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Kreative Ausbildungskonzepte helfen

Wie lässt sich die effiziente Produktion selbst in Zeiten des Fachkräftemangels sicherstellen? Es gibt eine ganze Reihe von Lösungsmöglichkeiten. Einige davon sind während der EMO Hannover 2023 vom 18. bis 23. September zu sehen. Abhilfe bei Fachkräftemangel schaffen kreative Ausbildungskonzepte. Auch innovative technische Lösungen wie vollautomatisierte Produktionsmaschinen oder Fernwartung helfen weiter. Während der Weltleitmesse für Produktionstechnologie können sich Besucherinnen und Besucher mit den Trends der industriellen Produktion und der effektiven Zusammenarbeit von Mensch und Maschine vertraut machen.

Die Auftragsbücher sind prallvoll, aber es fehlt qualifiziertes Personal, um sie zügig abzuarbeiten? Dieses Problem kennen Unternehmen der produzierenden Industrie. Wenn die eigenen Fachkräfte am Rande der Belastungsgrenze sind, müssen Ressourcen abrufbar sein, um die Produktion zu sichern. Das gilt besonders, wenn Fachleute rar sind, die defekte Maschinen auch mal reparieren können. Dann kann Fernwartung die Lücke schließen.

Remote Support bringt Effizienz

Schnell auf mögliche Störungen zu reagieren, ohne vor Ort zu sein: Das ist bei unvorhergesehenen Maschinendefekten möglich. Die Grob-Werke GmbH & Co. KG, ein Hersteller von Produktions- und Automatisierungssystemen mit Sitz im oberschwäbischen Mindelheim, hat mit Fernwartung gute Erfahrungen gemacht.

„Unsere Mitarbeiter können per Ferndiagnose auf Bauteile und Steuerungen des Kunden zugreifen. Das spart nicht nur dem Kunden Zeit, sondern auch uns. In Anbetracht des Fachkräftemangels könnte man durchaus sagen, dass unsere Fernwartungslösungen unterstützen“, sagt Christian Müller, Geschäftsführung Vertrieb der Grob-Werke. Das Fachpersonal hat bereits etliche Fahrten vermieden. „Die Zeit, die durch fehlende An- und Abfahrt gespart wird, kann direkt in den nächsten Auftrag einfließen“, erklärt Müller. „Unser Personal kann also in kurzer Zeit deutlich mehr Aufträge abarbeiten.“

Der Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf SE + Co. KG aus Ditzingen vertraut auf Fernwartung, um die Maschinen bei den Kunden auch in Zeiten des Fachkräftemangels produktiv zu halten. „Beim Trumpf Remote Support können sich die Experten von Trumpf auf die Maschine des Kunden aufschalten und die Ursache beheben oder über Visual Assistance anleiten, das Problem selbst zu beheben“, erklärt Alexander Kunz, Leiter der Smart Factory bei Trumpf. Ein Servicetechniker-Einsatz sei dann oft nicht erforderlich. So könnten die Mitarbeitenden an der Maschine ihre Arbeit schneller wieder aufnehmen.

Vollautomatisierung gleicht Defizite aus

Mit Vollautomatisierung können Unternehmen dem Fachkräftemangel teilweise entgegentreten. Digitale Vernetzung und Automatisierung sind für Unternehmen Schlüsseltechnologien, um ein Defizit an Fachpersonal zumindest teilweise auszugleichen. „80 Prozent der Durchlaufzeit eines Auftrags entfallen auf unproduktive Nebenzeiten, beispielsweise Laufzettel suchen oder Transportwagen holen. Mit der Digitalisierung können Unternehmen Zeit sparen und die Arbeitskraft der Mitarbeiter für wertschöpfende Tätigkeiten nutzen“, erläutert Trumpf-Manager Kunz.

Automatisierung hilft, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, weil sie viele Tätigkeiten vereinfacht und Zeit spart. Oftmals können schon kleine Automatisierungslösungen dazu beitragen, die Produktivität enorm zu steigern. „Generell beobachten wir, dass früher Automatisierung gekauft wurde, um Personal zu sparen. Heute wird sie gekauft, weil man kein Personal findet“, resümiert Kunz.

Ohne Personal arbeiten

Mit dem digitalen Geschäftsmodell Pay per Part hat der Werkzeugmaschinenbauer zudem ein spezielles Angebot für Unternehmen mit hoher Auftragslage, die mit Mitarbeitermangel zu kämpfen haben. Trumpf bietet das Modell für den Laservollautomaten TruLaser Center 7030 an.

„Die Maschine steht in der Halle des Kunden, gehört aber der Bank und wird von den Trumpf-Expertinnen und -Experten am Standort Neukirch mithilfe von Remote-Technologie betrieben“, erklärt Kunz. Der Nutzer bezahle einen festgelegten Stückpreis für jedes einzelne Teil. „Das steigert die Produktivität um über 50 Prozent, und das Unternehmen kann mannlos im Dreischicht-Betrieb arbeiten.“

Der Trend hin zur vollautomatisierten Anlage wird sich früher oder später durchsetzen. Davon ist man auch bei den Grob-Werken überzeugt. „Bereits jetzt ist der Automatisierungsgrad der Maschinen um ein Vielfaches höher als noch vor einigen Jahren“, sagt Grob-Manager Müller. Auch die Digitalisierung rückt immer mehr in den Vordergrund und könne in einigen Bereichen bei Fachkräftemangel „positiv unterstützen und einige Aufgabenbereiche übernehmen“, erläutert Müller.

Der Mensch bleibt unverzichtbar

Bei aller Automation bleibt der Mensch unverzichtbar, um eine reibungslose Produktion zu gewährleisten. Um das Problem Fachkräftemangel langfristig anzugehen, ist deshalb Ausbildung das A und O. „Die Politik und das Bildungssystem sind gefordert, die schrumpfende Grundgesamtheit der überhaupt zur Verfügung stehenden qualifizierten Arbeitskräfte zu erhöhen“, sagt Prof. Jens Wulfsberg, Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP), in der sich Professorinnen und Professoren der Produktionswissenschaft zusammengeschlossen haben.

Die Wissenschaftler der WGP hatten kürzlich Alarm geschlagen, denn seit gut fünf Jahren sinkt in Deutschland die Zahl der Studienanfänger in den Ingenieurswissenschaften deutlich. „Das trifft auch unsere Industrie, die schon heute große Schwierigkeiten hat, gut ausgebildeten Nachwuchs zu finden. Und damit ist es letztendlich ein Problem für unsere Gesellschaft, deren Wohlstand bekanntermaßen auf dem produzierenden Gewerbe gründet“, warnt Wulfsberg.

„Das Problem ist bei den Unternehmen schon angekommen, der Nachwuchsmangel ist für viele eine der größten Herausforderungen, größer als Energiekrise und Lieferkettenengpässe“, konstatiert der Wissenschaftler. Er verweist darauf, dass die Unternehmen „mit einem echten, gelebten Wertesystem“ für junge Menschen attraktiv sein müssen.

Andre Wilms, Mitglied der Geschäftsleitung der Nachwuchsstiftung Maschinenbau gGmbH, zeigt sich davon überzeugt, dass technische Lösungen wie Fernwartung oder Vollautomation nicht ausreichen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die Stiftung des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus mit Sitz in Frankfurt am Main hat sich deshalb die Förderung der Ausbildung von Fachkräften in ihrer Branche auf die Fahnen geschrieben.

Bildung muss gestärkt werden

„Qualifizierte Fachkräfte sind der Garant für unseren technologischen Fortschritt. Um die digitale Transformation auf hohem Niveau zu vollziehen, müssen Unternehmen ihre Aus- und Weiterbildungsaktivitäten deutlich verstärken“, erklärt Wilms. Der Mehrwert der Ausbildung liege in der Entdeckung und Entwicklung von Talenten und in einem starken Bezug zum Unternehmen.

„Technische Lösungen, wie die Automation von Produktionsprozessen, können dabei helfen, das Fachkräftepotenzial im Unternehmen gezielter einzusetzen und den Fachkräftemangel zu einem gewissen Anteil zu kompensieren“, ergänzt Wilms.

Nachwuchs aus Netzwerken

Unterdessen verschärft der demografische Wandel das Problem weiter. In den kommenden zehn Jahren werden laut Wilms mehr Arbeitnehmende mit Erreichen des Renteneintrittsalters den Arbeitsmarkt verlassen, als dass neue dem Arbeitsmarkt zufließen. Laut Fachkräftemonitor NRW fehlen allein dadurch im Jahr 2035 etwa 25 Prozent der technischen Fachkräfte im Maschinenbau. „Die Nachwuchsgewinnung muss zukünftig durch die gesamte Branche gestaltet werden“, fordert Wilms und macht einen konkreten Vorschlag: „Unternehmen könnten dafür vermehrt auf Recruiting-Netzwerke setzen und gute Bewerbende, die nicht selbst ausgebildet werden können, innerhalb ihres Netzwerkes weiterempfehlen. So bleibt das Fachkräftepotenzial in der Branche.“

Kreative Ausbildungskonzepte können helfen, aktuelles Fachwissen effizient weiterzugeben. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, braucht es daher „flexible Qualifizierungskonzepte, die mit den rasanten technologischen Entwicklungen Schritt halten können“, sagt Wilms. Die Lernplattform „Mobile Learning in Smart Factories“ (MLS), bietet Lernenden durch die Anbindung externer Partner wie Maschinen- und Softwarehersteller oder Content-Verlage den Vorteil, „Wissen aus erster Hand“ zu erhalten, erläutert Wilms.

Die Lerninhalte sind frei kombinierbar und an betriebsspezifische Bedingungen anpassbar. Außerdem können eigene Inhalte importiert, mit einem didaktisch gestützten Autorentool selbst erstellt oder mit anderen Organisationen geteilt werden. „Das sorgt dafür, dass immer aktuelles Wissen in die Aus- und Weiterbildung der Unternehmen gelangt und Arbeitnehmende bedarfsgerecht qualifiziert werden“, sagt Wilms.

Für kritische Anlaufproduktion

Die Hersteller von Produktionsmaschinen haben die Schulung selbst in die Hand genommen. „Im Bereich Maschinenbedienung haben wir verschiedene Angebote, in denen dem Bediener so einfach, schnell und effektiv wie möglich beigebracht wird, unsere Maschinen intuitiv bedienen zu können“, sagt Müller. Die Kunden könnten aus unterschiedlichen Modulen die für ihre Mitarbeitenden passende Schulung auswählen. „Zudem bauen wir in all unseren Produktionswerken unsere Schulungsabteilungen kontinuierlich weiter aus“, berichtet der Grob-Manager. Darüber hinaus stelle Grob in Abstimmung mit den Kunden eigenes Fachpersonal bei kritischen Anlaufproduktionen zur Verfügung.

Trumpf bietet auf der ganzen Welt Schulungen zu allen Disziplinen in der Blechfertigung an – von der Teilekonstruktion bis zur digitalen Fertigungssteuerung. Außerdem hat der Laserspezialist im vergangenen Jahr mit der Smart Factory Consulting GmbH eine eigene Unternehmensberatung gegründet, die Unternehmen auf dem Weg zur vernetzten Fertigung begleitet. „So lassen sich Produktivitätspotenziale heben, ohne zusätzliches Personal einzustellen“, hebt Trumpf-Manager Kunz hervor.

Für produzierende Unternehmen im Ausland, darunter in den USA oder China, ist der Zugang zu qualifizierten technischen Fachkräften mitunter besonders schwierig. Können Werkzeugmaschinenbauer ihren Kunden zur Linderung des Fachkräftemangels in den wichtigen Auslandsmärkten spezielle Lösungen anbieten? Große, international aufgestellte Anbieter halten auch hierfür Ressourcen bereit. „Wir unterstützen Unternehmen auf der ganzen Welt, dem Fachkräftemangel zu begegnen“, sagt Kunz und präsentiert eine technische Lösung.

Software schont Kapazitäten

Beispielsweise können Anwender mit der Trumpf-Software Oseon ihre Fertigung digital planen und steuern. „Das schont die Kapazitäten der Mitarbeiter, da sie sich etwa um die Planung des Materialtransports keine Gedanken machen müssen“, so Kunz. „Mit der Nutzung eines Automated Guided Vehicles besteht zudem die Chance, auch den Materialtransport selbst zu automatisieren“, erklärt er. Außerdem stelle die Software dem Personal in der Fertigung auf einem Tablet alle relevanten Informationen zum nächsten Arbeitsschritt in ihrem Arbeitsumfeld übersichtlich bereit. „Das reduziert Fehler und neue Mitarbeiter können schneller ihre Tätigkeit aufnehmen.“

Unternehmen müssen aktiv werden

Auch die Grob-Werke bieten in den Auslandsmärkten Schulungen für ihre Produkte an, „um das Personal bestmöglich auf die Bedienung unserer Anlagen vorzubereiten“, wie der Grob-Manager erklärt. Doch auch Müller weiß, dass Schulungen durch die Unternehmen und technische Lösungen wie Vollautomation nur begrenzt helfen, wenn Fachkräfte fehlen: „Die Suche nach Fachkräften können wir natürlich für unsere Kunden nicht übernehmen, das muss jedes Unternehmen für sich selbst tun.“ Dafür bieten sich Fachmessen wie die EMO 2023 an, den direkten Kontakt zu neuem Personal herzustellen.

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Sylke Becker

Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
VDW – Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e. V.
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Autor

Daniel Schauber

Fachjournalist
Mannheim

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