Rainer Lotz

Renishaw

Kontaktdaten

Titelinterview

3D-Druck und KI sind wie füreinander geschaffen

Additive Fertigung und künstliche Intelligenz (KI) ergänzen sich ideal, wie Rainer Lotz erklärt. Er ist Vorsitzender des Ausstellerbeirats der Formnext und President EMEA bei Renishaw in Pliezhausen. Der 3D-Druck sei ein logisches Einsatzgebiet für KI, erläutert Lotz im Interview mit dem IndustryArena eMagazine. Renishaw, ein Messtechnik-Unternehmen, ist vor fast zwei Jahrzehnten in den Bereich der additiven Fertigung eingestiegen und bietet seit rund zehn Jahren eigene 3D-Drucker an. Zur Formnext, die vom 19. bis 22. November in Frankfurt stattfindet, erweitert das Unternehmen seine modulare Druckerserie um eine Version mit Einzel-Laser. Die Hoffnungen auf Impulse durch die Fachmesse sind groß; laut Lotz bieten Messen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oft spannendere Möglichkeiten als während eines Aufschwungs.


Welchen Reifegrad hat die additive Fertigung ihrer Einschätzung nach erreicht?

Lotz:

Wenn man die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre anschaut, hat die additive Fertigung mittlerweile einen sehr hohen Reifegrad erreicht. Das heißt, sie ist aus dem Stadium der Prototypen herausgekommen. Damals wurden in Forschung und Lehre viele Dinge ausprobiert. Jetzt finden wir die additive Fertigung sehr gut in die normale Produktion integriert. Dabei sind einige Vorgaben zu beachten, beispielsweise beim Produktdesign oder in der Konstruktion. Verfahrensgerechte Konstruktion ist hierbei das Stichwort.

Ein großes Manko war in den Anfängen die Umsetzung der Serienproduktion. Wie ist der Stand der Automatisierung aktuell?

Lotz:

Im Idealfall habe ich einen vollautomatisierten Prozess, der die Produkte noch während des Prozesses auf Qualität prüft und idealerweise in einem Closed-Loop-Prozess die Parameter derart korrigiert, dass keinerlei Ausschuss entsteht. In der Art und Weise, wie wir heute Automatisierung in den klassischen Fertigungsbereichen verstehen, sind wir bei der additiven Fertigung noch nicht. Oft haben wir es mit schwierigen, reaktiven Materialien in Pulverform zu tun. Das ist nach wie vor eine Herausforderung im Umgang. Zwar gibt es mittlerweile Prozess-Monitoring bei der additiven Fertigung, das zu riesigen Datenmengen führt, aber die Verwendung dieser Daten und die daraus resultierende Kontrolle sind noch nicht ausreichend entwickelt. Zusammenfassend möchte ich sagen, dass es für die Automatisierung Hilfen gibt, aber der Automatisierungsgrad der klassischen Fertigung bei weitem noch nicht erreicht ist.

Gedruckte Fahrradkurbeln: Mehrere Hersteller arbeiten bereits mit additiv hergestellten Fahrradkurbeln. Das Potenzial für Leichtbau und Leistungsoptimierung ist groß. Fotos: Renishaw

Was schätzen Sie, wann werden wir diesen Punkt erreichen?

Lotz:

Viele Hersteller arbeiten an der nächsten Generation ihrer Anlagen. Themen wie die Säuberung der Teile oder schnelle Entnahme und Abkühlzeiten sowie Qualitätsinspektion werden einen Schritt weiter sein. Auch das Monitoring entwickelt sich gut. Zukünftig hilft sicherlich auch künstliche Intelligenz, die Daten umgehend auszuwerten und Produktionsparameter automatisch anzupassen. Ich schätze, in drei Jahren sehen wir den nächsten Schritt mit einem erheblichen Fortschritt für die Automatisierung und Prozesskontrolle bzw. Steuerung.

Dem Anschein nach überschwemmen neue Materialien für die additive Fertigung den Markt. Wie kann man den Überblick behalten?

Lotz:

Absolut. Zwar erwarteten vor etwa 15 Jahren einige Beratungsunternehmen eine Verdrängung der spannenden Verfahren. So ist es nicht gekommen. Ich erinnere mich auch noch an einen Artikel, in dem beschrieben wurde, dass sich die Logistik darauf einstellen muss, dass keine Teile mehr zentral produziert und transportiert würden, sondern nur noch Daten um die Welt geschickt werden. Der Zylinderblock würde dort gedruckt, wo er gerade gebraucht wird. So ist es natürlich nicht gekommen, aber dieses Werkzeug hat sich seinen Platz als ergänzende Fertigungstechnologie erobert. Es ermöglicht ein ganz neues ergonomisches Produkt-Design und neue konstruktive Lösungen, die beispielsweise Festigkeit und Leichtigkeit miteinander optimal verbinden. Inzwischen haben immer mehr Ingenieure gelernt, mit der Technik umzugehen und die Vorteile in der Konstruktion und dem Fertigungsprozess bestens zu nutzen. Wir sehen heute die additive Fertigung als Standard im Bereich Medizintechnik, insbesondere dort, wo es um eine Individualisierung der Produkte geht. Zudem komme ich sehr viel schneller zum Endprodukt, wo schnelle Veränderungen gefordert sind. Diese Technik ist nicht mehr wegzudenken und ein fester Bestandteil der modernen Fertigung geworden. Allerdings benötigen wir noch viel mehr Leute in der klassischen Produktion, die die Möglichkeiten additiver Fertigung im Hinterkopf haben und die jeweilige Fertigung darauf hin prüfen, um Komponenten zu entdecken, die man mit additiver Fertigung besser und effizienter herstellen kann. Der additive Prozess wird weiterhin innerhalb der modernen Produktion wachsen. Davon bin ich überzeugt.

Welche Branchen profitieren am meisten von der Additiven Fertigung?

Lotz:

Die Medizintechnik ist eine wichtige Branche, insbesondere natürlich der Dentalbereich. In der Luftfahrt sind es oft kleinere Teile, die ich ökonomisch designen kann. Dort ist oft die Gewichtseinsparung entscheidend. Zudem sind Materialien wie Titan oder Inconel gut verarbeitbar. Auch die Verteidigungsindustrie nutzt in vielen Produktbereichen additive Fertigung. Das gilt auch für die Ersatzteilbeschaffung, wo additive Fertigung Vorteile durch die extreme Flexibilität aufweist. Ein Bereich, der früh mit dabei war, aber jetzt zurückfiel, ist die Automobilindustrie. Daran sieht man, dass Faktoren wie die geplante Transformation der Industrie ein innovatives Thema auch verschleppen können.

Wird in der additiven Fertigung künstliche Intelligenz genutzt?

Lotz:

Wir sind in einem sehr frühen Stadium, aber additive Fertigung und künstliche Intelligenz sind eigentlich wie füreinander geschaffen. Um den komplexen Prozess mit vielen Variablen komplett zu beherrschen, gehe ich in der additiven Fertigung mit riesigen Datenmengen um. Die Datenmengen kann ich am besten nutzen, wenn ich sie mit künstlicher Intelligenz analysiere und die Hilfe von passenden Algorithmen nutze. Beispielsweise in der Qualitätssicherung helfen Algorithmen, anormale Entwicklungen zu erkennen und am besten gleich in den Prozess einzugreifen. Ich sehe darin ein logisches Anwendungsfeld für KI, aber wir sind noch in einem frühen Stadion.

Im Pulverbett hat Renishaw nach eigenen Angaben als erstes Unternehmen vier voll flexible Laser in einer Maschine mit kleinstem Footprint eingesetzt.

Um welche Art von künstlicher Intelligenz handelt es sich?

Lotz:

Die Basis ist die analytische KI. Sie muss sozusagen erkennen, was los ist, und auch die Schemata dahinter erkennen und nahezu in Echtzeit eingreifen. Wenn ich komplette Stabilität im Prozess habe, geht es darum, wie kann ich den Prozess optimieren, ohne manuell einzugreifen, und somit exakt definierte Teileeigenschaften herstellen.

Lassen Sie uns einen Blick auf Renishaw werfen. Wo steht das Unternehmen im Bereich Entwicklung der additiven Fertigung?

Lotz:

Wir bedienen sehr viele Branchen mit ganz unterschiedlichen Systemen, Services und Lösungen. In einigen Ländern sehen wir generell momentan eine größere Zurückhaltung beim Kauf von Investitionsgütern, unter die auch additive Systeme fallen. Dies ist der wirtschaftlichen Lage und der generellen Unsicherheit in vielen Industrien geschuldet. Es gibt dennoch genügend Projekte, was sicherlich auch während der Formnext sichtbar werden wird.


2006 waren wir noch ausschließlich Anwender sowohl im Metall- als auch im Kunststoffbereich. 2011 wurden wir zum Hersteller von additiven Systemen und haben dann gelernt, dass wir uns fokussieren müssen, um leistungsfähige Systeme in den Markt zu bringen. Bei Renishaw haben wir den Anspruch mit unseren Produkten und Lösungen zu den Marktführern zu gehören. Durch unsere Innovationen sind wir in vielen Branchen weltweit die Nummer Eins in industrieller und analytischer Messtechnik und auch in bestimmten Teilen der additiven Industrie. Man kann sich nicht allen Themen und Märkte, gerade in der additiven Industrie, zugleich annehmen.


Gemessen an der Gesamtindustrie ist die additive Fertigung eine Nische. Innerhalb dieser Nische haben wir den Bereich ausgesucht, in dem wir den größten Mehrwert für die Anwender erzielen. Wir haben eine Plattform, die hoch produktiv ist. Produktivität und Nachhaltigkeit treiben uns an. Darauf zielen unsere Neuerungen jedes Jahr ab. Wir wollen kontinuierlich die Kosten pro Teil reduzieren. Mehr Anwendungen in der klassischen Produktion kommen dann für additive Lösungen in Frage. Im Pulverbett haben wir als erster vier voll flexible Laser in einer Maschine mit kleinstem Footprint eingesetzt. Im vergangenen Jahr haben wir die Software Tempus vorgestellt. Damit haben wir im Prinzip beim Auftragen des Pulvers keine Wartezeiten mehr. Pulverauftrag und Schmelzen gehen ineinander über. Damit eliminieren wir unproduktive Zeiten. Auch der Umgang mit dem Pulver ist uns ein Anliegen. Der Pulverkreislauf ist wichtig. Wir wollen das Pulver schützen, vor allem reaktive Pulver wie Titanium. Für uns war die Wiederverwendbarkeit von teuren Materialien immer wichtig. Unsere drei entscheidenden Faktoren sind Produktivität, Nachhaltigkeit und Stabilität im Prozess. Dadurch haben wir unseren Platz in der Branche gefunden und sind mit der Entwicklung sehr zufrieden.

Die Renishaw-Software Tempus ist für alle Maschinen erhältlich. Sie kann auch nachgerüstet werden. Damit entfällt die nichtproduktive Zeit beim Auftrag des Pulvers.

Was bringt Renishaw zur Formnext mit?

Lotz:

Ein weiterer Ausbau unserer Plattformen wird zu sehen sein. Bei der 500er-Serie bringen wir eine Maschine mit Dual-Laser. Mit einzel- und vier Lasern gab es sie bereits. Die ganze Serie ist darauf ausgerichtet, dass alles modular und nachrüstbar ist. Es gibt weiter eine Maschine mit geschlossenem Pulverkreislauf für die Serienproduktion und eine Maschine mit offenem Pulverkreislauf eher für die Parameterentwicklung und regelmäßigen Materialwechsel gedacht. Die Software Tempus ist für alle Maschinen erhältlich, und sie kann auch später nachgerüstet werden. Mit der Plattformstrategie mit zusätzlichem Zubehör bekommt unser Kunde die maximale Flexibilität und Zukunftssicherheit. Einfache Kalibrierwerkzeuge für das System und eine weitere Optimierung der Software, um im Bauprozess höchste Präzision und mit immer weniger Stützen auszukommen kommt dazu, um so Material sowie Bauzeit zu sparen und jeglichen Ausschuss zu eliminieren.

Wie sind die Erwartungen des Ausstellerbeirats an die Messe?

Lotz:

Die Messen in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten sind oftmals viel interessanter als während der Phasen, in denen Unternehmen unter Volllast fahren und keiner Zeit oder Ressourcen für neue Projekte hat. Deshalb gehe ich davon aus, dass es eine hochinteressante Messe sowohl für Aussteller als auch Besucher wird. Die Anzahl der Aussteller ist sehr gut. Es wird eine inhaltsreiche Messe. Ich bin sicher, dass Besucher angeregt werden, um mit den neuen Technologien und Lösungen ihre eigene Produktion optimieren zu können. Insbesondere in Zeiten, in denen es nicht so gut läuft, muss ich den Schwerpunkt auf Optimierung und Erhöhung legen, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Daher erwarte ich als Ausstellerbeirat einen Besucherandrang und viele hoch interessante Gespräche. Dazu trägt auch die gute Zusammenarbeit zwischen Ausstellern und der Messegesellschaft Mesago bei, um eine hochinteressante Veranstaltung anzubieten.

Video: Tempus - Renishaw

Wo steht Deutschland im Blick auf die additive Fertigung?

Lotz:

Was wir uns fragen müssen,
Die additive Industrie ist insbesondere in Zentraleuropa und zu einem großen Teil in Deutschland entwickelt worden. Manchmal frage ich mich, warum unsere Standortpolitik es nicht schafft, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass ein Vorsprung in Technologie zentral in Deutschland zu Ansiedlungen von Unternehmen und Wachstum von neuen Industrien führt. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Standorts, um attraktiv für neue Technologien zu sein, ging hierzulande komplett verloren. Manchmal kann man vielleicht anhand einer kleinen Branche erkennen, was an einem Standort generell schief läuft. Ich bin der Meinung, dieser Dinge müssen wir uns annehmen. So eine Messe könnte eine gute Plattform sein, um alle Parteien zusammenzubringen und gemeinsam additive Fertigung zu einer Wachstumstechnologie zu verhelfen. Diese Diskussion sollten wir führen, damit unsere Stärken besser zur Geltung kommen und wieder zu wachsenden Industrien führen.

Das Interview führte Georg Dlugosch,
Chefredakteur, IndustryArena eMagazine

www.renishaw.com

Kontakt

Rainer Lotz

President EMEA
Renishaw GmbH
Siebnen (Schweiz)
Tel. +49 173 679 8101

E-Mail senden