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Erlebbare Digitalisierung
Als „erlebbare Digitalisierung“ in der Zerspanung 4.0 hat die EVO Informationssysteme die Smart Factory entwickelt. Für mittelständische Unternehmen werden direkt umsetzbare Möglichkeiten der Digitalisierung aufgezeigt, um Vorbehalte durch das Beispiel mit realitätsnaher Produktionsumgebung aufzulösen. Über die schnelle Digitalisierung mit Software-Bausteinen gibt Geschäftsführer Jürgen Widmann Auskunft im Gespräch mit dem IndustryArena eMagazine. Das Gespräch führte Chefredakteur Georg Dlugosch.
Auf dem Weg zu Industrie 4.0 braucht es auch Zerspanung 4.0. - Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Widmann: Das Buzzword „Industrie 4.0“ wird für vieles verwendet. Ich habe den Eindruck, dass viele Unternehmer und Unternehmerinnen diesen Begriff schon länger nicht mehr hören können. Schon 2016 haben wir daher unter dem Begriff Zerspanung 4.0 in Veranstaltungen diesen Begriff mitgeprägt, um die Digitalisierung auf die metallverarbeitenden Unternehmen zu fokussieren. Neben der Konnektivität und somit dem herstellerübergreifenden bidirektionalen Austausch von Daten mit Werkzeugmaschinen dreht sich Zerspanung 4.0 auch um das digitale Management von Ressourcen wie Material – Mensch – Maschinen – Daten.
Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?
Widmann: Bei EVO verfolgen wir den ganzheitlichen Ansatz der Digitalisierung von A bis Z in einzelnen Etappen mit einzelnen Software-Bausteinen. Wir verstehen uns als strategischen Digitalisierungspartner für unsere Kunden. Als mittelständischer Softwarehersteller ist die Zusammenarbeit mit unseren Kunden langfristig ausgelegt – auf Augenhöhe und partnerschaftlich. Unsere Unabhängigkeit von Maschinenherstellern und Investoren bietet uns viele Freiheiten und die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit jedem Maschinenhersteller, Werkzeughersteller und CAM-Anbieter – das alles im Sinn des Kundennutzens einer durchgängigen Digitalisierung.
Kurzum, wir helfen Unternehmen, sich Schritt für Schritt und konsequent zu einer digitalen und agilen Fabrik zu entwickeln. Daten, die einmal eingegeben sind, stehen dauerhaft und nachhaltig zur Verfügung. Dabei überbrücken wir auch die Unternehmensgrenzen bis zu den Geschäftspartnern auf Lieferanten und Kundenseite. Wir verfügen über fast 25 Jahre Erfahrung in der Digitalisierung von Prozessen und der digitalen Vernetzung von Systemen, Maschinen und Geschäftspartnern. Ich schätze, dass das EVO-Fabrikbetriebssystem in dieser Form einzigartig ist und dennoch für die kleinsten Unternehmen bezahlbar bleibt. Bei der Umsetzung spielen auch Reihenfolge oder Digitalisierungsumfang keine Rolle. Den Umfang und das Tempo der digitalen Transformation bestimmt jeder Kunde selbst. Entscheidend ist, welcher Schritt den größten Nutzen bringt.
Digitale Produktionsmappe: Nachrüstbare und in der Praxis bewährte Digitalisierungslösungen können in der Smart Factory von EVO Informationssysteme geprüft werden. Fotos: EVO Informationssysteme
Der smarte Werkzeugschrank denkt mit. Fotos: EVO Informationssysteme
Fotos: EVO Informationssysteme
Fotos: EVO Informationssysteme
Welcher Schritt kann das beispielsweise sein?
Widmann: Unternehmen setzen bereits verschiedene Software-Systeme ein, um den täglichen Prozess abzubilden. Es fehlt jedoch an Konsistenz und Durchgängigkeit, was Fragen und Korrekturen erforderlich macht. Diese Hürden zu überwinden, frisst viel Zeit. Allerdings hat jeder Kunde andere Prämissen für sich. Deshalb machen wir gerne einen Potenzialcheck und betrachten quasi aus der Sicht eines untersuchenden Arztes, wie die Prozesse aussehen. Nach der Analyse kann eine Handlungsempfehlung gegeben werden, wo mit dem geringstmöglichen Aufwand ein großer Nutzen durch digitale Transformation erzeugt werden kann. Das ist bei jedem Unternehmen anders. Den Einen quälen die Maschinenlaufzeit, den nächsten die Sicherung von Materialverfügbarkeit. Wir möchten auf diesem Weg begleiten, aber wir müssen zunächst den ersten sinnvollen Schritt finden. Das ist schon an sich die Herausforderung. Der erste Schritt muss schnell gehen und einen großen Fortschritt bringen. Dann können die weiteren Schritte folgen.
Welchen Beitrag leistet die Smart Factory von EVO?
Widmann: Mit der Smart Factory, die wir im Digitalisierungszentrum Schwäbisch Gmünd aufgebaut haben, konnten wir ganz konsequent alle Möglichkeiten, welche die EVO-Softwarebausteine bieten, eine Erlebnis- und Lernwelt für die Digitalisierung von Geschäftsprozessen sowie, die Nachrüstung und Integration der Digitalisierung im Produktionsumfeld aufbauen. Im Gegensatz zu Demonstratoren und Versuchsaufbauten ist die vorhandene Infrastruktur so in Unternehmen vorzufinden. Über Workshops und Trainings können wir das Verständnis für digitale Prozesse und Arbeitsweisen anschaulich vermitteln. Es hängt nicht weniger als die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Hochlohnstandorten, vom Erfolg der Digitalisierung ab.
Was ist für Sie persönlich das Highlight der neuen Smart Factory von EVO?
Widmann: Das Highlight an sich ist die Erlebniswelt, die wir aufgebaut haben. Dort kann jeder selbst ausprobieren und erfahren , was ihn direkt interessiert. Dafür bekommt er ein Tablet in die Hand und kann selbst mit der Software experimentieren. An keiner Maschine steht der Hinweis „bitte nicht berühren“. Alles soll auf eigene Faust – unter Anleitung – erkundet werden. Diese Durchgängigkeit kann man sich oft gar nicht vorstellen, weil man nicht weiß, dass es einen Anbieter gibt, der alles aus einem Guss hat. Es klappt wie am Schnürchen, und das ist das besondere Erlebnis. Ein smarter Werkzeugschrank, der sich mit Hilfe eines Tablets öffnen lässt, oder mit dem Tablet Programme auf die Maschine überträgt oder Dokumentationen am Tablet erstellt. Es ist beeindruckend, wie gut das Zusammenspiel ist und wie schnell man die Informationen griffbereit hat.
Sie sprechen vor allem den Mittelstand an. Sind die KMU denn schon so weit, an die Einführung einer Smart Factory zu denken?
Widmann: Ganz eindeutig. Unternehmerisches Denken und Handeln sind bei KMU deutlich ausgeprägt. Der Unternehmer spürt den Kostendruck vom Wettbewerb unmittelbar. Die Lohnkosten steigen, Facharbeiter sind Mangelware. Daher gibt es meiner Ansicht nach nur einen Ausweg. Der Mensch braucht digitale Assistenten, die ihn produktiver werden lassen. Gleichzeitig führt kein Weg am Einsatz von Automation und Robotik vorbei. Wir entwickeln daher heute schon Lösungen für Morgen und Übermorgen.
Wir haben unter dem Begriff Zerspanung 4.0 diesen Begriff mitgeprägt, um die Digitalisierung auf die metallverarbeitenden Unternehmen zu fokussieren. – Jürgen Widmann, EVO Informationssysteme
In der Smart Factory ist alles mit dem EVO-Betriebssystem vernetzt. Welche Besonderheiten sind dafür notwendig?
Widmann: Das Besondere ist, dass es nichts Besonderes benötigt. In den seltensten Fällen können wir auf der Grünen Wiese mit den Kunden starten wie mit einem Neubau oder an einem neuen Standort. Vielmehr lässt sich EVO überall nahtlos integrieren. Exakt aus diesem Grund haben wir eine sieben Jahre alte Werkzeugmaschine – eine DMU50 – für die Smart Factory gesucht. Diese und ähnliche vergleichbare Maschinen von anderen Herstellern finden sich in fast jedem Unternehmen.
Sind die Daten im EVO-Betriebssystem komplett durchgängig?
Widmann: Ja, die Daten im EVO-Fabrikbetriebssystem sind durchgängig und komplett. Diese konsequente Durchgängigkeit ermöglich einerseits die Nutzung für vollumfänglich betriebswirtschaftliche Auswertungen, andererseits auch die Verwendung der Daten für die Steuerung der Unternehmensprozesse und Prozessanalyse. Dieses Meer an Daten eröffnet zugleich die Anwendung von Algorithmen für den Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen.
Funktional enthält das EVO-Betriebssystem auch Funktionsbausteine, über die heutzutage noch kaum ein Unternehmen im Mittelstand verfügt. Dazu zählen
- Personalmanagement mit Qualifikationsprofilen der Mitarbeiter,
- Umfassende Konnektivität mit Werkzeugmaschinen wie Datenbereitstellung,
- Zustandsüberwachung,
- Werkzeugüberwachung in der Maschine,
- digitales Werkzeugmanagement von der Einzelkomponente bis zur Verwendung des Werkzeugs in der Maschine,
- autonome Auftragsabwicklung und Beschaffung – und zukünftig wird noch einiges dazukommen…
Das Besondere: Alle Lösungen und Bausteine werden kundenunabhängig für eine breite Zielgruppe entwickelt. Wir sprechen vor allem Branchen wie Metallverarbeitung, Maschinenbau, Medizintechnik, Aerospace, Automotive, Rennsport, Kunststoffverarbeitung, Werkzeug- und Formenbau an. Unsere Lösungen sind ohne Programmierungen und Customizing sofort einsatzbereit.
Kontakt
Jürgen Widmann
Geschäftsführer
EVO Informationssysteme GmbH
Erlangen
Tel. +49 7176 45290-0
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