Betriebsbewährtheit

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Definition Betriebsbewährtheit und Bedeutung für Werkzeugmaschinen

Die Leitnorm für die Risikobeurteilung (ISO 12100) erwähnt ausdrücklich, dass bei den notwendigerweise hypothetischen Analysen real existierende Praxisbefunde berücksichtigt werden sollen. Bereits am 19. Juni 2013 wurde deshalb vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie das Positionspapier “Entwicklung von Anerkannten Regeln der Technik” erstellt. Der Hintergrund war die Arbeitsgruppe “Neue Generation Signaltechnik” (NeGSt), deren Aussagen sind aber für die allgemeine Maschinensicherheit und somit auch für Werkzeugmaschinen leicht übertragbar. Das Positionspapier ist als Download verfügbar:

http://projekte.fir.de/negst/sites/projekte.fir.de.negst/files/ag1_01_negst_positionspapier_ag1_v3-00_2013-07-30_20131216.pdf

Darin wird auf den Begriff “Betriebsbewährtheit” folgendermaßen eingegangen:

Betriebsbewährt (en: prior use)

dokumentierte Beurteilung, beruhend auf Betriebserfahrungen in einer ähnlichen Umgebung, dass ein Gerät für die Verwendung in einem sicherheitstechnischen Systems (SIS) geeignet ist und die Anforderungen hinsichtlich der Funktionen und der Sicherheitsintegrität erfüllen kann. … Um ein Gerät für ein sicherheitstechnisches System auf der Grundlage einer Betriebsbewährung zu qualifizieren, sollte der Anwender dokumentieren, dass das Gerät eine befriedigende Leistung in einer ähnlichen Betriebsumgebung erreicht hat. Das Verständnis dafür, wie sich das Betriebsmittel in einer bestimmten Betriebsumgebung verhält, ist erforderlich, um mit hoher Gewissheit annehmen zu können, dass der beabsichtigte Entwurf, die beabsichtigte Sichtprüfung, Prüfung, Instandhaltung und die beabsichtigten betrieblichen Praktiken angemessen sind.'' (Definition Betriebsbewährtheit nach EN 61511-1:2012 Kap. 3.2.55)

Die Arbeitsgruppe des Ministeriums betont wiederholt deren Bedeutung:

Daher wird es von der Arbeitsgruppe als sinnvoll angesehen, Methoden zur Betrachtung der Betriebsbewährtheit als Anerkannte Regeln der Technik zu betrachten. Zusammen mit den Instandhaltungsmaßnahmen kann so eine Risikobetrachtung durchgeführt werden. …Insbesondere bei Alttechniken liegen sowohl durch den Betreiber als auch den Hersteller umfangreiche Daten zu Störungen und Ausfällen von leit- und sicherungstechnischen Applikationen und Anlagen vor. Mit Hilfe dieser Daten kann eine zuverlässige Aussage zur Betriebsbewährtheit getroffen werden. (Betriebsbewährtheit und Analogie zu Grundnormen - 3.6.3). … Die Analogie insbesondere zur Norm EN 61508 / EN 61511 und die Anleihe aus dem Bereich der Sicherheit von Maschinen sind hilfreich und schließen mögliche Lücken in der technischen Argumentationskette. Der Nachweis von Betriebsbewährtheit, wie er in der EN 61511 gefordert wird, ist ebenfalls gegeben. Damit kann man diese Vorgehensweise als allgemein in der Technik anerkannt ansehen und als Basis zur Risikobewertung nutzen. …Alttechniken im Produktauslauf basieren auf einem Entwicklungsstand, der nicht mehr aktualisiert wird. Sie erfüllen jedoch die wesentlichen Anforderungen an die Sicherheit, so dass ein Betrieb der Anlage möglich ist. Es gilt in diesen Fällen ein Bestandsschutz. Die Schaffung neuer Regelwerke erscheint nicht verhältnismäßig. Geeigneter ist es, über die Betriebsbewährtheit bei Änderungen den Nachweis zu führen, dass die Sicherheitsanforderungen erfüllt sind.

In Ergänzung zu obigen Positionspapier wurde am 31. Juli 2013 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine Sammlung zur „Definition Betriebsbewährtheit“ veröffentlicht. Im Vorwort heißt es:

Mit diesem Dokument werden Definitionen und Aussagen zum Begriff „Betriebsbewährtheit“ zusammengefasst. Es ist eine Zusammenstellung, die nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. …Dieses Dokument ergänzt somit das Positionspapier „Positionspapier Entwicklung von anerkannten Regeln der Technik“, insbesondere die Aussagen zur Betriebsbewährtheit in Kapitel 4.1.

In dem als Download verfügbaren Dokument (http://projekte.fir.de/negst/sites/projekte.fir.de.negst/files/ag1_02_negst_ardt_sammlung_betriebsbewaehrt_v0-00_20130731_20131216.pdf) werden die Begriffe „Proven in Use“ und „Prior Use“ zur Erläuterung der Randbedingungen, die für die Argumentation Betriebsbewährtheit notwendig sind, erklärt.

Betriebsbewährtheit für elektrotechnische Komponenten: Proven in Use (zur Konfiguration sicherheitsbezogener Systeme werden u. a. betriebsbewährte [proven-in-use] Bauteile verwendet. Das heißt Bauteile, die sich bereits in größerer Stückzahl über einen längeren Zeitraum unter gleichen oder ähnlichen Einsatzbedingungen bezüglich ihrer Funktionssicherheit bewährt haben. Die konkreten Kriterien für die Betriebsbewährtheit sind dabei in den verschiedenen Branchen nicht exakt gleich definiert. Nach der DIN EN 61511 (VDE 0810) beispielsweise werden in der Prozessindustrie unter Einbeziehung aller betrachteten Geräte mindestens 30 Mio. Stunden Betriebszeit vorausgesetzt. Im Bereich des Maschinenbaus dagegen werden Bauteile oder Komponenten als betriebsbewährt angesehen, wenn zehn Systeme in unterschiedlichen Anwendungen während 10 000 Betriebsstunden oder wenigstens einem Jahr Betriebsdauer keine sicherheitsrelevanten Fehlfunktionen gezeigt haben). Quelle: http://www.etz.de/1111-0-Fachlexikon.html?alpha=B''

Die weitere Entwicklung wird in dem Positionspapier folgendermaßen beschrieben:

Anpassung der Definitionen zur früheren Nutzung und der Bedingungen, unter denen diese herangezogen werden kann: Die Benennung „frühere Nutzung“ wird in der zur Zeit gültigen DIN EN 61511 (VDE 0810):2004 für die Benennung „prior use“ nach IEC 61511 verwendet. DKE/GK 914 berät jedoch darüber, für die Neuausgabe der DIN EN 61511 (VDE 0810) diese Benennung „frühere Nutzung“ durch die in der deutschen Fachöffentlichkeit übliche Benennung „betriebsbewährt“ zu ersetzen. Eine vom Hersteller festgestellte Betriebsbewährung (proven in use) wird in der künftigen IEC 61511 voraussichtlich nicht mehr beschrieben werden.

Bedeutung der Betriebsbewährtheit für Werkzeugmaschinen:

Auch Festlegungen in den Typ C Normen für Werkzeugmaschinen können „betriebsbewährt“ sein: Die obige Sammlung zur “Betriebsbewährtheit” ist zwar durchweg elektrisch, eine Übertragung auf die Mechanik, Hydraulik und Pneumatik ist aber leicht möglich. So lässt sich dieser Begriff auch auf die Dimensionierung von trennenden Schutzeinrichtungen anwenden, schließlich sind die Festlegungen z.B. für die Primärschutzhaube in der Schleifmaschinennorm EN 13218 seit mehr als 10 Jahren sogar so "betriebsbewährt", dass in der ISO-Normungsgruppe über eine Reduzierung der Anforderungen nachgedacht wird. Der VDW hat dazu ein AiF-Projekt AiF 17006 N "Umhausungen ortsfester Schleifmaschinen" an das IWF der TU Berlin vergeben, das gerade abgeschlossen wurde. Ergänzende Versuche wurden von der BGHM in Hannover zusammen mit dem IFA im ersten Halbjahr 2015 durchgeführt. Als nächstes soll eine VDW-Studie „Probabilistische Betrachtung der trennenden Schutzeinrichtungen von Schleifmaschinen“ die bestehenden Untersuchungen an ein probabilistisches Risikomodell anschließen und so die Argumentation zur Betriebsbewährtheit auch für trennende Schutzeinrichtungen statistisch absichern. Derzeit wird eine weitere VDW-Studie „Betriebsbewährtheit der Standard SPS“ am IMA der Universität Stuttgart erfolgreich abgeschlossen, dabei steht die Elektrik im Vordergrund.

Zur Festigung der Argumentation "Betriebsbewährtheit" hat der VDW zusammen mit Partnern zwei Paper auf dem ESREL-Symposium 2014 in Wroclaw, Polen vorgestellt (siehe Link). Auch auf der diesjährigen ESREL-Veranstaltung 2015 in Zürich, Schweiz gibt es einen VDW-Vortrag dazu; und für die Folgeveranstaltung 2016 in Glasgow, Schottland, werden ebenfalls interessante VDW-Beiträge zur Betriebsbewährtheit aus obigen Forschungsvorhaben erwartet.

https://de.industryarena.com/vdw/blog/betriebsbewaehrtheit-auf-dem-esrel-symposium--3004.html

Bei Rückfragen melden Sie sich bitte bei:

Heinrich Mödden
Telefon: 069-756081-13
h.moedden@vdw.de

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