Titelthema
Weltsprache der Produktion: Schlüssel zu Effizienz
Die Vernetzung von Maschinen ist der Schlüssel zu Effizienz, Nachverfolgbarkeit, Condition Monitoring oder Machine Learning. Während der Fachmesse K 2022 zeigten Maschinenhersteller aus Europa, China, Japan und Kanada unter der Flagge von umati, der weltweiten Initiative für offenen Datenaustausch im Maschinenbau, wie ihre Maschinen mithilfe von OPC UA, der Weltsprache der Produktion, Live-Daten an den zentralen umati-Demonstrator sendeten, die der Besucher im VDMA-Dome anschauen und auf seinem eigenen Smartphone abrufen konnte. Die Entwicklungen werden kontinuierlich vorangetrieben. Highlights in diesem Jahr sind die Hannover-Messe im April und die EMO Hannover im September, bei denen man umati vor Ort kennen lernen und sich vom Nutzen des offenen Datenaustauschs überzeugen kann. Über den Stand der Entwicklung und die Perspektiven berichtet Dr. Alexander Broos vom VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) im Gespräch mit dem IndustryArena eMagazine.
Mit umati entsteht ein Ökosystem für den sicheren und offenen Datenaustausch zwischen Maschinen, Komponenten, Steuerungen und Software auf Basis der „Weltsprache der Produktion“, OPC UA. 2022 war ein Jahr mit vielen Aktivitäten. Wie ist der Stand aus Sicht der Werkzeugmaschinenindustrie?
Broos: Für unsere OPC UA for Machine Tools 2022 wurde ein wichtiges Update veröffentlicht. Dank der so genannten KPI-Erweiterung sind endlich Anbindungen praktisch aller Bestandssysteme zur Betriebsdatenerfassung vereinheitlicht möglich. Nun beschäftigen wir uns mit dem Thema OPC UA for Metal Forming. Wir sind ebenfalls beteiligt an OPC UA for Additive Manufacturing und OPC UA for Laser Technologies. Schließlich haben wir gerade die Arbeitsgruppe OPC UA for Cutting Tools Manufacturing gestartet. Dahinter verbirgt sich das Thema Datenübertragung im Closed Loop zwischen Messtechnik und Werkzeugschleifmaschinen sowie Leitsystemen. Dabei werden die komplexen Geometrien von Zerspanungswerkzeugen, zum Beispiel Fräsern, aus Messmaschinen zurückspielen in die Werkzeugmaschine, um auf Basis der gemessenen Daten direkt die Geometrie des Bearbeitungsprogramms zu optimieren. Dieses Vorgehen, auch bekannt als GDX-Standard (Geometrical Data Exchange), wird damit das OPC-UA-Ökosystem in umati ergänzen. Die Initiative ergab sich daraus, dass im vergangenen Frühjahr durch eine Arbeitsgruppe des VDMA-Fachverbands für Mess- und Prüftechnik eine standardisierte Schnittstelle OPC UA for Geometrical Measuring Systems vorgestellt wurde. Da geht es um die Längenmesstechnik. Im Anschluss an die Veröffentlichung entstand das Interesse, den Datenaustausch für die Präzisionswerkzeuge auf die OPC-UA-Plattform zu heben.
Wie viele Arbeitsgruppen zu OPC UA gibt es?
Broos: Unter Führung des VDMA arbeiten ungefähr 55 Arbeitsgruppen an so genannten OPC UA Companion Specifications für den Maschinen- und Anlagenbau. Diese Aktivität steht unter dem Oberbegriff „Weltsprache der Produktion“. Der VDW ist in den für Werkzeugmaschinen relevanten Arbeitsgruppen vertreten. Der VDMA koordiniert die Aktivitäten dieser zahlreichen Arbeitsgruppen und treibt die Entwicklung einer Basisspezifikation für den Maschinenbau voran. Diese „OPC UA for Machinery“ hat sich bereits als Querschnittstandard für den Gesamtmaschinenbau etabliert. Sie sorgt dafür, dass übergreifende Themen, die nicht technologiespezifisch sind, einheitlich für alle Maschinen definiert werden. Das zentrale Beispiel ist die Identifikation, das Typenschild. Dies sollte für jegliche Maschine, Anlage oder Komponente identisch sein. Als neue Themen sind aktuell Jobmanagement und Energiemanagement in Entwicklung. Job Management wird im Sinne von Zugriffen aus der Ferne gesehen und erlaubt eine Fernsteuerung der Maschine, um Informationen zu den Werkzeugen oder den Teilen und Rezepturen in die Maschine zu laden und auszuführen.
Wie arbeitet diese Prozessabwicklung mit einem MES zusammen?
Broos: Ein MES-System ist nicht nur eine Datensenke wie ein Dashboard. Für die Fertigungssteuerung haben MES eben auch steuernde Funktion, das heißt, sie müssen aktiv eingreifen können. Dazu gehört, dass beispielsweise im Spritzgussbereich Rezepturdaten oder bei Werkzeugmaschinen CNC-Programme benötigt werden, die auf die jeweilige Maschine gespielt werden müssen. Und schlussendlich kann auch die Ausführung der Bearbeitung durch ein MES als Applikation ausgelöst werden.
Gibt es hier dann nicht besondere Anforderungen an die Datensicherheit, damit Konkurrenten die Rezepturen nicht auslesen können?
Broos: Grundsätzlich ist es Aufgabe der Betreiber selbst, sichere IT-Strukturen zu schaffen und Fremdzugriffe möglichst auszuschließen. Für die sichere Kommunikation zwischen den Maschinen oder mit Software außerhalb dieser sicheren Umgebung gibt es dann Mechanismen, um die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger zu verschlüsseln. OPC UA bringt da schon einiges mit, was allerdings noch nicht flächendeckend implementiert oder umgesetzt wird. Das Ziel ist eine Ablösung durch direkte Kommunikation, beispielsweise per MQTT mit TLS. Außerhalb des Einflussbereichs der reinen Kommunikation, wie umati ihn abdeckt, bleibt aber noch die Frage, wie der sichere, vertrauensbasierende Zugriff auf die Daten erfolgt, wenn sie im Rahmen einer Plattform oder Software-Applikation verarbeitet werden sollen. Darauf zielt die Initiative Manufacturing-X ab, die gerade unter Führung des VDMA mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz initialisiert wird. Es wird spannend sein, zu sehen, wie insbesondere der Mittelstand des produzierenden Gewerbes hier einen Schub für die praktisch nutzbare Digitalisierung erfahren wird.
Wie ist das Verhältnis von umati zu Manufacturing-X?
Broos: Ich bin selbst, gemeinsam mit den Kollegen des VDMA, in die Vorarbeiten zu Manufacturing-X eingebunden. Wir planen, umati als industrietaugliche Referenz für den Austausch von Produktionsdaten in die so genannten föderierten Datenräume zu etablieren. Mit umati haben wir den weltgrößten Demonstrator für OPC-UA-Anbindung im Produktionsumfeld. Darauf aufbauend können jetzt Use Cases für Applikationen gebaut werden. Am Schluss müssen wir unseren Beitrag leisten, damit Manufacturing-X einen Mehrwert für die Kunden des gesamten Maschinen- und Anlagenbaus liefert.
Welche Entwicklungen sind für umati in diesem Jahr geplant?
Broos: Ich möchte vorausschicken, dass wir im Moment einiges im Backend unseres Demonstrators umbauen. Das Jahr 2022 war eine sehr fordernde, aber auch sehr erfolgreiche Zeitspanne. Es galt, eine große Anzahl an Spezifikationen aus dem Maschinen- und Anlagenbau in das umati-Ökosystem zu integrieren. Zur Fachmesse K 2022 haben wir acht Spezifikationen zu den Kunststoff- und Gummimaschinen integriert. Die Glastechnik wurde weitergeführt. Die geometrischen Messsysteme wurden integriert. Wir haben Robotik, Bildverarbeitung und Handhabung eingegliedert. Das hat Auswirkungen auf unseren Demonstrator. Daraus ist inzwischen ein großes Ökosystem gewachsen, das nicht nur für Messeauftritte, sondern für Erprobung und zum Testen genutzt werden kann—weg von der reinen Demonstration, hin zur Qualitätssicherung, von dem die Gruppierungen und Unternehmen profitieren, die OPC UA unter dem Dach des VDMA vorantreiben oder als umati-Partner für deren Verbreitung eintreten. Entsprechend müssen wir einiges umstricken, zumal wir den Kommunikationskanal mit MQTT bedienen wollen. Das soll bis zur Hannover-Messe geschehen. Und, wiederum aus Sicht des VDW planen wir einen großen Auftritt auf der EMO Hannover im September.
Die Erweiterung auf MQTT ist eine Rückmeldung es zur Anwendung von OPC UA aus der Praxis?
Broos: Das ist richtig. Erfreulich ist, dass sich die Nachfrage nach OPC UA für die Kommunikation zwischen Maschinen und Software stetig vergrößert. Leider gibt es aber immer noch Missverständnisse über den Mehrwert der zahlreichen Companion Specifications und der teils anbieterspezifischen Implementierung auf aktuellen Industriesteuerungen. Außerdem wird die Client-Server-Architektur von OPC UA für die Kommunikation in Richtung Exekutivsysteme und Cloud als zu aufwendig angesehen, wodurch leider des Öfteren die Praxistauglichkeit in Frage gestellt wird. Stattdessen wird beispielsweise die Kommunikation über MQTT als einfacherer Weg genannt.
OPC UA Client-Server und MQTT sind Protokolle für die Kommunikation in der Automatisierung. Sie haben unterschiedliche Anwendungsbereiche. Wo liegen die Unterschiede?
Broos: MQTT hat in der Tat eine weite Verbreitung in der vertikalen Kommunikation von der Maschine in die Cloud. Die Frage ist allerdings nicht, ob OPC UA oder MQTT. Man muss sich bewusst machen, dass OPC UA einerseits ein „Datenwörterbuch“, eine Semantik, bereitstellt. Außerdem liefert OPC UA ein Daten- oder Informationsmodell. Das sorgt dafür, dass die Daten immer in der gleichen Weise strukturiert sind. Die Implementierung des Transportkanals ist davon ein Stück weit unabhängig, denn neben der klassischen Client-Server-Architektur können auch im Publish-Subscribe-Verfahren Daten gesendet und empfangen werden, die dann über das weit verbreitete MQTT-Protokoll transportiert werden können. OPC UA over Pub Sub sieht dies vor, auch wenn hier noch ein paar Kleinigkeiten für die Skalierung in der Praxis zu ergänzen sind. Und um hier Aufklärungsarbeit zu leisten und die Nachfrage aus der Praxis abzuholen, eröffnen wir den Weg, umati über das Transportprotokoll MQTT zu nutzen.
Wo liegt dann genau der Vorteil von OPC UA?
Broos: Der Vorteil, OPC UA zu Grunde zu legen, liegt auf der Hand. Die Datenstruktur aus der Maschine sollte möglichst lange, idealerweise bis in die Cloud-Applikation, erhalten bleiben. Ist dies nicht der Fall, werden nur Datenpunkte gesendet. In der Applikation muss ich dann wieder ein Mapping auf eine Semantik, also den Kontext der Daten, herstellen. Das ist unnötiger, doppelter Aufwand. Dank konsequenter Nutzung der OPC UA Companion Specifications kann ich mir das ersparen. Dieser Mehrwert muss vom Transportkanal mit seinen Mechanismen getrennt werden. Unter diesem Aspekt gibt es keinen Widerspruch zwischen OPC UA oder etwas Einfacherem. Weil diese Sachverhalte aber längst nicht überall bekannt sind, muss das Verständnis dafür noch geweckt werden. Und das tun wir nicht zuletzt mit umati und der Möglichkeit, dies innerhalb unseres Demonstrators zu demonstrieren.
Über umati
umati (Universal Machine Technology Interface) ist die weltweite Initiative zur Verbreitung offener Schnittstellenstandards im Maschinen- und Anlagenbau für die Kommunikation zwischen Maschinen, Komponenten und Software auf Basis von OPC UA. Kernaufgabe von umati ist weltweites Marketing zur gemeinsamen Sichtbarkeit unter einheitlicher Flagge. Dazu gehören der Aufbau einer internationalen Community von Maschinen- und Software-Herstellern sowie ihrer Kunden; die einheitliche Implementierung der OPC UA Companion Specifications für den Maschinen- und Anlagenbau; der Nachweis der Leistungsfähigkeit der offenen Schnittstellenökosysteme durch einen dezentralen, weltweit nutzbaren Demonstrator und der kontinuierliche Beitrag zu Ressourcen wie Open Source Software für die einfache, industrietaugliche Nutzung. umati verzeichnet knapp 300 Partner aus aller Welt und wird getragen von VDW und VDMA.
Kontakt
Dr. Alexander Broos
Leiter Forschung und Technik
VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken)
Frankfurt am Main
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Die Fragen stellte Georg Dlugosch, Chefredakteur des IndustryArena eMagazines.