„Das magische Wort der industriellen Produktion heißt: Produktivität“, so leitet Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Boos, geschäftsführender Oberingenieur am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, das frisch veröffentlichte White Paper „Die Produktionswende – Turning Data into Sustainability“ ein. Anhand der folgenden Fragen wird darin die Notwendigkeit einer Neudefinition des Produktivitätsbegriffs in produzierenden Unternehmen, hin zu einer ganzheitlichen Betrachtung von Nachhaltigkeit, hergeleitet: Verhindert das heutige Paradigma der industriellen Produktion Nachhaltigkeit und Innovation? Kann es eine Produktionswende geben? Welche Prinzipien sind in der Produktionswende anders? Was bedeutet die FESG-Bewertung in der Praxis?
Bisher verhinderten laut Boos die hinter dem Begriff „Produktivität“ stehenden Werte eine emissionslose und nachhaltige Produktion, obwohl sie technologisch und wirtschaftlich bereits möglich wäre. Das kontinuierliche Streben nach Kostenoptimierung, Zeiteinsparung und Qualitätssteigerung führte zu einer Überproduktion, in deren Konsequenz der Ressourcenverbrauch sowie die CO2-Emissionen stetig zunahmen. Dieses ressourcenintensive Produktivitätsdenken wird heute vom Zukunftsbild einer stärker ökologisch denkenden Gesellschaft überholt: Veränderte Anforderungen des Kapitalmarktes, weg von einer reinen Finanzorientierung (F), fordern von deutschen Unternehmen, den Produktivitätsbegriff neu zu denken. Der Fokus wandelt sich hin zu Themen der Umwelt (E), des Sozialwesens (S) und der Unternehmenssteuerung (G), die produzierende Unternehmen zu nachhaltigen Veränderungen zwingen.
Eine unternehmerische Tätigkeit ist zukünftig als produktiv zu bewerten, wenn alle vier FESG-Perspektiven entlang des gesamten Produktlebenszyklus Berücksichtigung finden. Das Internet of Production (IoP) bildet den Ausgangspunkt, um diese neuen Anforderungen zu bewältigen und produzierenden Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit, Effizienz, Produktivität, Qualität und Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen.
Durch die Integration der ESG-Faktoren in den Bewertungsmaßstab des Wettbewerbs „Excellence in Production“ (EiP), bei welchem jährlich
die besten Werkzeugbaubetriebe im deutschsprachigen Raum bewertet und verglichen werden, verschob sich nicht nur die bewertete Leistungsfähigkeit, sondern auch der Fokus der teilnehmenden Betriebe, wie Boos anhand eines Beispiels aus dem Werkzeugbau im
White Paper praxisnah erläutert.
Die produzierenden Unternehmen in Deutschland müssen jetzt starten!
Abschließend prognostiziert Boos daher, dass sich die Bewertung der Leistungsfähigkeit nach FESG-Faktoren in den kommenden Jahren
auf alle produzierenden Branchen ausdehnen wird. Um anschlussfähig zu bleiben, müssen Unternehmen jetzt starten, ihre Wertschöpfung hin
zur „Sustainability“ zu optimieren, um den Anforderungen gerecht zu werden. Nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sichergestellt werden.
Nicht zuletzt deshalb steht die Nachhaltigkeit auch beim 30. Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquium unter dem zentralen Leitthema „Turning Data into Sustainability – Durch Daten die nachhaltige und resiliente Produktion der Zukunft voranbringen“ im Mittelpunkt. Am 22. und 23. September 2021 zeigen Expertinnen und Experten vom Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT mit Referentinnen und Referenten aus Industrie und Wirtschaft bisher unerschlossene Potenziale für einen erfolgreichen Weg in die Zukunft auf. Insbesondere die Session unter dem Titel „Subskriptionsmodelle für Sustainable Productivity im Maschinen- und Anlagenbau“ von Prof. Dr.-Ing. Günther Schuh wird die Themenfelder des White Papers aufgreifen und veranschaulichen.
Das White Paper „Die Produktionswende – Turning Data into Sustainability“ finden Sie zum Download unter www.wzl.rwth-aachen.de/produktionswende.