Automatisierte Herstellung von Faserverbundbauteilen mit hoher Formkomplexität
Die Herstellung von Faserverbundbauteilen mit hoher Formkomplexität erfolgt überwiegend in manuellen Arbeitsprozessen. Die Technologie des kontinuierlichen Nassdrapierens (CWD, engl. Continuous Wet Draping) bietet die Möglichkeit, den Herstellungs- bzw. Drapierprozess zu automatisieren. Dabei werden die Vorteile ortsunabhängiger Prepreg-Legeverfahren (AFP, ATL) mit der Form- und Materialfreiheit diskontinuierlicher Drapierprozesse kombiniert. Im Rahmen des DFG-geförderten Projekts OptiDrap untersucht das IFW die Wechselwirkungen zwischen Textil, Oberflächengeometrie und Andrückelement, welche bei der kontinuierlichen Ablage von Faserhalbzeugen auftreten. Diese Wechselwirkungen werden in einem Prozess- und Systemmodell integriert und abschließend eine modellprädiktive Impedanzregelung abgeleitet und entwickelt.
Das Verfahren des kontinuierlichen Nassdrapierens bietet neue Möglichen der automatisierten Fertigung von Faserverbundbauteilen mit hoher Formkomplexität. Die nötige Flexibilität wird durch das vom IFW entwickelte Drapiermodul gewährleistet. Dieses besteht aus sechs seriell angeordneten, pneumatische betriebenen Kontinuums-Aktoren (KA). Durch gezielte intrinsische Bedruckung und extrinsische Positionierung der Aktorschnittstellen mit sieben zweiachsigen Parallelkinematiken wird das Drapiermodul in Form gebracht. Dieses ist dabei in der Lage, einen kontinuierlich gekrümmten Spline abzubilden. Um ein textilegerechtes Führen, Umformen und Andrücken des Fasermaterials auf die Werkzeugoberfläche zu gewährleisten, wurde eine geometriebasierte Drapiersimulation entwickelt. Mithilfe dieser wird die Drapierlinie, welche als dreidimensionaler Spline approximiert wird, erzeugt. Im jeweiligen Prozessschritt nimmt der KA die Form dieser Drapierlinie an.
Aufgrund der hohen Komplexität des Ablegeprozesses und der Formflexibilität des KA basiert die Steuerung des Systems auf offline generierten Trajektorien vereinfachter geometrischer Simulationen. In diesen werden allerdings die Wechselwirkungen zwischen dem Faserhalbzeug, der Bauteiloberfläche und dem gestaltändernden Andrückelement nicht abgebildet. Durch Approximationsfehler in der Simulation und Störgrößen bei der Ablage können durch eine fehlende Konsolidierung lokal Faltenwürfe entstehen, die einen Prozessabbruch zur Folge haben. Aber auch der fehlerfreie Prozess birgt Konturabweichungen von noch mehreren Millimetern, die bisher auf eine mangelnde Kenntnis von Wechselwirkungen zwischen dem Prozess, dem Textil und der Drapierkinematik zurückzuführen ist.
Daher wird zunächst zur Reduktion dieser Konturabweichungen Untersuchungen der auftretenden Wechselwirkungen im Ablagebereich in Abhängigkeit verschiedener drapierkinematischer Prozessparameter durchgeführt. Darauf aufbauend wird ein bestehendes Prozessmodell um eben diese technologiebedingten Wechselwirkungen erweitert und mit der sensorischen Erfassung der Textilspannung eine onlinefähige Berechnung des Ablagezustands aufgebaut. Zusätzlich dazu wird ein Modell zur Beschreibung der räumlichen Verformung der seriellen KA im Andrückelement unter Berücksichtigung externer Kräfte erstellt. Schlussendlich soll eine echtzeitfähige Regelungsarchitektur aufgebaut werden, anhand derer die Impedanz des Andrückelements, basierend auf der Kontakttrajektorie des KA, online geregelt werden kann. Dadurch wird das System befähigt, die Textilspannung adaptiv durch Änderung der Drapierlinie im Prozess auszugleichen. Durch die Erhöhung des System- und Prozessverständnisses, sowie die Weiterentwicklung und Optimierung der Regelungsarchitektur, kann die Fertigungsqualität und Produktivität gesteigert werden.
Wir bedanken uns bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die das Projekt „Optidrap – Modellprädiktive Impedanzregelung pneumatischer Kontinuums-Aktoren im kontinuierlichen Nassdrapierprozess“ finanziell fördert.