Automation
Im Duo präziser
Mechanische Messuhren sind keineswegs „old fashioned“. Unterstützt durch Automatisierung und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich die Produkte der Käfer Messuhrenfabrik in Villingen-Schwenningen in eine aussichtsreiche Zukunft führen. KI regelt die Temperaturkompensation je nach Zustand der Maschine. Das übliche Warm-up nach dem Einschalten gehört der Vergangenheit an.
Mit zwei Bearbeitungszellen Duo-S von CNC Häberle setzt das Unternehmen seine behutsame Automatisierung fort. Holzfäller wissen, was eine Schränkung ist. Was sie auch wissen sollten, ist die Tatsache, dass man die Schränkung messen kann. Jeder kanadische Holzfäller hat eine solche Messuhr in der Tasche – und diese Geräte kommen aus dem Schwarzwald.
Die Käfer Messuhrenfabrik konzentriert sich nahezu ausschließlich auf die Herstellung von mechanischen Messuhren und deren Komponenten. Dies ist nur mit einer hohen Fertigungstiefe zu schaffen. Alle mechanischen Bearbeitungsschritte werden am Stammsitz durchgeführt, lediglich exotisch anmutende Verfahren wie Erodieren, Druckguss oder galvanische Beschichtungen lässt man außer Haus machen.
Mehr als 200.000 Werkstücke verlassen jedes Jahr die Produktion. Der Anteil kundenspezifischer Messuhren ist schwer zu schätzen. Denn so manche Uhr bekommt durch ein eigens gedrucktes Zifferblatt mit entsprechendem Logo ein kundenspezifisches Aussehen. So gesehen liegt der Anteil kundenspezifischer Fertigung bei 75 Prozent. Teilweise kaufen Kunden nur Messwerke oder gar einzelne Komponenten, um eigene Messmittel zu entwickeln. Käfer setzt konsequent auf mechanische Messuhren, wie Betriebsleiter Matthias Osterhues sagt: „Die solide Bauweise unserer mechanischen Messuhren und unser Qualitätsdenken haben uns überleben lassen.“
Selbst den digitalen Messuhren mit Quarzwerk trotzt das Traditionsunternehmen: „Mechanische Uhren wird es immer geben, denn sie sind einfach zu handhaben, aus größerer Distanz gut abzulesen und dauerhaft zuverlässig.“ Während andere Hersteller auf Masse gesetzt haben und untergegangen sind, hat man sich bei Käfer auf das konzentriert, was man am besten kann: sich flexibel auf Kundenwünsche einzustellen und nachhaltige Produkte zu fertigen.
Standardgehäuse in Serie
Für die Gehäusefertigung stand bei Käfer im vergangenen Jahr eine Ersatzinvestition an. Systemintegrator CNC Häberle aus Laichingen lieferte zwei Bearbeitungszellen. Diese beiden nahezu identischen RobodrillDuo-S-Zellen ersetzen Bearbeitungsmaschinen, die nach Jahrzehnten des Einsatzes ausgemustert wurden.
Das Problem: Viel Platz war beim Entsorgen der alten Maschinen nicht frei geworden. Aber schon Meister Bernhard Milost war aufgefallen, wie „schön klein und kompakt“ die Robodrill-Maschinen sind. „Die passen ideal bei uns rein.“
Beide Zellen wurden vor der Auslieferung bei Häberle aufgebaut, und die Prozesse wurden eingefahren. Schon in dieser Zeit wurden die Maschinenbediener mehrere Tage geschult und mit der Maschine vertraut gemacht. Bei den Roboterzellen handelt es sich um jeweils zwei Bearbeitungsmaschinen, Robodrill α-D21SiB5 in der ADV-Ausstattung, von Fanuc. Zwischen den beiden Maschinen befindet sich eine standardisierte Plus-E-Zelle von Häberle, in der ein Fanuc-Roboter LR Mate 200iD arbeitet, der aus einem integrierten Palettenspeicher gefüttert wird. „Wir haben die Zellen mit Rundum-sorglos-Paket gekauft also inklusive Werkzeugausstattung und mit Servicevertrag“, erläuterte Osterhues. Während die Robodrill serienmäßig dreiachsig ausgeführt ist, sind in den Maschinen für Käfer jeweils DTT-5-Achstische von Häberle eingebaut. Meister Milost betonte: „Die 5-Achsbearbeitung ist elementar für die Präzision unserer Messuhren. Die engen Toleranzen bekommen wir nur hin, wenn wir in einer Aufspannung arbeiten.“ So erledigt die eine Robodrill die 5-Achsbearbeitung, anschließend entnimmt der Roboter das fast fertige Gehäuse und lädt es in die zweite Maschine zur Fertigbearbeitung. Elemente wie Spannbacken, Speicherkassetten oder Greiferfinger wurden bei Häberle konstruiert und gefertigt. Auch was die Bedienung der Maschinen betrifft, kommt eine Häberle-Eigenentwicklung zum Tragen: Mit HaebPARA lässt sich die Bedienoberfläche der CNC gestalten und um zahlreiche Funktionen erweitern. Diese Software ermöglicht dem Maschinenbediener selbstständig individuelle Bildschirme und Eingabemasken zu erstellen. Abgesehen von der übersichtlichen HMI-Gestaltung können damit Kommentare, Bilder, Systemvariable wie Nullpunkte oder Werkzeugdaten und vieles mehr hinterlegt werden – ein Tool, das man bei Käfer sehr schätzt.
Präzision mit Durchblick: Für Käfer Messuhren wurden die Robodrill-Maschinen mit einem Drehtisch von Häberle zur 5-Achs-Bearbeitung ausgerüstet. Fotos: Foitzik/CNC Häberle
Bernhard Milost (rechts) und Rainer Häberle diskutieren die Optimierung der Bearbeitungszellen.
Der Roboter ist bei den Duo-Zellen von Häberle zwischen zwei Robodrill-Maschinen angeordnet. Es handelt sich um die kleinere Variante mit einem LR Mate 200iD.
Die Grafik des CNC-Monitors ist nach den Anforderungen von Käfer gestaltet.
Versandfertige Messuhren: Die Exemplare mit Firmenlogo sind fast die Ausnahme, denn viele Messuhren erhalten ein kundenspezifisches Label.
Autonome Zelle dank Palettenspeicher: Bei der Duo-S-Zelle gibt es viel Leistung auf wenig Stellfläche.
Mit den beiden Roboterzellen wird die Automatisierung einen Schritt weitergetrieben. Einen Roboter hat Käfer zum Be- und Entladen einer Maschine schon länger in Betrieb. Um eine weitere Automatisierung werde man in Zukunft nicht herumkommen, weiß man bei Käfer. „Allerdings nicht um den Preis, dass wir dann Personal reduzieren“, versichert Osterhues. „Es ist nicht die Idee der Inhaberfamilie, neue Maschinen mit Roboter zu kaufen und dafür jemanden nach Hause zu schicken.“ Im Gegenteil, denn mit neuen Maschinen und dem Robotereinsatz bleibe man wettbewerbsfähig.
Grundsätzlich können beide Zellen die gleichen Bearbeitungsaufgaben übernehmen. Bei Käfer hat man sich allerdings entschieden, dass ein Gehäusetyp, von dem über 100.000 Stück pro Jahr gebraucht werden, in einer Zelle gefertigt wird, die Stückzahlen aller anderen Gehäusetypen liegen pro Jahr etwa in der Größenordnung von 5000 bis 7000 Geräten.
„Damit wir noch ein bisschen Reserve haben, sind die Zellen absichtlich nicht von Anfang an für einen 24-Stunden-Betrieb ausgelegt worden“, sagt Osterhues. Was die Amortisation betrifft, hat man bei der Auslegung mit einem 16-Stunden-Betrieb gerechnet, aber man ist heute schon bei 20 Stunden. Beschickt werden die Maschinen jeweils vom mittig angeordneten Roboter, der die zu bearbeitenden Rohlinge aus einer Palette entnimmt und fertige Werkstücke wieder darin ablegt. In 200 Minuten ist der Werkstückträger abgearbeitet, dann wird die nächste Palette aus dem Palettenspeicher in die Greifposition gefahren.
Genauigkeit ist wichtig
Bei der Fertigung von Messgeräten ist besondere Sorgfalt gefordert. Für die Genauigkeit der Messuhren sind die entscheidenden Bohrungen und Flächen im 1/100-Bereich zu sehen. Da ist man als Messgerätehersteller von Natur aus kritisch und penibel. Oberstes Auswahlkriterium für die Maschine war denn auch: „Sie muss die Genauigkeit bringen.“
Wurden in den ersten Tagen des Maschineneinsatzes fertige Gehäuse noch häufig überprüft, reichen inzwischen zwei Kontrollen pro Tag. Vor Feierabend macht Milost die letzte Kontrolle. Dann laufen die Maschinen mannlos in der Nacht. Überrascht war Osterhues über das Kaltstartverhalten. Gerade weil die Robodrill nicht durchlaufen, ist die Temperaturkompensation mit KI-Funktion ein äußerst nützliches Detail.
Diese Funktion regelt die Bearbeitungsparameter je nach Temperatur der Maschine. Das bei anderen Maschinen übliche Warm-Up nach dem Einschalten gehört damit der Vergangenheit an, wie Milost berichtet: „Wenn die Maschine nachts gestanden hat, stimmen die Werte nach Wiederanlauf am Morgen vom ersten Teil an. Das funktioniert hervorragend und die Abweichungen liegen auch beim Kaltstart innerhalb der Toleranz.“ Zum Rundum-sorglos-Paket gehörte auch die komplette Werkzeugbeschaffung. Man wollte eben von Anfang an auf Nummer Sicher gehen: „Wir wollten nicht lange experimentieren.“
Wer eine Käfer-Messuhr kauft, kann sicher sein, dass diese Uhr auch in zehn Jahren oder später noch repariert wird. Der Kalibrier- und Reparaturservice in Villingen-Schwenningen übernimmt die Wartung jeglicher Käfer-Messuhr. Die Fertigungstiefe bietet dem Unternehmen sämtliche Möglichkeiten bei der Fertigung von Ersatzteilen. Das gilt sowohl für Seriengeräte als auch für kundenspezifische Sonderanfertigungen.
Eier von Raubvögeln messen
Zum Stichwort Sonderanfertigung hat Osterhues ein gutes Beispiel. So entwickelte und baute Käfer eine Messuhr für einen Ornithologen, mit der sich die Dicke von Raubvogeleiern bestimmen lässt – eine Entwicklung, die nur noch ein weiteres Mal angefertigt wurde.
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Rainer Häberle
Geschäftsführer
Häberle Feinmechanik CNC-Technik GmbH
Laichingen
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