsfreie Prozess vollzieht sich bis zu 90 Prozent schneller als ein komplexer Drehprozess mit verschiedenen Werkzeugen. Foto: EMAG

Im Endergebnis profitieren EMAG-Anwender von einem riesigen Leistungssprung: Der unterbrechungsfreie Prozess vollzieht sich bis zu 90 Prozent schneller als ein mehrteiliger Drehprozess mit verschiedenen Werkzeugen. Hinzu kommt, dass die Komplettbearbeitung von drei Bauteilseiten mit lediglich einem Schneidplattentyp möglich ist. Somit verringert sich die Zahl der in der Produktion eingesetzten Werkzeugvarianten, und viele Werkzeugwechsel – ein echter Kostenkiller – entfallen. „Außerdem erreicht das Verfahren eine extrem hohe Oberflächenqualität, die den Ergebnissen beim Schäldrehen oder Schleifen gleichkommt“, ergänzt Ruckwied. „Wir haben das bereits bei Pilotprojekten erfolgreich überprüft. Dabei wird das Verfahren auf VSC- und VTC-Maschinen bei der Hartbearbeitung von Achszapfen, Kugelkäfigen, Kugellagerringen, Zahnrädern und Schiebemuffen eingesetzt – also genau jene komplexen Bauteile, die wir zuvor im Blick hatten. Ihre Bearbeitungszeit hat sich sprunghaft verringert, die Oberflächengüte ist sehr hoch.“ Die Entwicklung bei Vandurit und EMAG geht weiter. Die Experten arbeiten an der zweiten Ausbaustufe: Das Verfahren kann künftig auch bei der Weichbearbeitung in Pick-up-Drehmaschinen zum Einsatz kommen.

Großes Marktpotenzial

Grundsätzlich sehen beide Partner ein großes Marktpotenzial für diesen neuen Ansatz, denn er lässt sich bei allen relevanten Werkstoffen einsetzen und ist dabei per CAD/CAM-System frei programmierbar. Anschließend entstehen Konturen wie Planflächen, Zylinderflächen, Schrägen sowie konvexe und konkave Flächen bei der Innen- und Außenbearbeitung. „Komplexe Bauteile werden extrem schnell, präzise und ohne Werkzeugwechsel fertiggestellt“, fasst Ruckwied abschließend zusammen. „Davon können auch Kunden mit einer vorhandenen EMAG-Drehmaschine profitieren. Die Aufrüstung per Aggregat ist unproblematisch. Das sind einfache Voraussetzungen, die sich im Markt durchsetzen werden.“

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