Mehrskalige Analyse der Materialabtragsmechanismen beim Schleifen von unverstärkten thermoplastischen Kunststoffen
Aufgrund ihrer Anpassungs- und Leistungsfähigkeit substituieren Kunststoffe und ihre verstärkten Varianten die klassischen metallischen und keramischen Konstruktionswerkstoffe zunehmend. Das Schleifen ist ein weit verbreitetes spanendes Verfahren mit geometrisch unbestimmter Schneide, das bedingt durch seine Eigenschaften häufig als Endbearbeitungsverfahren in der Prozesskette eingesetzt wird. Durch das Schleifen bearbeitete Bauteile besitzen eine hohe Oberflächengüte und geringe Form-, Maß- und Lageabweichungen. Im Stand der Forschung lassen sich nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zur Schleifbearbeitung von unverstärkten thermoplastischen Kunststoffen finden, wobei dort überwiegend von einer anspruchsvollen Bearbeitung gesprochen wird. Die Spanbildungsvorgänge bzw. Materialabtrennmechanismen am einzelnen Schleifkorn wurden zum heutigen Stand nur vereinzelt berücksichtigt. Die langen Molekülketten und die hohe Duktilität in Kombination mit einer geringen Wärmeleitfähigkeit stellen große werkstoffspezifische Herausforderungen für das Schleifen dieses Materials dar. Um diesen Problemstellungen gezielt begegnen zu können, ist ein grundlegendes Wissen zu den Materialabtrennmechanismen beim Schleifen von Kunststoffen erforderlich. Dieses lässt sich nicht aus den Erfahrungswerten für andere Werkstoffgruppen ableiten.
Im Rahmen dieses Projektes werden die beiden thermoplastischen Kunststoffe Polyacetal-Copolimerisat (POM-C) und Polyetheretherketone (PEEK) untersucht. Beide Kunststoffe finden weitverbreitet in verschiedenen Industriezweigen, wie z. B. in der Medizintechnik oder dem Automobil- und Flugzeugbau, ihre Anwendungen. Insbesondere das Hochleistungspolymer PEEK besitzt für einen Kunststoff überragende Eigenschaften, sodass es u. a. auch bei hohen Gebrauchstemperaturen und sogar in der Raumfahrt Verwendung findet.
Die Analyse des Schleifprozesses findet im Rahmen des Projektes auf zwei Ebenen statt. Auf der Mesoskala werden in detaillierten Untersuchungen einzelne Körner durch das Werkstoffmaterial gezogen, wodurch eine lokale, grundlegende Betrachtung der Materialabtrennmechanismen möglich ist. Unter Einsatz von statistischer Versuchsplanung wird das Flachschleifen auf der Prozessebene als Kollektiv aus eingreifenden Körnern betrachtet. Hierdurch können die Wirkzusammenhänge mit einer effizienten Durchführung im kompletten Prozessparameterraum erschlossen werden. Die Erkenntnisse und Ergebnisse beider Betrachtungsebenen integrieren sich in einem mehrskaligen Prozessmodell für die Schleifbearbeitung von thermoplastischen Kunststoffen. Auf Basis des Modells können allgemeingültige, technologische Wirkzusammenhänge bei der Spanbildung und der Oberflächenerstellung identifiziert und abgeleitet werden. Hierdurch ist es möglich, ein fundiertes Grundlagenverständnis aufzubauen, welches in einer späteren industriellen Anwendung zur Ermittlung von sicheren Prozessfenstern im Parameterraum genutzt werden kann.
Ansprechpartner:
Karolin Kamplade, M.Sc.
Telefon: 0231 755-5821 / E-Mail: kamplade@isf.de