Nikolaus Fecht

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Forschung

Eindrücke zur Geschichte
des Lasers

Sein ganzes berufliches Leben lang prägte Prof. Reinhart Poprawe den technologischen Fortschritt in der Photonik und förderte gezielt den Nachwuchs für die Branche. Nun geht der Laser-Visionär im Herbst 2019 in den Ruhestand. 280 Laser-Experten und Wegbegleiter würdigten sein Wirken als Professor der Lasertechnik, seine Verdienste in der Grundlagen- und Auftragsforschung sowie die Vernetzung von Industrie und Wissenschaft.

Die Denkweise der Industrie, die stets auch die Kosten beachtet, ist Poprawe als ehemaligem Geschäftsführer der Thyssen-Laser-Technik GmbH aus Aachen nicht fremd. Bei einem Seminar 1998 geht er auch auf Technik und Wirtschaftlichkeit ein: Ein wichtiges Thema, denn der Laser führt noch ein stiefmütterliches Dasein, obwohl BMW (Laserstart ab 1980) und alle anderen deutschen Automobilhersteller schon lange Lichtstrahlen zur Produktion nutzen.

Im Karosseriebau befanden sich in den Werken deutscher Hersteller knapp über 100 Laser: Rund 70 Systeme waren bei Daimler und BMW im Einsatz, der bayerische Hersteller war stolz auf sein neues 5er-Modell mit elf Metern Laserschweißnaht.

Als Handicap sah die Automobilindustrie die mangelnde Leistung der Lasersysteme. Sie wünschte sich leistungsfähigere Laser mit höheren Wirkungsgraden. Sehr genau hörte der damals neue Leiter des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik (ILT) zu. Als Antwort auf die Wünsche der Automobilisten stellte er den im ILT-Anwendungszentrum entwickelten Prototypen eines CO2-Lasers mit einer Leistung von 40 Kilowatt vor.

Doch seine eigentliche Botschaft klang anders und erstaunte manchen Zuhörer. „Mit der Verfügbarkeit industrieller Diodenlaser ließen sich auch die klassischen Anwendungsbereiche wie Schneiden und Schweißen erreichen und abdecken“, blickte er schon damals visionär in dem kleinen Vorlesungssaal in die Zukunft. „Infrage kommen diodengepumpte Festkörperlaser besonders für den Karosseriebau. Mit mehr als fünf Kilowatt Leistung ließen sie sich sogar direkt am Tailored Blank einsetzen – wegen der geringen Baugröße ohne Glasfaser sogar direkt am Roboterarm.“

Zeitsprung ins Jahr 2006: Zehn Jahre nach seinem Start am Fraunhofer ILT haben sich Poprawes Visionen erfüllt. Anwender und Hersteller trafen sich im noblen Eurogress-Gebäude auf dem Aachener Kolloquium für Lasertechnik (AKL) zum Wissensaustausch in Sachen Lasertechnik. Zwei Tage lang diskutieren mehrere hundert Teilnehmer über einen „Tausendsassa“, der nicht nur schweißt und schneidet, sondern abträgt, repariert, bohrt, poliert, beschichtet und sogar Bauteile druckt. „Laser werden zunehmend nicht mehr als Stand-alone-Lösung, sondern als integrativer Bestandteil eines Fertigungssystems beurteilt“, benannte Poprawe als Veranstalter des AKL den Stand der Dinge.

In Aachen ist auch schon die Rede vom metallischen 3D-Druck, zu dem bereits Dr. Wilhelm Meiners 1996 vom Fraunhofer ILT mit dem ersten Basispatent einen Grundstein gelegt hat. Damals ging es jedoch nur um Plastikdruck und metallisches Sintern. „Ich war kein großer Fan von Kunststoffen, was wahrscheinlich an meiner zehnjährigen Tätigkeit bei Thyssen lag“, erklärte Poprawe später in einem Interview. „Ich wollte Metall in Reinkultur drucken. Die Voraussetzungen waren am Institut bereits vorhanden und dann haben wir das auch gemacht.“ Der Visionär forcierte daher die Weiterentwicklung zum metallischen 3D-Druck. Dazu zählt etwa das Selective Laser Melting (SLM), die heutige Laser Powder Bed Fusion (LPBF).

Poprawe machte seinen Forschern Mut, den Prozess serienreif zu machen. Es gelang ihnen leicht unter einem Institutsleiter, der das Probieren, das Fehlermachen und eventuelle Scheitern nicht nur zulässt, sondern sie dennoch fördert und fordert. In dieser vertrauensvollen Atmosphäre entwickelten sie das LPBF-Verfahren zusammen mit BMW weiter zu einem Prozess, der altbewährte konventionelle Verfahren übertrifft.

Im November 2019 übernimmt der renommierte Laserphysiker Dr. Constantin Häfner die Leitung des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT in Aachen. Foto: Fraunhofer ILT

2018 präsentierte der Autohersteller auf dem AKL-Kongress das nach eigenen Angaben weltweit erste, im Metalldruck serienmäßig hergestellte Bauteil: Das Geheimnis besteht im gleichzeitigen 3D-Druck von mehr als 600 Scharnieren für das Verdeck des Sportcabrios BMW i8 Roadster auf einer Anlage, die den Break-Even für konventionellen Druckguss auf mehr als 60.000 Teile erhöht. Diese Premiere macht Mut, in diese Form der photonischen Produktion einzusteigen. Und es beweist auch, warum Poprawe besonderen Wert darauf legt, dass das ILT ein Institut für Lasertechnik und nicht für Lasertechnologie ist. Seine Begründung: „Technologie ist der Logos, das Wissen darum, wie es geht. Technik hingegen ist das Machen.“

Doch mit dem reinen Machen ist es nicht getan, der Vordenker aus Aachen setzt auch auf eine interdisziplinäre Forschungskultur, die er jahrelang in Reinkultur forciert. Er zählt zu den Mitinitiatoren des RWTH Aachen Campus, in dessen Rahmen er das Cluster Photonik sowie den strategischen Institutsverbund „I3-Integriertes Interdisziplinäres Institut“ ins Leben rief. Im „I3“ kümmern sich 16 Institute aus sechs Fakultäten interdisziplinär auf Grundlagenebene um Fachthemen. „Hier sitzen zum Beispiel Elektrotechniker mit Betriebswirtschaftlern zusammen“, erklärte er kürzlich. „Es wird über den Tellerrand geschaut: Was gibt es außerhalb der eigenen Disziplin? Wie erreiche ich noch mehr Nutzen für die Gesellschaft?“

Future Skills nennt der Künstler Christof Breidenich Poprawe`s Konzept von der interdisziplinären Zusammenarbeit, die er während des Ehrenkolloquiums per „Pixel Painting“ in ein riesiges Gemälde mit Menschen verwandelt, die blaue Linien miteinander verbinden. Doch Poprawe erhält nicht das gesamte Kunstwerk, sondern nur ein „Pixel“. Alle anderen Elemente des Riesenpuzzles werden an die 280 Gäste verteilt, die ihnen im Sinne des ganzheitlich denkenden Visionärs eine gemalte Botschaft vermitteln: „Wir sind Teil eines großen Ganzen.“

Nun geht im Herbst 2019 mit Poprawe ein wichtiger Teil der internationalen Laser-Community. Das bedauern nicht nur viele Wegbegleiter, sondern auch ein anderer „Good Old Fellow“ der Wissenschaftsszene. Es ist Fraunhofer-Präsident Prof. Reimund Neugebauer, der per Videoleinwand zugibt: „Meinem Werben für eine Verlängerung deines Wirkens bei Fraunhofer hast du bisher widerstanden. Aber vergiss nicht: mein Forschungsschwerpunkt war Nachhaltigkeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass deine Fraunhofer-Vita mit der Abgabe der Institutsleitung des ILT nicht beendet sein wird.“

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Petra Nolis

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