Eine zentrale Problemstellung in der spanenden Fertigung ist das Auftreten von Schwingungen des Systems Spindel-Werkzeugaufnahme-Werkzeug. Hierdurch wird die Qualität der gefertigten Werkstücke beeinträchtigt und die Werkzeugstandzeit sowie die Lebensdauer der Maschinenkomponenten deutlich verkürzt. Für die Fertigung von Leichtbaukomponenten aus Titan oder Aluminium stellen diese Schwingungszustände eine besondere Herausforderung hinsichtlich einer effizienten aber auch sicheren Prozessauslegung dar.
Zur Reduzierung der Werkzeugschwingungen besteht die Möglichkeit der Verwendung von dämpfenden Werkzeugsystemen, wobei zwischen aktiven und passiven Methoden zur Schwingungsdämpfung unterschieden wird. Systeme zur aktiven Dämpfung auftretender Werkzeugschwingungen erfordern den Einsatz dynamischer Zusatzsysteme wie Aktoren und Sensoren. Dahingegen ist für die passive Schwingungsdämpfung lediglich eine konstruktive Modifikation des Werkzeughalters notwendig. Dabei ist es das Ziel, die Schwingungsenergie in eine andere Energieform (z. B. Reibungsenergie) umzuwandeln. Beispielsweise können applizierte Zusatzelemente am Werkzeughalter aufgrund der erhöhten Reibung das Schwingungs- und Dämpfungsverhalten des Halters verbessern. Darüber hinaus besteht eine weitere Möglichkeit der passiven Schwingungsdämpfung in der Applikation von Zusatzmassen am Werkzeughalter, dessen Eigenfrequenz sich durch das erhöhte Gewicht verschiebt.
Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens, das von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG) gefördert wird, wird die passive Schwingungsdämpfung durch eine Modifizierung der konstruktiven Gestaltung der Werkzeugaufnahmen für die Dreh- (TiAl6V4) und Fräsbearbeitung (Al70759) fokussiert. Die Herstellung der Werkzeugaufnahmen erfolgt dabei additiv durch das Verfahren des Selektiven Laserschmelzens (SLM), wodurch Hohlelemente oder auch fachwerkähnliche Strukturen im Inneren der Aufnahmen realisiert werden können. Eine derart modifizierte Strukturierung beeinträchtigt bereits ohne weitere konstruktive Maßnahmen das Schwingungs- und Dämpfungsverhalten der Werkzeugaufnahmen. Darüber hinaus ergibt sich die Möglichkeit, die Hohlräume mit schwingungsdämpfenden Materialien oder Pulvern zusätzlich aufzufüllen. Dabei haben neben dem verwendeten Material für die Füllung außerdem die Partikelgröße und die Fülldichte einen Einfluss auf die Eigenfrequenz der Werkzeugaufnahmen. Zusätzlich gilt es, bei der konstruktiven Gestaltung der Werkzeugaufnahmen für die Fräsbearbeitung und insbesondere bei der Füllung der Hohlelemente die Entstehung einer Unwucht zu vermeiden.
Die Abbildung zeigt eine Gegenüberstellung des dynamischen Einsatzverhaltens eines konventionellen Wendeschneidplattenhalters (WSPH) mit einem additiv hergestellten, mit Keramikpartikeln gefüllten WSPH bei der Drehbearbeitung von TiAl6V4. Während bei der Referenz ausgeprägte Werkzeugschwingungen erkennbar sind, wirkt das partikelgefüllte, ellipsoide Hohlelement im Werkzeugschaft signifikant schwingungsdämpfend. Verglichen mit dem Referenzhalter weist der WSPH mit Keramikfüllung sowohl in Schnitt- als auch in Vorschubrichtung deutlich verringerte Beschleunigungsspitzen und gleichermaßen stark reduzierte Amplituden im Eigenfrequenzbereich auf.
Neben der gezeigten, vergleichsweise einfachen Hohlelementgestaltung finden des Weiteren Hohlelemente mit zusätzlich integrierten Stützstrukturen aus einer Vielzahl von Oktaederstumpfelementen Einsatz. Im letzten Projektabschnitt werden die aus den Drehversuchen erlangten Erkenntnisse auf die hybride Herstellung von HSK63-Aufnahmen für die Fräsbearbeitung übertragen.