Titelinterview
Große Freiheit
bei der Digitalisierung
Um eine durchgängig vernetzte Fertigung zu ermöglichen, wird die Unterstützung durch eine Plattform immer wichtiger. Von den Erfahrungen bei Bosch sollen auch die Nutzer der Plattform Nexeed profitieren. Die meisten Anwendungen sind in eigenen Werken im Einsatz, erklärt Stefan Aßmann, Business Chief Digital Officer Industrial Technology bei der Robert Bosch GmbH. Wert legt Aßmann auf die Nutzung offener Standards und Schnittstellen, um den plattformunabhängigen Datenaustausch voranzutreiben, wie er im Gespräch mit Georg Dlugosch, dem Chefredakteur des IndustryArena eMagazines, sagt.
Was ist Nexeed?
Aßmann: Nexeed ist ein umfassendes Portfolio an Industrie-4.0-Software-Lösungen von Bosch Connected Industry. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, Fertigung und Logistik durchgängig transparent und effizient zu gestalten. Die Erwartungen der produzierenden Industrie sind eindeutig: Geringere Wartungs- und Reparaturkosten, höhere Verfügbarkeit der Maschinen, weniger Stillstände und eine hohe Produktqualität. Dafür werden intelligente Softwarelösungen und Services benötigt, die zugleich den Arbeitsalltag von Mitarbeitern erleichtern. Genau hier setzen wir mit Neexed an. Mit unserem Software-Portfolio lassen sich einzelne Linien, ganze Werke und Werksverbunde sowie deren Intralogistik und der externe Warenstrom miteinander vernetzen. Der Großteil der Nexeed-Lösungen ist bereits in eigenen Bosch-Werken erfolgreich erprobt und im Einsatz. So entstehen Lösungen aus der Praxis für die Praxis mit klarem Fokus auf den Kundennutzen.
Wie sieht das Geschäftsmodell des Nexeed-Portfolios aus?
Aßmann: Die Nexeed-Lösungen lassen sich je nach Fokus und Bedarf des Kunden individuell zuschneiden: vom kosteneffizienten Starter-Kit und einfachen Retrofit-Lösungen bis hin zum umfassenden Gesamtpaket mit passgenauen Dienstleistungen. Dabei sind die Lösungen sowohl für den Greenfield-Einsatz in neuen Fertigungskonzepten als auch für den industriellen Brownfield-Einsatz, also für die Integration in vorhandene Anlagen und Fabriken, geeignet. Die Plattform bietet dem Kunden durch skalierbare Pakete größtmögliche Freiheit bei der Digitalisierung.
Mittelständische Unternehmen müssen ihre Produktion digitalisieren, aber sie verfügen in der Regel nicht über die entsprechenden Mittel. Fotos: Bosch
Kostengünstige Lösungen müssen sich schnell und einfach integrieren lassen.
Die baukastenorientierte Plattform Nexeed Automation bietet nutzerfreundliche Diagnose-Tools und Apps für eine höhere Transparenz und Maschinenverfügbarkeit.
Digitale Kompetenz ist künftig gefragt: Wie können mittelständische Unternehmen das Nexeed-Portfolio für sich nutzen?
Aßmann: Mittelständische Unternehmen verfügen in der Regel nicht über die Mittel, ihre Produktion im vollen Umfang zu digitalisieren und die Mitarbeiter in komplexen IT-Systemen umfassend zu schulen. Es bedarf kostengünstiger Lösungen, die sich schnell und einfach integrieren lassen, und die auch mit Anlagen aus dem Bestand funktionieren, sodass rasch messbare Ergebnisse möglich sind. Dies lässt sich beispielsweise über die baukastenorientierte Plattform Nexeed Automation bewerkstelligen. Mitarbeiter können mit Hilfe einer Automatisierungssoftware sowie nutzerfreundlichen Diagnose-Tools und Apps selbstständig für eine höhere Transparenz und Maschinenverfügbarkeit sorgen. Kunden sparen sich so die Zeit für aufwändiges Programmieren. Mit 22.000 Anwendungen in Bosch-Werken überall auf der Welt hat sich Nexeed Automation in der Praxis bewährt.
Welchen Mehrwert bietet die Plattform dem Nutzer?
Aßmann: Der Nutzer profitiert von der Erfahrung aus 280 Bosch-Werken und über 700 Lagern weltweit. Die meisten Nexeed-Produkte sind in eigenen Werken im Einsatz. Dort sorgen sie für Transparenz in der Fertigung und Logistik und ermöglichen die kontinuierliche Optimierung von Prozessen, Abläufen und Produktqualität. Die Bosch-Projekte zeigen: Durch den Einsatz vernetzter Lösungen ist es möglich, die Produktivität an einzelnen Standorten um maximal 25 Prozent zu steigern und die Lagerbestände um teilweise 30 Prozent zu verringern. Die Erfahrungen aus den Werken sowie dem Kundenfeedback fließen kontinuierlich in die Weiterentwicklung ein. So erhalten Kunden nicht nur Einzellösungen, die sich leicht in die vorhandenen Prozesse integrieren lassen, sondern unsere Experten stehen auch beratend bei Auswahl und Integration der optimalen Gesamtlösung zur Seite.
Ein Beispiel für die individuelle Lösungsentwicklung mit einer starken Basis an Praxiswissen: Der Lichtkonzern Osram in Berlin benötigte eine Software zur Vernetzung von mehr als 80 verschiedenen Maschinen unterschiedlichen Alters in der Autolampenfertigung. Der eigens für diese spezielle Anwendung entwickelte „Ticketmanager“ steht auf soliden, geprüften Beinen: Das technologische Herzstück bildet der Nexeed Production Performance Manager, in dem Maschinendaten in Echtzeit zusammengeführt werden. Über die individuell angepasste App sind die Mitarbeiter stets über den Status ihrer Anlagen informiert. Anstehende Aufgaben wie Wartungsarbeiten oder Materialnachlieferungen lassen sich übersichtlich darstellen, organisieren, auswerten und dem Mitarbeiter mit der geeigneten Qualifikation zuteilen.
Stefan Aßmann, Business Chief Digital Officer Industrial Technology bei Bosch. Foto: Bosch
Welchen Effekt bringt eine Vernetzung mit der Community?
Aßmann: Nexeed ist kein geschlossenes System, bei dem die einzelnen Anwendungen nur untereinander funktionieren oder gar nur im Zusammenspiel mit Bosch-Hardware ihr volles Potenzial entfalten. Jede Lösung verfügt über die größtmögliche Freiheit, mit IT-Systemen, Anlagen, Maschinen und Sensoren jeden Alters und Herstellers kommunizieren zu können. Der Schlüssel dafür sind offene Standards und Schnittstellen, die einen hersteller- und plattformunabhängigen Datenaustausch ermöglichen. Um das offene digitale Ökosystem weiter zu fördern, hat Bosch das Production Performance Management Protocol initiiert – einen offenen Industriestandard zum Austausch von Daten in der vernetzten Industrie. Je mehr Nutzer das Protokoll verwenden, desto einfacher lassen sich unternehmensübergreifend innovative Lösungen untereinander ohne Aufwand kombinieren – und mehr noch: Dank der Schlankheit des Protokolls können auch Altanlagen und Maschinen mühelos miteinander kommunizieren und so Teil des digitalen Ökosystems werden.
Nennen Sie bitte zwei Beispiele aus dem Maschinenbau für die Nutzung des Portfolios.
Aßmann: Das Produktportfolio von Nexeed umfasst Lösungen sowohl für den effizienten Bau von Maschinen als auch das Betreiben von Maschinen und Anlagen. Wenn es um die Fertigung neuer Anlagen geht, ist Flexibilität sehr gefragt: Der Kunde hat genaue Vorstellungen und möchte eine individuell auf seine Anforderungen angepasste Maschine – und zwar in kürzester Zeit. Dank der im Paket Nexeed Automation implementierten Engineering-Software Control plus können Maschinenhersteller ihre Anlagen effizient und ohne viel Aufwand nach Kundenwunsch konfigurieren – sie gewinnen somit einen enormen Wettbewerbsvorteil aufgrund von Zeit- und Kostenersparnis.
Ist die einsatzfähige Maschine beim Kunden angekommen, bietet Nexeed Automation weitere Vorteile: Dem Maschinenbetreiber stehen zusätzliche Dienste und Apps zur Verfügung, die über den gesamten Lebenszyklus der Anlage bei der Diagnose und Fehlersuche unterstützen und die Maschinenverfügbarkeit sicherstellen. Mit dem Produktportfolio von Nexeed holt man sich also schon heute die Zukunft in die Fertigung und Logistik, das alles über eine intuitive Nutzeroberfläche und mit der Option, sich Störungen mit Hilfe einer Datenbrille live und realistisch im Sichtfeld anzeigen zu lassen.
Kontakt
Stefan Aßmann
Business Chief Digital Officer Industrial Technology
Robert Bosch GmbH
Dennis Christmann
External Communications
Robert Bosch GmbH
Stuttgart
Tel. +49 711 81158178
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