Um dem Bedarf an Nutzfahrzeugen gerecht zu werden, entstand in Deutschland ein Produktionsnetzwerk aus Zuliefernden und Erstausrüstenden („Original Equipment Manufacturer“, kurz: OEM), welches gemeinsam mit Transportunternehmen die gesamte Wertschöpfungskette abbildet. Dieses Produktionsnetzwerk konnte sich als Schlüsselbranche der deutschen Wirtschaft etablieren. Jedoch wird die Produktion von Nutzfahrzeugen zu einer immer anspruchsvolleren Aufgabe: Kürzer werdende Innovationszyklen für qualitativ hochwertige und komplexe Produktlösungen sowie eine steigende Vielzahl an Modell- und Ausstattungsvarianten lassen die zukünftigen Herausforderungen für die Herstellenden und Zuliefernden erahnen. Gleichzeitig steigen die Qualitätsanforderungen der Kundinnen und Kunden an die Nutzfahrzeuge, was sich wiederum in den Wünschen nach einer hohen Leistungsfähigkeit, einem geringen Verbrauch und einer hohen Lebensdauer bzw. Verfügbarkeit der Fahrzeuge widerspiegelt.
Die zunehmende Digitalisierung in der Nutzfahrzeugindustrie kann bei der Lösung dieser Herausforderungen Abhilfe schaffen und den Herstellenden einen Ausweg aus der sich zuspitzenden Anforde-rungssituation aufzeigen. Durch den Einsatz entsprechender IT- und Softwarelösungen wird die Produktnutzung immer enger in die Systeme der Wertschöpfungskette eingebunden. Die effiziente Nutzung und Verkettung der resultierenden Fahrzeugdaten und des bestehenden Prozess- und Fehlerwissens wird so zu einem der wichtigsten Instrumente, um die Erreichung der Qualitätsziele sicherzustellen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz als Lösungsansatz im produzierenden Gewerbe ist somit mit hohem wirtschaftlichen Potenzial verbunden.
Deshalb hat das neu am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen gestartete Forschungsprojekt „value chAIn“ die Entwicklung eines ganzheitlichen, intelligenten Fehlermanagements entlang der Wertschöpfungskette zum Ziel. Durch die zielorientierte Rückkopplung von Produktions- und Felddaten und eine aufbauende, KI-basierte Datenanalyse sollen die Verfügbarkeit und Leistung sowie die frühzeitige Identifizierung und nachhaltige Abstellung von Prozess- und Produktfehlern in der Produktion optimiert werden. Insbesondere die Steigerung der Transparenz hinsichtlich relevanter Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen Instanzen übergreifender Wertschöpfungsstufen wird hierbei angestrebt. Mittels Entwicklung und Implementierung intelligenter Analysemethoden zur Entscheidungsunterstützung sollen unter anderem Fehler in den Produktionsprozessen proaktiv abgestellt, Wartungen in der Nutzungsphase der Nutzfahrzeuge vorausschauend durchgeführt und die Entwicklung von Produkten optimiert werden.
Erreicht wird dieses Ziel durch die horizontale und vertikale Vernetzung und Auswertung der digitalen Zustands- und Störungsinformationen entlang der Wertschöpfungskette von Nutzfahrzeugen. Wesentliche Voraussetzung ist die organisationsübergreifende Bereitstellung von Produktions- und Nutzungsdaten. Mithilfe Künstlicher Intelligenz werden Analysen zu „Predictive Maintenance“, zur Vorhersage und Optimierung der Wartungen der Nutzfahrzeuge und Produktionseinheiten, „Predictive Quality“, zur Vorhersage der Produktqualität in der Produktion, und „Process Optimization“, zur Identifizierung optimaler Parameter, umgesetzt. Dafür wird ein Entscheidungsunterstützungssystem entwickelt, welches mit den Ergebnissen und Daten der Machine-Learning-Modelle sowie mit dem Wissen der Mitarbeitenden bedarfsgerechte Informationen und abgeleitete Handlungen zur optimalen Entscheidungsauswahl bereitstellt.
Das Forschungsprojekt „value chAIn“ wird in den nächsten drei Jahren in Zusammenarbeit des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen, des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT sowie mit den Unternehmen KRONE Business Center GmbH & Co. KG (Konsortialführer), MAN Truck & Bus SE, i2solutions GmbH, DATAbility GmbH und IconPro GmbH durchgeführt.
Förderhinweis:
Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „value chAIn“ wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Programm „Neue Fahrzeug- und Systemtechnologien“ gefördert (Förderkennzeichen 19S21001E) und vom Projektträger TÜV Rheinland Consulting GmbH betreut.