Spanende Fertigungsverfahren nehmen einen hohen Stellenwert bei der industriellen Herstellung von Bauteilen ein. Für die Gewährleistung der Prozesssicherheit und zur Vermeidung von Ausschuss sind verschleißbeständige Werkzeuge erforderlich. Zur Verbesserung des Einsatz- und Verschleißverhaltens von Vollhartmetall-Zerspanungswerkzeugen ist die Schneidkantenpräparation mittlerweile ein etablierter Prozessschritt in der Herstellungskette. Durch die Schneidkantenpräparation lassen sich Mikrodefekte, die aus dem Werkzeugschleifprozess stammen, reduzieren und die Stabilität der Schneide durch die Erzeugung einer Schneidkantenverrundung erhöhen. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass die Kenntnis der jeweiligen Prozessanforderungen hinsichtlich thermomechanischer Belastung eine anwendungsfallabhängige Abstimmung der Schneidkantengestalt ermöglicht. Hierdurch kann eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber einer nicht prozessangepassten Kantengestalt realisiert werden.
Mit dem Einsatz von Zerspanungswerkzeugen, die eine prozessangepasste Schneidkantengestalt besitzen, ergeben sich jedoch auch neue Herausforderungen. Aufgrund der verrundeten und teilweise auch asymmetrischen Schneidkantengestalten sind klassische Verschleißkenngrößen, wie bspw. die Verschleißmarkenbreite oder der Kolkverschleiß, zunehmend ungeeignet für die adäquate Beurteilung des vorliegenden Verschleißzustandes. Dies führt dazu, dass eine Definition von zuverlässigen Standkriterien deutlich erschwert wird.
In der Abbildung wird die erschwerte Verschleißcharakterisierung bei einem präparierten VHM-Bohrwerkzeug ersichtlich. Nach einem Bohrweg von Lf > 28 m bei der Bearbeitung von Vergütungsstahl kann über die lichtmikroskopische Aufnahme noch kein messbarer Verschleiß festgestellt werden. Erst die hochauflösende REM-Aufnahme lässt den vorliegenden Verschleiß der Freifläche, der sich in Form einer Furche unterhalb der Schneidekante ausbildet, erkennen. Diese Verschleißerscheinung wird über keine der klassischen Kenngrößen beschrieben und bedarf darüber hinaus geeigneter Mikroskoptechnik zu deren Erfassung. So kann bei nur geringer messbarer Verschleißmarkenbreite mit dem konventionellen Lichtmikroskop das Standzeitende plötzlich durch einen unerwarteten Werkzeugbruch eintreten. Die Folge hieraus ist eine deutlich verringerte Prozesssicherheit, da die Produktion von Ausschuss begünstigt wird.
Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wird daher eine praxisnahe Verschleißkenngröße entwickelt, mit deren Hilfe die Veränderung der Mikrogestalt über den Bearbeitungsweg bzw. die Bearbeitungszeit beschrieben werden kann. Die neu zu entwickelnde Kenngröße dient dazu, das Standzeitende präparierter Zerspanungswerkzeuge präzise zu bestimmen. Ziel des Projektes ist es, basierend auf der entwickelten Verschleißkenngröße, die Prozesssicherheit für spanende Bearbeitungsprozesse unter Einsatz präparierter Werkzeuge zu bestimmten und in der Folge deutlich zu erhöhen.
Ansprechpartner:
Tountzer Tsagkir Dereli. M.Sc.
Telefon: 0231 755-2528 / E-Mail: dereli@isf.de