Produktion
Schleifen oder Polieren mit maximaler Genauigkeit
Vor drei Jahren hat Vollmer die digitalen Angebote als neuen Geschäftsbereich ins Leben gerufen. Und vor acht Jahren ist Vollmer in den Bereich des Werkzeugschleifens vorgedrungen. Jürgen Hauger, seit 2020 einer der beiden Geschäftsführer der Vollmer Gruppe und verantwortlich für die Bereiche Dienstleistungen, Marketing und Vertrieb, spricht exklusiv im Interview mit dem IndustryArena eMagazine über die Strategie des Biberacher Schärfspezialisten und die Freude auf die neue Fachmesse GrindingHub.
Hat der Überfall auf die Ukraine Auswirkungen auf die Jahresplanungen von Vollmer?
Hauger: Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine trifft uns. Vor einem Jahrzehnt haben wir eine Niederlassung in Russland gegründet. Wir sind in Russland stark im Holzbereich tätig, insbesondere mit Schärfdiensten für Sägewerke. Im Moment steht vieles auf Halt, was beispielsweise die Transporte dorthin angeht. Wir versuchen allerdings unsere Mitarbeiter in Russland zu halten. Denn da stehen auch Familien dahinter. Mit Unterstützung von russischsprachigem Personal aus Biberach haben wir Vollmer Russland gegründet. Dieser Bereich hatte 2021 das beste Jahr seit Gründung. Das Geschäft dort hatte sich sehr gut entwickelt. Jedoch haben wir jetzt nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine unsere Aktivitäten in Russland zunächst drastisch heruntergefahren.
Wie hoch ist der Anteil von Vollmer Russland am Gesamtgeschäft?
Hauger: Im Verhältnis zum Umsatz der Gruppe in Biberach sind es rund fünf Prozent.
Diesen Ausfall wettzumachen, wird schwierig. Sehen Sie eine Chance?
Hauger: Es wird sicher nicht einfach werden. Es hängt davon ab, wie die Entwicklung weitergeht. Momentan sind wir von den Sanktionen gegen Russland nicht betroffen, da wir hauptsächlich Maschinen für Holzbearbeitungswerkzeuge liefern.
Ressourcen fehlen, Lieferketten sind gestört. Kann Vollmer so viele Maschinen herstellen wie gewünscht?
Hauger: So viele neue Maschinen, wie wir möchten, leider nicht. Unser Vorteil ist jedoch, dass wir ein Unternehmen sind, das von einer Stiftung getragen wird. Seit je her ist unser Denken langfristig orientiert. Wir haben uns auf die Situation eingestellt. Dadurch haben wir sehr frühzeitig disponiert. In der Folge sind wir bis zum heutigen Zeitpunkt gut durchgekommen.
Welche Auswirkungen hat die Problematik der fehlenden Rohstoffe?
Hauger: Wenn man sieht, was gerade alles fehlt, sind die Auswirkungen enorm. In Deutschland gibt es beispielsweise aktuell keine Paletten mehr. Für eine standardisierte Euro-Palette ist eigentlich kein außergewöhnlicher Rohstoff erforderlich. Der Grund für die fehlende Produktion ist einfach: Die Nägel fehlen. Denn diese Nägel kommen zu einem großen Teil aus ukrainischer Produktion. Deshalb steht die Palettenproduktion teilweise still, und in der Folge fehlen die Paletten den produzierenden Betrieben, um ihre Produkte auszuliefern.
Früher war das Schleifen die Beendigung des Bearbeitungsvorgangs. Inzwischen hat sich die Technologie größere Beachtung erkämpft, weil die Oberflächen eine wesentlich größere Rolle für die Qualität eines Produkts einnehmen. Wie sehen Sie die Entwicklung des Schleifens zum eigenständigen Prozess?
Hauger: Mit dem Schleifen können selbst härtere Materialien wie Hartmetall oder Keramik sicher und mit hohen Maß- und Formgenauigkeiten sowie einer optimalen Oberflächenrauheit wirtschaftlich bearbeitet werden, weshalb das Schleifen zu einer unverzichtbaren Basistechnologie vieler Fertigungsprozesse geworden ist. Wenn wir an das Schleifen von Werkzeugen aus Hartmetall denken, dann denken wir auch an maximale Genauigkeit. Denn solche Werkzeuge kommen in vielen Branchen zum Einsatz: ob Maschinenbau, Automobil-, Stahl- oder Lebensmittelindustrie. Die Anforderungen sind daher hoch. Und es gilt: Das Geld wird an der Schneide verdient. Damit kennt sich Vollmer aus. Vor acht Jahren haben wir das Geschäftsfeld des Werkzeugschleifens eingeführt. Das hat unser Portfolio gut abgerundet.
Die Stärken einer innovativen Schleifmaschine mit einer leistungsstarken Erodiermaschine vereint die VHybrid von Vollmer. Bilder: Vollmer
Eine Schleifmaschine für HM-Werkzeuge mit zwei vertikal angeordneten Schleifspindeln ist die VGrind 360 von Vollmer.
Das Technologie- und Dienstleistungszentrum von Vollmer in Biberach ermöglicht maßgeschneiderte Schulung und Training.
Hat sich das Selbstverständnis der Branche verändert?
Hauger: Grundsätzlich ist das Selbstverständnis nach wie vor dasselbe. Es ist die Suche nach einem Top-Werkzeug, nach Perfektion. Wichtig ist die Verlängerung der Standzeit geworden. Dabei haben neue Schneidstoffe geholfen, beispielsweise die Weiterentwicklung im Bereich der keramischen und Diamantschneidstoffen, um die Schneide immer leistungsfähiger zu machen.
Was ist die aktuelle Herausforderung?
Hauger: Interessante Entwicklungen spielen sich momentan im kleineren Durchmesserbereich ab. Mikrobearbeitungen insbesondere für die Elektronikbranche benötigen spezielle Prozesse für kleine Werkzeugdurchmesser. Das Ganze wird, wie in vielen anderen Bereichen auch, mit dem Thema Digitalisierung kombiniert.
Wie digital ist der Schleifprozess inzwischen geworden?
Hauger: Schon der Erodier-Prozess ist eigentlich im Wortsinn digital. Alle weiteren Prozesse müssen mit zunehmender Digitalisierung weiter vernetzt werden. Dazu gehören die vorgelagerten und die nachgelagerten Prozesse. Bei Vollmer übernehmen wir den letzten Arbeitsschritt beispielsweise bei der Herstellung von Präzisionswerkzeugen. Bei der heutigen Arbeitsweise spielt das Thema Datenübertragung oder digitale Vernetzung der verschiedenen Maschinen eine große Rolle.
Wie weit ist der Prozess inzwischen konkret? Messen Sie bei der Bearbeitung schon direkt an der Schneide?
Hauger: Ein Beispiel. Unsere Top-Erodier-Maschine wird mit dem Werkzeug beladen. Dann befinden sich beispielsweise 36 Diamantschneiden am Grundkörper. Die Lage jeder einzelnen Schneide muss ermittelt werden, damit der Erodier-Vorgang bestimmt werden kann. Es geht um Spanwinkel oder um Freiwinkel. Die Positionen müssen hoch genau vermessen werden. Durch den Lötprozess kommt immer eine gewisse Ungenauigkeit ins Spiel. Erst durch das Vermessen erhält die Maschine die erforderlichen Informationen für eine korrekte Bearbeitung. Dann beginnen wir mit dem eigentlichen Erodier-Prozess. Hinzu kommt der Verschleiß an der Elektrode, welcher vermessen und kompensiert werden muss. Anschließend kann für eine noch bessere Oberflächengüte ein Polierprozess in die Bearbeitung integriert werden. Dafür verwendet Vollmer eine keramisch gebundene Diamantschleifscheibe. Übrigens ist dieser Prozess komplett automatisiert, ohne dass ein Mitarbeiter eingreift. Alles läuft voll automatisch ab.
Welche Kunden brauchen eine derartige Präzision und Oberflächengüte?
Hauger: Vor allem die Kunden im Metallbereich, bei denen die Bearbeitung von Aluminium-Silicium-Legierungen eine große Rolle spielen. Dazu gehören Motorblöcke oder Zylinderköpfe bei Verbrennern. Da kommt es auf die entsprechenden Oberflächen an, die nur dann erreicht werden, wenn das Werkzeug eine entsprechende Güte hat.
Nutzen Sie additive Verfahren?
Hauger: Viele unserer Kunden verwenden 3-D-Druckverfahren, um den Grundkörper von PKD-Werkzeugen herzustellen. Für Vollmer spielt der 3D-Druck keine Rolle, weil der Grundkörper gleich bleibt und wir im Nachgang die aufgelöteten PKD-Schneiden bearbeiten.
An welchen technologischen Innovationen arbeiten Sie?
Hauger: Weltpremiere feiern auf der GrindingHub 2022 gleich drei neue VGrind-Schleifmaschinen, die sich für die Bearbeitung von Hartmetallwerkzeugen eignen. Dabei setzen die neuen Maschinen auf die bewährte Technologie der VGrind-Familie: Auch sie basieren auf dem innovativen Doppelspindelkonzept, das über zwei vertikal angeordnete Spindeln eine präzise und effiziente Mehr-Ebenen-Bearbeitung ermöglicht. Mit der Erweiterung des Maschinenspektrums im Bereich des Werkzeugschleifens kann Vollmer noch spezifischer auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden eingehen.
Für das Schleifen von Kreissägeblättern hat Vollmer zwei neuen Schleifmaschinen im Programm. Sie eignen sich für die Bearbeitung von Span- und Freiflächen sowie den Flanken von hartmetallbestückten Sägezähnen mit unterschiedlichsten Geometrien. Mit ihnen lässt sich das Schärfen dank der intuitiven Bedienung im Handumdrehen erlernen, zudem ermöglicht die Kombination mit bewährten Automatisierungslösungen von Vollmer den mannlosen Einsatz rund um die Uhr.
Den Organisatoren der GrindingHub ist es gelungen, an einem strategisch günstigen Standort eine attraktive Messe ins Leben zu rufen, die sich nach den Bedürfnissen unserer weltweiten Kunden richtet. Wir freuen uns sehr darauf.
Kontakt
Jürgen Hauger
Geschäftsführer
Vollmer Gruppe
Tel. +49 7351 5710
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Das Interview führte Georg Dlugosch, Chefredakteur des IndustryArena eMagazines.