Qualitätsmanagement
Cobots im Einsatz für
das optimale Klangerlebnis
Beyerdynamic plant, die Produktivität bei gleichbleibenden Kapazitäten um 50 Prozent zu erhöhen, ohne dabei die Qualitätsstandards der Marke zu vernachlässigen. Der Hersteller von Audiogeräten ist einer der wenigen Premiumhersteller, der seine Produkte fast ausschließlich in Deutschland fertigt und das zum größtenteils in Handarbeit „Made in Germany“. Was bei Kunden weltweit Ansehen und Vertrauen genießt, ist in der Fertigung allerdings sehr kostspielig. Während andere Branchengrößen Teile ihrer Produktion nach Asien verlegt haben, suchte das Traditionsunternehmen eine Möglichkeit, auch in Zukunft weiterhin rentabel am Standort Deutschland zu produzieren.
Für die erfolgreiche Umsetzung der Strategie zur Produktivitätsverbesserung im Rahmen eines Vierjahresplans werden die Mitarbeiter von Beyerdynamic nun in verschiedenen Fertigungsprozessen sukzessive durch kollaborierende Roboter unterstützt.
Im Pilotprojekt setzte der Elektronikhersteller in der Fertigung auf eine Lösung von den beiden Unternehmen Universal Robots (UR) und Robotiq. In der ersten Anwendung unterstützen zwei Cobots die Mitarbeiter innerhalb der Kopfhörerproduktion. Allein in dieser ersten Roboterapplikation steigerte die neue Zusammenarbeit von Mensch und Roboter die Produktivität innerhalb des automatisierten Prozesses um 50 Prozent bei einer gleichzeitigen Qualitätssteigerung der gefertigten Premiumkopfhörer.
Beschichtungsprozess optimiert
Beyerdynamic legt in der Herstellung seiner Produkte seit jeher großen Wert auf Flexibilität und setzt deswegen auf einen hohen manuellen Fertigungsgrad. Die Traditionsfirma wurde 1924 in Berlin als „Elektronische Fabrik Eugen Beyer“ gegründet und stellte Kinolautsprecher für den aufkommenden Tonfilm her.
Das ursprünglich nach seinem Gründer benannte Unternehmen legte den Grundstein für die heutige Beyerdynamic GmbH, die seit 1948 in Heilbronn ansässig ist und stellt Kopfhörer, Mikrofone und Konferenzsysteme her.
In der Produktion der Kopfhörerlautsprecher von Beyerdynamic kollaborieren Roboter mit den Mitarbeitern. Fotos: Beyerdynamic
Für die Membranbeschichtung platziert der Arbeiter einen geschweißten Kopfhörerlautsprecher auf einer bestimmten Fläche, sodass die in der Roboterapplikation integrierte Kamera das Werkstück erkennt und der Cobot es aufnehmen kann.
Mittels eines Zweifingergreifers nimmt der Roboter den Lautsprecher auf und setzt ihn zur Weiterverarbeitung auf einen Drehmotor.
Peter Härtel und Jörg Lang programmieren die Roboter bei Beyerdynamic im sogenannten Teach Modus. Damit kann jeder Anwender den Roboterarm greifen und ihm neue Aufgaben beibringen, indem er ihn per Hand von Wegpunkt zu Wegpunkt führt.
In der Produktion hochwertiger Audiogeräte ist, insbesondere wenn es um Präzisionsarbeiten geht, immer schon die Prozessstabilität der entscheidende Faktor gewesen. Allerdings konnte diese für bestimmte filigrane Arbeitsschritte in der Kopfhörerproduktion, die traditionsgemäß in Handarbeit ausgeführt wurden, nicht gewährleistet werden: So müssen an einer Stelle innerhalb der Produktionsabfolge die Membranen der Lautsprecher durch die Beschichtung mit einem Dispersionsmedium verfeinert werden.
Bis zur Automatisierung waren sogar drei Mitarbeiter für diesen Prozess zuständig, die das Medium per Hand mit einem Pinsel auf die Membran auftrugen. „Natürlich ist es für den Menschen unmöglich, über lange Zeit hinweg immer gleichmäßig zu pinseln“, sagt Jörg Lang Produktionstechniker in der Heilbronner Fertigung. „Irgendwann wird ein Strich nun mal dicker und ein anderer dünner. Entsprechend wiesen unsere Membranen qualitative Schwankungen auf.“ Daher sah der Hersteller an dieser Stelle einen geeigneten Ansatzpunkt, um seine Fertigungsprozesse durch den Einsatz kollaborierender Roboter zu optimieren. Mittels einer Teilautomatisierung sollten zum einen die Qualitätsschwankungen reduziert und zum anderen die Produktivität des Vorgangs erhöht werden.
Traditionelle Industrieroboter erschienen dem Unternehmen jedoch aufgrund der mit ihrer Anschaffung und Implementierung verbundenen hohen Kosten wie auch ihres hohen Platzbedarfs als ungeeignet für diese Aufgabe. Hingegen hatte der Elektronikhersteller bereits gute Erfahrungen mit den Cobots UR3 und UR5 von Universal Robots gemacht.
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Peter Härtel, Head of Strategic Operations and Quality bei Beyerdynamic, sagt: „Die UR-Roboter haben wir ursprünglich für unsere Qualitätstests angeschafft. Sie sind sicher, flexibel einsetzbar und lassen sich leicht für immer neue Aufgaben programmieren, so dass wir alle erdenklichen Tests mit ihnen machen können. Das brachte uns auf die Idee, die Roboter direkt neben unseren Mitarbeitern auch in der Fertigung einzusetzen.“
Inzwischen kollaborieren zwei Cobots mit den drei Mitarbeitern der Membranbeschichtung. Im Ergebnis läuft der Fertigungsprozess jetzt stabil und mit konstant hoher Qualität – und während die Roboter die repetitiven Aufgaben übernehmen - können sich die Arbeiter wertschöpfenden Tätigkeiten widmen. Zudem steigerte sich die Produktivität an dieser Stelle der Fertigung um 50 Prozent.
Inmitten der Produktionslinie
Um die Beschichtung der Lautsprechermembranen mit den beiden Robotern zu automatisieren, wurde dieser Prozess zunächst in zwei Aufgabenbereiche unterteilt: Handling und Spraying. Für den Arbeitsschritt Handling ist ein Roboterarm mit einer integrierten Wrist Camera sowie einem Zweifingergreifer von Robotiq ausgestattet.
Für die Membranbeschichtung platziert ein Arbeiter im ersten Schritt einen geschweißten Kopfhörerlautsprecher innerhalb einer vordefinierten grünen Fläche, die das Sehfeld der in der Applikation integrierten Kamera bezeichnet. Der Handling-Roboter kann das Werkstück erfassen und den Lautsprecher aufnehmen.
Universal Robots wurde 2005 gegründet, um Robotertechnologie allen zugänglich zu machen. Die Entwicklung leichter, benutzerfreundlicher sowie preisgünstiger und flexibler Industrieroboter soll ein sicheres Arbeiten ermöglichen. Seit der erste Roboter 2008 auf den Markt kam, hat das Unternehmen ein beträchtliches Wachstum vollzogen. Das Unternehmen gehört zu Teradyne Inc. und hat seinen Sitz im dänischen Odense. 2018 wurde ein Umsatz von 234 Millionen US-Dollar erzielt.
Anschließend legt er ihn auf einen Drehmotor. Daraufhin übernimmt ein Cobot mit einer integrierten Sprühpistole den Spraying-Prozess und beschichtet die Membran durch Aufsprühen des Dispersionsmediums.
Im Anschluss legt der andere Cobot mit dem Greifer den beschichteten Lautsprecher auf einem Tablett ab, das, sobald es vollständig mit Werkstücken bestückt ist, vom Roboter selbstständig weitergeschoben wird. Für eine nahtlose Zusammenarbeit kommunizieren die Roboter per Datenaustausch miteinander und geben sich so eigenständig die Freigaben für den jeweils nächsten Arbeitsschritt.
Flexible Einsatzmöglichkeiten
Die Leichtbauroboter überzeugen Beyerdynamic nicht nur durch ihre flexiblen Einsatzmöglichkeiten und ihre intuitive Bedienung sowie den geringen Platzbedarf. „Dass die Roboter extrem einfach zu programmieren sind, war für uns das ausschlaggebende Argument für Universal Robots. So können wir unsere Applikationen selbst programmieren, ohne auf externe Dienstleister angewiesen zu sein” erklärt Peter Härtel. „Dank der intuitiven Steuerung können unsere Mitarbeiter den Umgang mit den Robotern schnell selbst erlernen.” Lang fügt hinzu: „Auch die Kamera und der Greifer waren schnell installiert und nahtlos über die Software- und Programmierumgebung verwendbar. Dank dieser Plug&Play-Integration zwischen dem Roboterarm und dem Zubehör ließ sich unser Pilotprojekt in kürzester Zeit umsetzen.”
Mitarbeiter lernen Roboter kennen
Nicht nur in technischer Hinsicht, auch mit Blick auf die Belegschaft bei Beyerdynamic waren die neuen Roboterkollegen in kürzester Zeit vollkommen integriert – und wurden unlängst auf die Spitznamen Jonathan und Fritzchen getauft-: „Anfangs standen unsere Mitarbeiter den Robotern noch etwas skeptisch gegenüber. Mit den Robotern innerhalb der Produktion betraten wir Neuland. Entsprechend konnte sich keiner vorstellen, wie Mensch-Roboter-Kollaboration in der Praxis aussieht und welche Änderungen in der Prozesskette mit ihr einhergehen“, erklärt Wolfgang Luckhardt, Managing Director von Beyerdynamic.
„Daher legten wir vom Start weg Wert auf eine offene Kommunikation, um Bedenken zu zerstreuen. Außerdem haben wir die Zusammenarbeit mit den Robotern unseren Mitarbeitern zur Wahl gestellt und abgefragt, wer im Team Interesse hat, gerne in das Projekt miteinbezogen zu werden.“
Fotos: Universal Robots
Gülhan Boz, eine Arbeiterin, die sich meldete, ist mit ihren neuen Roboterkollegen zufrieden: „Mit Jonathan und unserem Fritzchen kommen wir sehr gut klar. Es war für uns einfach zu lernen, wie wir die Roboter richtig bedienen. Selbst wenn einmal eine Störung auftritt, können wir sie leicht selbst beheben.“
Um mögliche Berührungsängste hinsichtlich der Roboter schon abzubauen, bevor sie überhaupt im Werk ihre Arbeit aufnahmen, wurde einer der Cobots für ein Sommerfest des Unternehmens zum Cocktail Mixen programmiert. „Diese Just-for-fun-Applikation hat allen gezeigt, wie unmittelbar und sicher die Roboter sich in ein menschliches Umfeld einfügen“, sagt Härtel. „Sehr schnell hat die Neugierde unserer Mitarbeiter überwogen und sie sind mit den Robotern direkt warm geworden.“
Helfer für nachhaltige Qualität
Beyerdynamic steht für deutsche Wertarbeit und Qualität in der Audio-Elektronik Dank seiner MRK-Applikation und mit der einhergehenden Produktivitäts- und Qualitätssteigerung sieht sich die Traditionsmarke in der Lage, auch in Zukunft vollständig in Deutschland produzieren zu können.
Doch laut Managing Director Luckhardt markieren die bislang mittels Automatisierung erreichten Erfolge lediglich den Anfang: „Natürlich setzen wir für die Zukunft auf Wachstum und somit auch auf einen weiteren Anstieg unserer Produktivität und einen noch nie erreichten Qualitätsindex im Hinblick auf unsere Produkte. Hierbei handelt es sich natürlich um einen langfristigen und dynamischen Prozess, für den wir jedoch auf jeden Fall fest mit dem Einsatz weiterer Roboter in zusätzlichen Bereichen unserer Fertigung planen.“
Kontakt
Helmut Schmid
Geschäftsführer und General Manager Western Europe
Universal Robots (Germany) GmbH
München
Tel. +49 89 121 89720
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