Industrie 4.0
Die Dreherei der Zukunft
Was veranlasst einen Automationsexperten die traditionelle Dreherei vollkommen umzukrempeln? Da ist zum einen der disruptive Ansatz zu neu gestalteten Abläufen im Kontext von Industrie 4.0. Zum zweiten gibt es ein neues Drehmaschinenkonzept im Durchmesserbereich kleiner 80 Millimeter. Historisch neu, ist das nicht etwas zu hoch gegriffen? Die Demofabrik-Z4 in Werdohl zeigt den Stand der Produktionstechnik und die Möglichkeiten neuer Technologien. Automatisierung und Vernetzung stehen im Mittelpunkt.
In Südwestfalen steht das SALA-Vorführzentrum Deutschland. Mit Übernahme der Vertretung der Drehmaschine Linea Spindel musste Uli Remmel über eine neue Form der Intralogistik nachdenken. Denn der Mehrspindler arbeitet nicht von der Stange, sondern alle Werkstücke werden vereinzelt und in weniger als zwei Sekunden in die vertikal angeordneten Spindeln eingelegt. Das gilt auch für alle kalt- oder warmumgeformte Teile. Nicht wie die Drehereien es gewohnt sind, dass die Schneide zum Werkstück fährt, sondern hier geht es umgekehrt. Die Spindel wird an die Schneide geführt. Die Spindel kann bei den kurzen Teilen mit einer Drehzahl von 8000 Umdrehungen pro Minute hohe Schnittgeschwindigkeiten erzielen.
Der Vorteil: Es entsteht keine Vibration in der Spindel beziehungsweise am Werkstück. Die Werkzeughalter sind am Maschinenbett befestigt und bewirken eine weitaus höhere Steifigkeit, was sich direkt auf die Standzeit der Schneidwerkzeuge auswirkt. Das Merkmal, das besonders heraussticht, ist die Rüstzeit von etwa 15 Minuten.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, auf den zwei Spindelpaaren sortenunrein zu fertigen oder parallel zu rüsten. Für die Einrichtung der Maschine wird nicht mehr unbedingt Personal mit der Qualifikation „Mehrspindler“ benötigt, sondern es kann aus dem größeren Angebot der CNC-Einrichter ermittelt werden. Im Blick auf Ressourcen spielen alle genannten Faktoren passend in diese Zeit.
Neue Sicht auf Drehteilefabrikation
Bei vielen Kundengesprächen wurde zunächst geblockt: Nein, wir arbeiten von der Stange. So wurde im Blick auf Taktzeit argumentiert. Der Prozess von der Stange, nämlich Abstechen, Stangenvorschub und weiter gehts, das sei nicht zu toppen. Das hat Remmel veranlasst, gründlich über den gesamten Prozess nachzudenken.
Seine Expertise aus der Automatisierung, gepaart mit Zerspanungskompetenz und dne Erfahrungen von Sala mit den bisher verkauften Drehmaschinen, brachten ihn auf eine vollkommen neue Fabrikbetrachtung.
Merkmale begeistern Planer
Kein Transport mehr von meterlangen Stangenbündeln durch die Halle, sondern ein intelligenter Transport der Rohteile zur rechten Zeit an den richtigen Ort. Erheblich mehr Sauberkeit, mehr Platz. Mehr Flexibilität durch kurze Rüstzeiten. Hier entsteht im Blick auf Industrie 4.0 eine digitale Fabrik mit Datentransfer hin wie her.
Daten werden direkt aus den Maschinen erfasst, um Prozesse zu regeln und zu steuern. Das bedeutet die durchgängige Automatisierung der Zerspanung. Werkstück- und Wechselteilelogistik, Bestückung der Drehmaschine mit integrierten Pre- und Postprozessen. Späne- und QS-Management. Digitalisierte 4.0-Zerspanung wird Realität.
Für Einlegeteile ist der Mehrspindler mit 4 vertikalen Spindeln geeignet. Fotos: Remmel
Das Spannsystem ermöglicht kurze Rüstzeiten.
Für komplexe Geometrien sind sowohl statische wie auch angetriebene Werkzeuge vorhanden.
Eine gute Zugänglichkeit zur Maschine unterstützt flexibles Rüsten.
Die Drehmaschine im Vorführzentrum Werdohl findet viel Aufmerksamkeit.
Analyse und Planung der Prozesse werden von der 3D-Simulation unterstützt.
Vorbereiter für die Konzeptdreherei
Die Werkzeuge, um die Dreherei der Zukunft zu planen, sind vorhanden. Remmel entwickelt gemeinsam mit Unternehmen ihre smarte Dreherei. Unterstützt wird die Planung durch die Demofabrik-Z4, die seit 2021 in Betrieb ist. Realisiert werden kann die Dreherei für Neubauten oder Immobilienbestand. Ein wesentliches Merkmal ist die Beteiligung der Menschen an dem Transformationsprozess. Ohne Beteiligung aus allen Ebenen, sind die Projekte dem Risiko zu scheitern ausgesetzt.
Eine skalierbare Variante der neuen Dreherei der Zukunft zeigt eine 3D-Simulation. Sie liefert Laufzeiten, Prozessstatistik, Intralogistik, Toolmanagement oder Automatisierung. Gestützt wird die Projektierung durch eine umfangreiche Anbieterdatenbank.
Besucher in Werdohl erleben nicht nur die Linea Spindle, sondern sie können sich noch gleichzeitig über die Schulungs- und Demofabrik informieren. Dort wird exemplarisch der vollkommen digitalisierte und automatisierte Wertstrom einer Ritzelwelle gezeigt, bei Losgröße eins bis 200.
Digitalisierung, Automatisierung und ein neues Maschinenkonzept waren der Mix, der Remmel veranlasste, die bisherigen Prozesse rund um die Drehmaschine neu zu bewerten. Die „Dreherei der Zukunft“ ist auch auf andere Maschinenkonzepte übertragbar.
Kontakt
Uli Remmel
Autor, Speaker, Technologieberater
REMMEL Consulting GmbH
Werdohl
Tel. +49 2392 9383-12
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