Automatisierte Kalkulation der Herstellkosten mit transparentem Risikoaufschlag
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der Lohn- und Auftragsfertigung stehen unter hohem Druck, wettbewerbsfähige Angebote zu erstellen. Um den Beitrag zum Geschäftsergebnis abzuschätzen, ist die Kenntnis über die prognostizierten Herstellkosten bei der strategischen Preisfindung hilfreich. Hier setzt das Projekt „SzenoKalk“ an. Das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover entwickelt gemeinsam mit Partnern eine Methode zur automatisierten Kalkulation der Herstellkosten, die Risiken im Betriebsablauf berücksichtigt. „Mit SzenoKalk sollen Umplanungsrisiken durch Risikoaufschläge bereits in der Angebotsphase berücksichtigt werden können“, erklärt Projektmitarbeiter Marcus Nein. Das Ziel ist es, KMU eine präzisere Herstellkostenkalkulation zu ermöglichen und so ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Störungen im Betriebsablauf, beispielsweise verursacht durch Maschinenausfälle, abweichende Rüstzeiten oder kurzfristige Eilaufträge, erschweren die Kostenkalkulation in der Fertigung. Diese Störungen erfordern oft alternative Arbeitsrouten, deren Mehrkosten bisher kaum prognostizierbar sind und deshalb in der Praxis durch einen allgemeinen Kostenaufschlag oder Schätzungen abgefangen werden. Besonders betroffen sind zerspanende Lohnfertiger durch die Vielfalt an Produkten in der Fertigung und die unklare Auftragslage in der Zukunft.
In einer Vorstudie wurden die Angebotskosten eines Bauteils aus der Luft- und Raumfahrtbranche auf verschiedenen Online-Fertigungsplattformen untersucht. Bei einer Losgröße von eins ergaben sich Preisunterschiede um den Faktor zwei zwischen dem günstigsten und dem teuersten Angebot. Mit zunehmender Losgröße wuchs dieser Faktor erheblich, was auf stark variierende Kalkulationsgrundlagen der Anbieter hindeutet. Diese Diskrepanz unterstreicht den Bedarf an einer standardisierten und transparenten Methodik zur Kostenkalkulation, die sich auf vergleichbare und nachvollziehbare Grundlagen stützt.
Mit dem Forschungsprojekt SzenoKalk adressiert das IFW diese Herausforderung. Ziel ist die Entwicklung eines risikoangepassten Kalkulationsmodells, welches die Eintrittswahrscheinlichkeit von Störungen einbezieht und dadurch transparentere Herstellkosten als Entscheidungsgrundlage bei der Angebotserstellung ermöglicht.
Vergangene Nachkalkulationen dienen als Grundlage für die datengetriebene Methodik des Projekts, bei der spezifische Bauteilmerkmale analysiert und mit den Kosten korreliert werden. Diese Merkmale werden automatisiert aus 3D-Daten im STEP-Format sowie aus technischen Zeichnungen extrahiert, die als maschinenlesbare PDFs oder eingescanntes Bildmaterial vorliegen. Moderne Bildverarbeitungs- und OCR-Technologien erfassen dabei geometrische und fertigungstechnische Eigenschaften wie Abmessungen, Form- und Lagetoleranzen oder Formelemente. Darüber hinaus erfolgt eine systematische Verknüpfung dieser Informationen mit weiteren Fertigungsdaten wie Bearbeitungs- und Rüstzeiten. Die Analyse geht über die reine Merkmalsextraktion hinaus, indem auch Störungsprofile, wie die Ausfallwahrscheinlichkeit von Maschinen oder kritische Bauteilmerkmale, berücksichtigt werden. Auf dieser Basis wird eine szenarienbasierte Kalkulation entwickelt, die neben alternativen Fertigungsrouten auch dynamische Einflüsse wie Kapazitätsschwankungen einpreist. Dies ermöglicht eine robuste Prognose der Herstellkosten.
Durch die Integration von Unsicherheitsfaktoren in die Kalkulation können Lohnfertiger in der Angebotskalkulation die Herstellkosten genauer abschätzen, bevor ein Angebotspreis bestimmt wird. Die automatisierte Datenverarbeitung reduziert manuelle Aufwände und ermöglicht eine realistische Berücksichtigung alternativer Fertigungsrouten.
Die Ergebnisse des Projekts sollen in einem Softwaredemonstrator zusammengeführt werden, der Unternehmen eine praxisnahe Anwendung der entwickelten Methodik ermöglicht. SzenoKalk leistet damit einen innovativen Beitrag zur Digitalisierung und Risikotransparenz in der Fertigungsplanung und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und trägt das IGF-Förderkennzeichen 01IF23393N.
Kontakt:
Für weitere Informationen steht Ihnen Marcus Nein, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 4365 oder per E-Mail (nein@ifw.uni-hannover.de) gern zur Verfügung.