Gisela Lanza

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Nachhaltigkeit

Die Kreislauffabrik: Das ewig innovative Produkt

Die wachsende Rohstoffförderung lässt den Einsatz von Sekundärmaterialien drastisch sinken. Gleichzeitig erreicht der Ressourcenverbrauch alarmierende Ausmaße. Nur eine zirkuläre Wirtschaft kann diesen bedrohlichen Trend aufhalten. Laut dem „The Circularity Gap Report“ ist durch die stetig wachsende Rohstoffförderung der Einsatz von Sekundärmaterialen von 9,1 Prozent im Jahr 2018 auf 7,2 Prozent 2023 gesunken. Somit werden über 90 Prozent der Materialien lediglich einmal benutzt und nicht kreislauffähigen Prozessen zugeführt. Auch das „Global Footprint Network“ führt den aktuellen Bedarf an Ressourcen der Menschheit mit 1,71 „Erden“ an. Tendenz steigend. Die Einführung einer zirkulären Wirtschaft kann diese Trends umkehren. Eine nachhaltige Ressourcennutzung muss forciert werden.

Um einen Beitrag zur Erreichung einer zirkulären Wirtschaft zu leisten, hat sich eine interdisziplinäre Gruppe an Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Universität Stuttgart, der Hochschule Aalen und vom Fraunhofer IOSB zu einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich (SFB) zusammengeschlossen, um die Vision der „Kreislauffabrik für das ewig innovative Produkt“ wahr werden zu lassen.

Die Vision

Die Vision der „Kreislauffabrik für das ewig innovative Produkt“ besteht darin, eine integrierte lineare und zirkuläre Produktion in industriellem Maßstab zu befähigen. Diese soll gebrauchte Produkte in aktuelle Produktgenerationen überführen.

Kern der Forschung des SFB ist die Frage, wie Komponenten aus gebrauchten Produkten gezielt aufbereitet und in Neuprodukten weiterverwendet werden können. Schon in der Produktentwicklung muss dabei berücksichtigt werden, dass gebrauchte Komponenten auch mit nachfolgenden Produktgenerationen kompatibel sein müssen. In der Theorie kann somit durch eine ausgeklügelte Produktentwicklung und zielführende Aufbereitung einzelner Komponenten ein „ewig innovatives Produkt“ entstehen.

Durch eine „Kreislauffabrik“ werden Erkenntnisse gewonnen, um die Wirtschaftlichkeit nachhaltiger Produktionsmuster zu steigern. Dann kann auch an Hochlohnstandorten wirtschaftlich produziert werden. Fotos: KIT

Ein neuer Standard

Das Remanufacturing ist ein bereits heutzutage eingesetzter industrieller Prozess, bei dem Gebrauchtprodukte zunächst demontiert, Komponenten ausgetauscht, aufgearbeitet oder direkt weiterverwendet und anschließend remontiert werden. Durch Einsparung an Primärmaterial, Emissionen und Energie trägt dies bereits heute zur Nachhaltigkeit bei, wobei solche Produkte vornehmlich am Sekundärmarkt, also Ersatzteilmarkt, abgesetzt werden.

Traditionell sind Gebrauchtprodukte, die remanufactured, refurbished oder reconditioned werden, kapitalintensiv, groß und hauptsächlich mechanisch. Als Beispielprodukt der „Kreislauffabrik für das ewig innovative Produkt“ wird hingegen der Winkelschleifer als mechatronisches Produkt betrachtet.

„Winkelschleifer sind für die Entwicklung von Methoden für die Kreislauffabrik ideal. Sie weisen eine hohe Funktionsdichte und im Gegensatz zu bestehenden Produkten, die häufig aufgearbeitet werden, kurze Produktlebenszyklen sowie kurze Generationszyklen auf“, erläutert Gisela Lanza, Sprecherin des SFB „Kreislauffabrik für das ewig innovative Produkt“.

„Dieser Prozess ist einzigartig. Die Komplexität der Aufarbeitung in Verbindung mit einer mehrfachen Weiterverwendung einzelner Komponenten in folgenden Produktgenerationen macht den zirkulären Prozess in der Kreislauffabrik einzigartig. Nur so ist es möglich, Produkte der aktuellen Produktgeneration, die gleichzeitig einen Anteil aufgearbeitet Komponenten besitzen, auf dem Primärmarkt abzusetzen und Kundenakzeptanz zu schaffen“, führt die Professorin aus.

ine interdisziplinäre Gruppe von Forschern leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung einer zirkulären Wirtschaft. Der Sonderforschungsbereich soll die Vision der „Kreislauffabrik für das ewig innovative Produkt“ wahr werden lassen.

Forschungsaspekte im Detail

Bei der Produktentwicklung muss neben dem generationsübergreifenden Aspekt auch die Demontierbarkeit berücksichtigt werden. „Wir versuchen, von der Art und Weise zu lernen, wie Menschen Produkte demontieren, um dieses Wissen auf automatisierte Systeme zu übertragen“ sagt Jan-Philipp Kaiser, wissenschaftlicher Geschäftsführer des SFB. „Wir benötigen ein adaptives automatisiertes System, das auf verschiedene Randbedingungen wie die Variantenvielfalt der Winkelschleifer und deren Gebrauchtzustand adäquat reagieren kann“, erklärt Kaiser.

Die Aufarbeitung kann am Beispiel des Kegelrads des Winkelschleifers gut beschrieben werden. Ist ein Zahn des Kegelrads abgebrochen, kann ein Aufbereitungsprozess angestoßen werden, der etwa das Abfräsen des Zahns bis auf den Zahngrund und ein additives Auftragen eines neuen Zahns durch Auftragsschweißen beinhaltet. Im Anschluss ist lediglich das Nacharbeiten der ursprünglichen Zahngeometrie notwendig.

Essenziell ist, dass nach der Aufarbeitung und automatisierten Remontage eine Prognose über die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit des neuwertigen Produkts für die zukünftige Nutzungsphase möglich ist. Nicht zuletzt deshalb befassen sich Forschende in diesem Sonderforschungsbereich auch mit den Themen der Wissensmodellierung zur Verknüpfung von Daten aus dem vorangegangenen Produktlebenszyklus und der gesamten Produktaufarbeitung, um solche Prognosen zu ermöglichen.

Montage und Demontage: Gebrauchte Produkte finden den Weg in aktuelle Produktgenerationen. Die Vision der „Kreislauffabrik für das ewig innovative Produkt“ besteht darin, eine integrierte lineare und zirkuläre Produktion in industriellem Maßstab zu entwickeln.

Gesellschaftliche Relevanz

Durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse des SFB und den Transfer in die deutsche Industrie wird einerseits die Möglichkeit zur Entkopplung von Wohlstand und Ressourcenverbrauch gegeben, andererseits ermöglicht eine effiziente wirtschaftliche Umsetzung der Kreislauffabrik die Schaffung von Arbeitsplätzen. Dies erfolgt dadurch, dass die durch die Erforschung der Methoden für die „Kreislauffabrik“ gewonnenen Erkenntnisse die Wirtschaftlichkeit solcher nachhaltiger Produktionsmuster steigt und somit verstärkt auch wieder an Hochlohnstandorten, wie Deutschland eines ist, etabliert werden können.

Video: KIT

Kontakt

Professorin Gisela Lanza

Sprecherin des Sonderforschungsbereichs 1574 „Kreislauffabrik für das ewig innovative Produkt“ und Mitglied der kollegialen Institutsleitung wbk Institut für Produktionstechnik des KIT
KIT - Karlsruher Institut für Technologie
Karlsruhe
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Jan-Philipp Kaiser

Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Sonderforschungsbereichs 1574 „Kreislauffabrik für das ewig innovative Produkt“
KIT - Karlsruher Institut für Technologie
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Tel. +49 162 9364819
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