Nikolaus Fecht

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Produktion

Wenn sich die Durchlaufzeit halbiert

Die Luftfahrtindustrie zählt zu den anspruchsvollsten Kunden von Bauteilherstellern: Für sie kommen nur zuverlässige, zertifizierte Zulieferer in Frage, die bei der Wahl ihrer Produktionsmittel sehr wählerisch sind. Doch was macht ein Traditionsunternehmen wie Krüger Aviation, das kurzfristig eine extrem anspruchsvolle Maschine zur Kunststoffnachbearbeitung braucht? Krüger Aviation setzt bei der Kunststoffnachbearbeitung auf eine 5-Achs-CNC-Gantry-Fräsanlage von HG Grimme SysTech.

Die Referenzliste der Krüger Aviation GmbH aus Barsbüttel bei Hamburg liest sich wie das Who-is-Who der Luftfahrtindustrie: Das hanseatische Traditionsunternehmen beliefert mehr als 300 Firmen der Branche – von Airbus, Lufthansa Technik über Safran bis hin zu ZIM Flugsitz. Gefragt sind die Bauteile zudem bei Herstellern von Schiffen und Eisenbahnen. 40 Mitarbeiter stellen per Thermotiefziehen, CNC-Zerspanen und 3D-Druck Halbzeuge sowie komplexe Fertigteile und Baugruppen aus Kunststoff her.

„Wir helfen unseren Kunden, Bauteile auszulegen und zu zertifizieren oder auch beim Wechsel von einem Fertigungsverfahren auf ein anderes“, erklärt Florian Ehinger, Head of Customer Service. „Zunehmend kommen auch Kunden mit einem Aluminiumbauteil und fragen, ob wir einen Kunststoff vorschlagen können, den man statt Aluminium einsetzen kann.“

Optische Qualität spielt eine Rolle

Zu den Spezialitäten zählen hochwertige Spiegel aus Spezialkunststoff, bei denen die Norddeutschen zu den weltweit gefragten Anbietern gehören und für die sie mehrfach Preise erhielten. Außerdem entstehen in Barsbüttel per Kunststofftiefziehen aus Polycarbonat (PC), Polyamid (PA 66) oder Polyphenylsulfon (PPSU) Leuchten- und Sitzarmaturen-Abdeckungen sowie andere Bauteile für den Kabinen- und Toilettenbereich. Alle Bauteile besitzen einen gemeinsamen Nenner: Es sind so genannte Sichtteile ohne tragende Funktion. Ehinger erläutert: „Bei unseren Bauteilen spielt die optische Qualität eine große Rolle. Wir betreiben deshalb einen sehr hohen Aufwand.“

Just-in-Time-Lieferung lautet eine weitere Anforderung: Die Luftfahrtindustrie besteht auch bei den meist maßgeschneidert hergestellten Komponenten auf extrem kurze Lieferzeiten. Daher optimiert Krüger Aviation alle Prozesse von der Entwicklung, der Produktion bis hin zum Handling. Doch wie geht ein in der vierten Generation geführtes Traditionsunternehmen mit über 100-jähriger Firmengeschichte vor, wenn es kurzfristig eine zugleich hoch präzise und extrem schnelle Fräsmaschine für die Nachbearbeitung von Kunststofftiefziehteilen, das so genannte Beschnittfräsen, braucht?

Maschinensuche führt ins Allgäu

Die Norddeutschen nahmen zunächst die Maschinen von bekannten Unternehmen aus der Nähe unter die Lupe, stießen dann aber auf die HG Grimme SysTech GmbH aus Wiedergeltingen im Landkreis Unterallgäu. HG Grimme hat den Vorteil, dass es sich ebenso wie Krüger Aviation um ein familiengeführtes, mittelständisches Unternehmen handelt. Außerdem haben sich die Allgäuer auch auf eine High-Tech-Nische der Kunststoffverarbeitung spezialisiert. Bereits seit den 1980er Jahren entstehen CNC-Bearbeitungszentren zur Nachbearbeitung von Tiefziehteilen, damals eine Rarität in Deutschland. Seit 2010 bauen die Bayern auch CNC-Gantry-Bearbeitungszentren.

„HG Grimmes Leistungspotenzial für unsere Form der Kunststoffnachbearbeitung sah ideal aus“, sagt Ingo Horster, Chief Technical Officer (CTO) bei Krüger Aviation. „Und dann stand dort auch noch eine 5-Achs-CNC-Gantry-Fräsanlage, die von der kompakten Größe und ihrer Leistung her genau passte. HG Grimme nahm an der Vorführmaschine nur noch geringfügige Anpassungen vor. Und schon konnten wir nach kurzer Zeit das Beschnittfräsen von Tiefziehteilen starten.“

Der Begriff „geringfügige Anpassungen“ ist wahrscheinlich hanseatischem Understatement geschuldet, denn Krüger Aviation hatte einen besonderen Wunsch: Als Werkstückaufnahme haben die Barsbütteler einen Vakuum-Spanntisch entwickelt, der zusammen mit Halbzeugen sogar komplexe geformte Bauteile bei hohen Frästempo prozesssicher und schwingungsfrei aufnimmt. Bisher wurde der selbst entwickelte Vakuumspanntisch aus Holz oder Uriol gefertigt. HG Grimme sollte nun eine solide Vollaluminiumvariante herstellen. Der Wunsch zum noch robusteren Spanntisch ist nachvollziehbar, zerspant doch die neue Gantry in der X/Y-Achse mit einer Geschwindigkeit von maximal 80 Metern pro Minute.

„Wir können jetzt auf einer Maschine Bauteile mit drei und fünf Achsen bearbeiten“, freut sich der CTO. „Jetzt gelingt es uns sogar, synchron links und rechts verschiedene Artikel gleichzeitig zu fräsen.“ Eine abnehmbare Trennwand aus Makrolon ermöglicht es, auf der einen Tischseite zu rüsten, während auf der anderen gefräst wird. Bewährt hat sich auch, dass der Balken mit dem Fräskopf nicht von vorne nach hinten, sondern von links nach rechts fährt. Der Bediener kann daher während des Fräsprozesses auf der zweiten Tischseite völlig ungestört arbeiten. Horster lobt das dynamische und zugleich stabilere Zerspanen. Außerdem arbeitet die CNC-Anlage in Gantry-Bauweise trotz des hohen Frästempos so präzise im Mikrometerbereich, dass nachträgliches Polieren oft entfällt.

Bild: Krüger Aviation

Bis jetzt funktioniert alles hervorragend. Die Durchlaufzeit pro Werkstück hat sich um die Hälfte reduziert. – Ingo Horster, Chief Technical Officer (CTO) bei Krüger Aviation

Dynamische Zerspanung

Ein ungewöhnlicher Anblick für Experten der Metallbearbeitung ist der sehr kompakte Fräskopf, der sich maximal um 540 Grad drehen und bis 365 Grad schwenken lässt. „Weil nicht wie in der Metallverarbeitung hohe Kräfte auftreten, können wir mit einem einseitig gelagerten Fräskopf arbeiten“, erläutert Horster. „Mit ihm fräsen wir auch die typisch filigranen Werkstücke sehr dynamisch, denn wir können den Kopf nun sehr weit nach unten schwenken, ohne dass dabei die Gefahr entsteht, dass der Fräskopf mit Tisch oder Aufnahmen kollidiert.“ Das Kollisionsrisiko falle viel geringer aus als bei der vorherigen Maschine.

Gut fielen die Erfahrungen mit den ersten gefrästen Bauteilen aus. Krüger Aviation startete zunächst mit Thermoform-Halbzeugen aus dem Kunststoff Uriol und testet nun auch Bauteile aus anderen Kunststoffen für die Luftfahrtindustrie, bei denen dann die „First Article Inspection“ durch die Kunden ansteht. „Bis jetzt funktioniert alles hervorragend“, berichtet Horster. „Wir stehen beim Fräsen zwar nicht mit der Stoppuhr da: Aber definitiv ist es so, dass sich die Durchlaufzeit pro Werkstück um die Hälfte reduziert hat.“

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