Industrie 4.0
Künstliche Intelligenz als reale Hilfe
Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) hat den Handlungsleitfaden „KI in der Produktion – Künstliche Intelligenz erschließen für Unternehmen“ vorgestellt, um den Einsatz der künstlichen Intelligenz in der Produktion voranzutreiben. Der Zusammenschluss deutscher Professoren der Produktionstechnik hat das Standpunktpapier dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) übergeben. Vertreter der Enquête-Kommission „Künstliche Intelligenz“ des Bundestages haben den Handlungsleitfaden in Empfang genommen.
„Als Zusammenschluss führender produktionstechnischer Professoren in Deutschland verfügt die WGP über ein einmaliges Wissen in der Produktion“, berichtet Prof. Jörg Krüger, Initiator und Hauptautor des WGP-Standpunktpapiers, der auch Leiter des Geschäftsfeldes Automatisierungstechnik am Berliner Fraunhofer IPK ist. „Dieses Domänenwissen gab uns die Möglichkeit, gemeinsam mit Unternehmen ein Modell zum methodischen Vorgehen zu entwickeln und der Industrie mit konkreten Handlungsempfehlungen den Einstieg in KI zu erleichtern. Wir wollen damit unseren Teil dazu beitragen, die Industrie auch in diesem Bereich international wettbewerbsfähig zu halten.“
Künstliche Intelligenz soll die deutsche Produktion zukunftsfest machen. „Doch bislang gab es keinen systematischen Ansatz, mit dem das produzierende Gewerbe dieses Potenzial heben könnte“, erläutert Krüger seine Motivation. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen verfügen in der Regel nicht über die notwendigen finanziellen und personellen Kapazitäten, KI-Technologien in ihre Produktion zu integrieren.
Unterstützung der Politik
„Wir freuen uns sehr, unser umfangreiches Wissen aus Forschung und praktischen Umsetzungsprojekten den Abgeordneten und Sachverständigen der Enquête-Kommission zur Kenntnis geben zu können“, betont Prof. Berend Denkena, Präsident der WGP. „Wir hoffen damit, neben Unternehmen auch Politik und Gesellschaft auf die großen Potenziale der KI in der Produktion aufmerksam zu machen und aufzuzeigen, wie in Zukunft auch Produkte in sehr kleinen Stückzahlen wirtschaftlich hergestellt werden können.“
Mitglieder der Enquête-Kommission Künstliche Intelligenz des Bundestages haben gestern (18. September 2019) den neuen Handlungsleitfaden „KI in der Produktion – Künstliche Intelligenz erschließen für Unternehmen“ der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) in Empfang genommen (von links: Prof. Jürgen Fleischer, wbk KIT; Dr. Martin Krzywdzinski, WZB Berlin; Dr. Florian Butollo, WZB Berlin, Mitglied der Enquête-Kommission KI; Falko Mohrs, Bundestagsabgeordneter SPD-Fraktion und Mitglied der Enquête-Kommission KI; Prof. Berend Denkena, WGP-Präsident, Leiter IFW Hannover. Foto: Udo Schnell
Aus politischer Sicht betrachtet, müssen die notwendigen finanziellen Randbedingungen geschaffen werden, damit dieses KI-Wissen insbesondere in den vielen kleinen und mittelständischen Produktionsbetrieben ankommt und dort wertschöpfend eingesetzt wird. „Hierzu müssen Weiterbildungsformate der beteiligten Universitäten und Fachhochschulen kraftvoll kreiert und schnell in die Breite gebracht werden“, fordert Denkena. „Dies gilt auch über die künstliche Intelligenz oder die Digitalisierung hinaus. Zur Unterstützung der schnellen Umsetzung von Wissen aus der Forschung in die Unternehmen müssen Hochschulen auch von ihrem Selbstverständnis wegkommen, von einer gefühlten Erstbefüllung junger Menschen hin zu Weiterbildungsanbietern, die das lebenslange Lernen intensiv und regelmäßig fördern. Die notwendigen Finanzierungsfragen sollten schnell geklärt werden, sonst läuft uns die Zeit davon. Die vom BMWi deutschlandweit geförderten Kompetenzzentren Digitalisierung sind sehr gute Beispiele, jedoch müssen wir wegkommen von projektgebundenen Förderformaten, da es sich bei der wissenschaftlichen Weiterbildung um Daueraufgaben der Hochschulen handeln muss.“
Den Prozess im Fokus
Publikationen zur KI gibt es bereits viele. Von diesen hebt sich das WGP-Standpunktpapier jedoch in einem wesentlichen Punkt ab: „Wir verfolgen erstmals einen nicht datengetriebenen, sondern einen prozessgetriebenen Ansatz“, bringt es Krüger auf den Punkt. „Das macht einen großen Unterschied. In aller Regel schauen Unternehmen nach den Daten, die sie gesammelt haben und versuchen daraus, neue Erkenntnisse und damit neue Wertschöpfung zu erzielen. Wir schauen uns dagegen die Prozesse an, die wir sehr genau kennen. Daraus leiten wir ab, wo wir gezielt Daten erfassen müssen und wo KI gezielt eingesetzt werden kann, um Prozesse zu optimieren. Damit wird die Integration von KI in die Produktion deutlich effizienter. Nicht zuletzt birgt der neue Ansatz einen spezifisch deutschen Wettbewerbsvorteil, denn genau mit diesem Prozesswissen heben wir uns von der internationalen Konkurrenz ab.“
Die WGP will laut Prof. Berend Denkena, Präsident der WGP, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover, Unternehmen, Politik und Gesellschaft auf das Potenzial der KI in der Produktion aufmerksam machen. Foto: IFW Hannover
Initiator und Hauptautor des Standpunktpapiers ist Prof. Jörg Krüger, Leiter des Geschäftsfeldes Automatisierungstechnik am Fraunhofer IPK. Foto: Fraunhofer IPK
Foto: Poobest/Adobe Stock
So werden schon heutzutage frappierende Leistungssteigerungen etwa in der Bilderkennung mittels neuronaler Netze erzielt. Mithilfe von KI-Technologien können Maschinen Bilder mitunter schneller erkennen als das menschliche Auge. „In der Bilderkennung können die neuen Methoden schon heute die Wertschöpfung deutlich erhöhen.“
Durch Prozesswissen gelingt es beispielsweise, gezielt Potenziale zur Assistenz des Menschen zu identifizieren, bei denen die rein datengetriebene Perspektive aufgrund geringer Datenmengen keine Lösungsoptionen aufzeigt. Ein Beispiel ist die automatisierte Bauteilerkennung in der Intralogistik, bei der große Bilddatenmengen häufig erst über Jahre entstehen und dennoch bei sorgfältiger Analyse der Prozesse und darauf aufbauender gezielter Datengewinnung schon nach kurzer Zeit leistungsfähige Assistenzfunktionen bereitgestellt werden können.
Beherrschbare Schritte
Ein sehr häufig genanntes Anwendungsbeispiel von künstlicher Intelligenz beziehungsweise von maschinellem Lernen – einem Teilbereich der KI – sind die vorausschauende Wartung und Instandhaltung von Maschinen und Anlagen.
„Diese sogenannte Predictive Maintenance allein birgt schon enormes Einsparungspotenzial. Doch sie macht nur einen kleinen Teil des gesamten Spektrums möglicher Anwendungen aus“, weiß Krüger. Das zeigen 20 Projekte aus der WGP-Forschung. „Die im Standpunktpapier präsentierten Beispiele helfen Unternehmen, eine ganze Bandbreite von KI-Technologien zielgerichtet einzuführen, um ihre Prozesse, Maschinen und Anlagen effizienter zu machen.“
Dass künstliche Intelligenz ein riesiges Wertschöpfungspotenzial für das produzierende Gewerbe birgt, zeigen mehrere Untersuchungen. Eine 2018 veröffentlichte Studie im Auftrag des BMWi sagt für diesen Sektor bis zum Jahr 2023 ein zusätzliches, KI-induziertes Wachstum von 31,4 Milliarden Euro voraus. Mit dem WGP-Standpunktpapier können selbst kleine Unternehmen konsequent und gleichzeitig in beherrschbaren Schritten diese Potenziale für sich heben.
Kontakt
Gerda Kneifel
WGP – Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik
Frankfurt am Main
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