Titelthema
Pulver-Handling
übernimmt die Anlage
Zur Fertigung individueller Greifer nutzt die Piab Vakuum GmbH, Butzbach, die additive Fertigung selbst und ist zugleich Zulieferer von Vakuumtechnik, die Metall- und Kunststoffpulver in Anlagen befördert. Im Interview spricht Johannes Krumme, Sales Manager Vacuum Conveying, über Herausforderungen der Vakuumfördertechnik in der additiven Fertigung, die komplett digitale Auftragsabwicklung bei 3D-gedruckten Greifern und über Vorstellungen der Prozesskette im Jahr 2030. Das Gespräch führte Peter Trechow, freier Journalist, im Auftrag des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Was sind die Geschäftsfelder der Piab Vakuum?
Krumme: Piab ist ein Vakuumspezialist mit Hauptsitz in Schweden, Tochtergesellschaften sowie Vertriebspartnern in fast 70 Ländern und 430 Beschäftigten. Der Gesamtumsatz lag 2017 bei einer Milliarde schwedische Kronen, was gut 97 Millionen Euro entspricht. Unser Produktspektrum reicht von Vakuumpumpen und Vakuumfördertechnik bis zu Greifern und Handhabungslösungen, die in verschiedenen Industrien für Prozessautomation und Robotik eingesetzt werden – darunter E-Commerce, Lebensmittel-, Pharma- und Automobilbranche. Der Fokus liegt auf höherer Energieeffizienz, Produktivität und verbesserten Arbeitsbedingungen.
Welchen Teil der Wertschöpfungskette in der additiven Fertigung deckt Piab ab?
Krumme: Wir sind einerseits Zulieferer von Vakuumfördertechnik, die wahlweise Metall- oder Kunststoffpulver zur Anlage transportiert. Andererseits bieten wir unseren Kunden additiv gefertigte Greifer an, die sie ihren Anforderungen gemäß konfigurieren können. Die Kunden geben Parameter ein, das System leitet automatisiert eine Konstruktion inklusive Vakuumkanälen und Adaptertypen daraus ab, die ein Partner von uns additiv fertigt und liefert. Die Konstruktionsdaten liefern wir mit, damit der Kunde jederzeit identische Greifer nachbestellen kann. Die Vorteile liegen in der individuellen Auslegung der Greifer und im Leichtbaupotenzial. Je leichter die Greifer, desto mehr Last können Roboter oder Cobots heben und bewegen. Für uns ist es ein großer Fortschritt, dass wir dies in einem komplett digitalen Bestell- und Auftragsabwicklungsprozess anbieten können.
Die Vakuumtechnologie ermöglicht sicheres Pulver-Handling für die additive Fertigung. Fotos: Piab Vakuum
Durch das Vakuum wird das Produkt aus dem Container geholt und der Fertigung zugeführt.
Vor welchen Herausforderungen steht die Vakuumfördertechnik im Bereich der additiven Fertigung?
Krumme: Die Schüttdichten sind teilweise sehr hoch. Im Metallbereich wiegen die Pulver bis zu acht Kilogramm je Liter. In der Pulverhandhabung im Pharma- oder Lebensmittelbereich sind es eher 0,8 bis 1,2 Kilogramm je Liter. Wir brauchen also wesentlich leistungsstärkere Vakuumsysteme. Daran schließen sich weitere Herausforderungen an: Die Vakuumförderung transportiert Pulver im Luftstrom. Im Metallbereich erfolgt dies unter Stickstoff- oder Argon-Atmosphäre. Dafür muss das Gas in ein Vakuumsystem eingespeist werden, was eine hochkomplexe Regelung erforderlich macht. Weitere Herausforderungen liegen in der Abluftführung sowie im Bereich des Explosionsschutzes. Wir reden nicht über ein Pulver, sondern über eine Fülle verschiedener Materialien, an die unsere Lösungen jeweils angepasst werden müssen. Dabei hilft unser Know-how aus anderen Industriebranchen, die unsere Lösungen für ein automatisiertes Pulver-Handling bereits nutzen.
Pulver-Handling ist ein zentrales Innovationsthema für automatisierte Prozessketten der additiven Fertigung. Forschen und entwickeln Sie gezielt in diese Richtung?
Krumme: Als Komponentenlieferant unterstützen wir unsere Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung. Wir haben das nötige Know-how, um das Pulver-Handling zu automatisieren, da wir uns seit 1978 damit beschäftigen; vor allem für die Pharmaindustrie. Dort sind je nach Größe der Unternehmen und Durchsatz der Anlagen unterschiedliche Lösungen im Einsatz. Bei einem Blockbuster laufen mehrere Anlagen mit einem Pulver rund um die Uhr. Wo kleine Stückzahlen produziert werden, wechseln die Pulver, was jeweils eine gründliche Reinigung erfordert. Daher optimieren wir unsere Lösungen für schnelle, effiziente Reinigungsprozesse. Mit Blick auf das Design von Prozessketten ist zu beachten, dass jeder Pulverwechsel Reinigungsroutinen erfordert und dass für ein automatisiertes Pulver-Handling gerade im Metallbereich jederzeit im gesamten Fördersystem Inertgas-Atmosphäre zu gewährleisten ist – und diese Gase sowohl aus Kosten- wie auch aus Arbeitsschutzgründen nicht entweichen dürfen. Hierzu laufen bei Piab entsprechende Entwicklungsaktivitäten. Teils kooperieren Unternehmen, die auf anderen Gebieten im direkten Wettbewerb zueinander stehen, im Bereich additiver Fertigung jedoch Synergien erkennen.
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Gibt es Ansätze, um Pulverabsaugung und Vakuum-Greiftechnik zu kombinieren?
Krumme: Im Lebensmittel- und Pharmabereich werden pulverförmige Ausgangsstoffe einerseits mit Hilfe unserer Vakuumförderer durch den Prozess transportiert und andererseits die Fertigprodukte mit additiv hergestellten Greifern verpackt. Insbesondere im Bereich der Vakuumförderung gilt es, dieses Know-how für additive Technologie nutzbar zu machen. Denn dank des geschlossenen Aufbaus schützen unsere Vakuumfördersysteme Mensch und Umwelt vor dem Pulver und umgekehrt das Pulver vor Umwelteinflüssen und Qualitätseinbußen.
Wie stellen Sie sich die typische additive Prozesskette im Jahr 2030 vor?
Krumme: Bis dahin wird es vermutlich vollautomatisierte Prozessketten mit Industrie-4.0-Anbindung geben. In diesen Prozessketten werden sich die Vakuumförderer selbstständig auf unterschiedliche Anforderungen etwa für die Saug- und Entleerungszeiten einregeln. Bei uns läuft das mit unseren smarten, cloud-fähigen Vakuumlösungen bereits an. Ich vermute, dass additive Anlagen sortenrein produzieren werden, um den Reinigungsaufwand und die Komplexität der Gasführung bei Pulverwechseln zu umgehen.
Mit welchen Zielen und Interessen haben Sie sich der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing (AM) angeschlossen?
Krumme: Wir sehen in der additiven Fertigung einen neuen Markt mit großem Potenzial. Wir haben passende Produkte und Lösungen im Portfolio, und wir verfügen im Bereich des Pulver-Handlings über das nötige Know-how, um mit Partnern aus der Branche marktspezifische Lösungen zu erarbeiten. Dafür möchten wir unsere Netzwerke festigen und die Akteure, das Innovationsgeschehen und die Diskussionen im Markt näher verfolgen. Die Arbeitsgemeinschaft bietet uns die Möglichkeit dazu.
Kontakt
Johannes Krumme
Sales Manager Vacuum Conveying Piab Vakuum GmbH Butzbach
Jessica Göres
Referentin Presse und Öffentlichkeitsarbeit Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Tel. +49 69 6603-1450 E-Mail senden am.vdma.org