Messe
Trends in der Schleif- und Werkzeugschleiftechnik
E-Mobilität, Digitalisierung und Automatisation gehören zu den Trends, die Anwender der Schleiftechnik bewegen. Aussteller der Fachmesse GrindingHub und Experten aus der Forschung geben Einblicke in aktuelle Technologien dieser besonders anspruchsvollen Branche, die sich erstmals vom 17. bis 20. Mai 2022 in Stuttgart zur GrindingHub versammelt. Die Produktshow wird zum neuen Zentrum für die Schleiftechnik.
Ausgerichtet wird die GrindingHub künftig im Zweijahresturnus. Der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW), Frankfurt am Main, in Kooperation mit der Messe Stuttgart und in ideeller Trägerschaft des Industriesektors „Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik“ von Swissmem (Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie) sind die Träger.
Die Schleiftechnik gehört in Deutschland zu den Top-4-Fertigungsverfahren innerhalb der Werkzeugmaschinenindustrie. 2020 hat die Branche Maschinen im Wert von 870 Millionen Euro produziert. Fast 80 Prozent gingen in den Export, davon etwa die Hälfte ins europäische Ausland. Die größten Absatzmärkte sind China, die USA und Frankreich. Unter den Top-Produzenten führen Deutschland, Japan und die Schweiz die Weltrangliste an. Weltweit produzierte die Schleiftechnik 2019 Maschinen im Wert von 4,9 Milliarden Euro.
Trends im Antriebsstrang
Die E-Mobilität verändert den gesamten Antriebsstrang im Auto. Getriebeteile müssen immer präziser, leichter und robuster sein. Die Liebherr-Verzahntechnik GmbH hat sich intensiv mit den Anforderungen der E-Mobilität auseinandergesetzt. Methoden zur Flankenlinienmodifikation minimieren die Geräuschentwicklung und optimieren Traglasten. Dafür kann das Wälzschleifen mit abrichtfreien CBN-Schleifschnecken eine wirtschaftliche Alternative gegenüber Korundschleifschnecken sein. Es ist prozesssicher, ermöglicht lange Werkzeugstandzeiten und deutlich reduzierte Mess- und Prüfaufwände.
Für die Fertigung der filigranen E-Bike-Getriebeteile müssen Schleifprozess und Spanntechnik schnell und hochpräzise sein. Mit speziellen Spannlösungen lassen sich auch kleine und kollisionskritische Bauteile problemlos bearbeiten. Optimalen Rundlauf und hohe Reproduzierbarkeit erzielt das exklusive Liebherr-Maschinenkonzept mit einer Ein-Tisch-Lösung – für die Fertigung von Teilen mit Qualitätsanforderungen im Mikrometer-Bereich. Die Wahl des passenden Verfahrens hängt immer von den spezifischen Anforderungen ab. Liebherr kann sämtliche Prozessparameter auf eigenen Versuchsmaschinen testen. „Oft gibt es kein Richtig oder Falsch“, erklärt Dr. Andreas Mehr, Experte für das Verzahnungsschleifen. „Als Partner und Lösungsanbieter beraten wir den Kunden und zeigen ihm Alternativen auf, damit er am Ende die optimale Entscheidung treffen kann – gerne auf der GrindingHub 2022.“
Foto: VDW
Foto: Studer
Prozessmonitoring in Echtzeit
Getriebe für E-Autos sind zwar einfacher aufgebaut als bei konventionellen Verbrennern, sie stellen aber weit höhere Anforderungen an die Fertigungsgenauigkeit der Zahnräder. Neben Drehzahlen von 16.000 Umdrehungen pro Minute liefern E-Motoren über einen breiten Drehzahlbereich ein konstantes Drehmoment. Zudem gibt es eine weitere Randbedingung, verdeutlicht Friedrich Wölfel, Leiter Maschinenvertrieb bei Kapp Niles: „Ein Verbrennungsmotor maskiert die Getriebegeräusche. Ein Elektromotor ist dagegen nahezu lautlos. Bei Geschwindigkeiten ab etwa 80 Stundenkilometern sind die Abroll- und Windgeräusche der dominierende Faktor, unabhängig vom Antriebsstrang. Aber im Bereich darunter können sich bei E-Fahrzeugen die Getriebegeräusche störend bemerkbar machen.“
Für die Feinbearbeitung dieser Bauteile bedeutet es, einen gleichermaßen produktiven und vor allem auch hinsichtlich des Geräuschverhaltens der geschliffenen Verzahnungen optimierten Wälzschleifprozess zu realisieren. Zu vermeiden sind dabei vor allem „Geisterfrequenzen“, die durch ungünstige Maschinen- und Prozessauslegung beim Schleifen in das Bauteil eingebracht werden können.
Weil beim Wälzschleifen die Bearbeitung eines Zahnrads wesentlich weniger Zeit beansprucht als die Kontrollmessung, können nicht 100 Prozent aller Bauteile geprüft werden. Der Ansatz ist daher, mögliche Fehler schon während des Schleifens zu bemerken. Prozessmonitoring heißt das Stichwort.
„Wir haben in der Maschine bereits zahlreiche Sensoren und Messsysteme, die uns viele Signale und Informationen liefern“, erklärt der Leiter Vorentwicklung Achim Stegner. „Diese werden wir dazu einsetzen, den Bearbeitungsprozess und damit das zu erwartende Qualitätsniveau jedes einzelnen Zahnrads in Echtzeit direkt in der Wälzschleifmaschine zu beurteilen. Für geräuschkritische Bauteile lässt sich damit eine Ordnungsanalyse ähnlich einem End-of-Line-Prüfstand erstellen. Verzahnungsschleifen leistet damit zukünftig einen wesentlichen Mehrwert zur Absicherung der Qualitätsanforderungen dieser Bauteile. Als Aussteller auf der GrindingHub freuen wir uns über das innovative Konzept der Messe.“
Simuliertes Werkzeugschleifen
Die Herausforderungen besonders im Bereich des Werkzeugschleifens nehmen zu. Zum einen werden immer mehr Sonderwerkzeuge in kleinen Losgrößen hergestellt, sodass die Prozessauslegung bis zum ersten Gutteil wirtschaftlich immer relevanter wird. Zum anderen gilt es, bestehende Serienprozesse in Bezug auf ihre Robustheit und Produktivität kontinuierlich zu optimieren, so dass diese auch in Hochlohnländern gegenüber dem Wettbewerb bestehen können.
Das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) in Hannover verfolgt mehrere Forschungsansätze. Im ersten Schritt wird durch die simulative Abbildung des Werkzeugschleifprozesses die Prozessauslegung unterstützt. Dabei erlaubt die Simulation bereits vor der Fertigung des ersten Präzisionswerkzeugs eine Vorhersage der prozesskraftbedingten Abdrängung der geschliffenen Rohlinge, so dass diese beim Schleifen kompensiert und die resultierenden geometrischen Abweichungen vermieden werden.
Eine Analyse der am Schleifwerkzeug auftretenden Belastung wird vorgenommen. Dadurch lässt sich die Prozessplanung an das verwendete Schleifwerkzeug anpassen. Dieser Schritt verbessert das Bearbeitungsergebnis und minimiert die Fertigung von Ausschussteilen. „Um die gesteigerte Bearbeitungsgüte auch bei höheren Stückzahlen beizubehalten, wurde in der Werkzeugmaschine zudem laserbasierende Sensorik zur Messung der Schleifscheibentopographie verbaut“, erläutert Prof. Berend Denkena, der geschäftsführende Leiter und Vorstandsmitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP). „Die Sensorik gestattet eine kontinuierliche Bewertung des Schleifwerkzeugzustands und kann somit für prozessspezifisch angepasste Abrichtintervalle eingesetzt werden. Verschleißbedingte Abweichungen der Werkstückgeometrie und damit einhergehender Ausschuss sind somit vermeidbar.“
Automation und Digitalisierung
„Die Entwicklungsdynamik innerhalb der Schleiftechnik hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Dafür sind die Fortschritte der Digitalisierung maßgeblich verantwortlich“, erläutert Dr. Stefan Brand, Geschäftsführer der Vollmer-Gruppe, Biberach. „Wir nutzen die Digitalisierung seit Jahren für die Automatisierung und Datenanalyse und haben eigens ein IoT-Gateway entwickelt, das wir mit immer mehr Daten füttern. Jüngster Trend für die Schleiftechnik ist die weitere Integration von Prozessdaten. Mit diesem Wissen kann der Anwender interessante Erkenntnisse gewinnen, um den Schleifprozess zu optimieren. Die Reise in die digitale Zukunft entwickelt sich ständig weiter: Wir sehen den Trend, dass die Verzahnung der klassischen Schleiftechnologie mit digitalen Funktionen nicht nur den Schleifprozess selbst beeinflusst, sondern auch den Markt der Schleiftechnik verändert. Ob Schärfdienst, Werkzeughersteller oder weltweit agierendes Fertigungsunternehmen – digitale und automatisierte Prozesse werden als Hebel für die Optimierung genutzt. Diese Entwicklung ist ein Grund, weshalb sich die neue Messe GrindingHub neben den Bereichen Technologie und Prozesse sowie Produktivität auch auf Automation und Digitalisierung in der Schleiftechnik konzentriert. Deshalb begrüßen wir es, dass wir unsere Schleiftechnik einem internationalen Publikum präsentieren können.“
Kontakt
Tobias Beckmann (Autor)
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
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Dag Heidecker
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