Umformen
Umformen fasst alle Fertigungsverfahren zusammen, bei denen ein fester Körper (Metall, Kunststoff, Composite) durch bildsame bzw. plastische Verformung in seiner Gestalt verändert wird. Die Masse und der Stoffzusammenhang bleiben dabei erhalten. Ausgangsmaterial von Umformprozessen sind gegossene Körper (Brammen, Bolzen, Stränge) oder Halbzeuge. Die Umformverfahren gehören zu den spanlosen Fertigungsverfahren.
Die Einteilung der Umformverfahren erfolgt gemäß DIN 8582 nach der Hauptbeanspruchung in:
- Druckumformen
- Zugdruckumformen
- Zugumformen
- Biegeumformen
- Schubumformen
Hierbei werden 17 Verfahrensgruppen entsprechend der Relativbewegung zwischen Werkzeug und Werkstück, der Werkzeuggeometrie und der Werkstückgeometrie unterschieden.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen der Umformtechnik
Metallische Werkstoffe lassen sich durch Einwirkung äußerer Kräfte umformen, ohne dass der Stoffzusammenhang verloren geht. Diese Eigenschaft wird als Formänderungsvermögen der Metalle bezeichnet. Die Formänderung bzw. das Fließen tritt ein, wenn sich die Atomreihen innerhalb der einzelnen Kristalle beim Überschreiten einer bestimmten materialabhängigen Grenzspannung gegeneinander verschieben. Der Stoffzusammenhang ergibt sich dann auf dem nächstfolgenden Gitterplatz in der kristallinen Struktur. Die Verschiebungen erfolgen in bevorzugten Gleitrichtungen und Gleitebenen und werden durch Versetzung (Gitterbaufehler) erst möglich. Andere Fließmechanismen, wie z.B. die Zwillingsbildung, bei der eine bleibende Verformung durch ein Umklappen des Gitters von einer Lage in die andere erfolgt, spielen in der Umformtechnik eine untergeordnete Rolle.
Fließbedingung und Fließkurve
Das Fließen des Werkstoffs setzt ein, wenn die größte Hauptspannungsdifferenz die Formänderungsfestigkeit, auch als Fließspannung bezeichnet, erreicht oder wenn bei reiner Schubbeanspruchung die auftretende Schubspannung gleich der halben Formänderungsfestigkeit wird. Die DIN 8582 unterscheidet in Umformen mit bleibender Festigkeitsänderung und Umformen ohne wesentliche Festigkeitsänderung - früher als Kaltumformung und Warmumformung bezeichnet. Im Temperaturbereich dazwischen tritt Umformen mit vorübergehender Festigkeitsänderung auf. Hier ist die Formänderungsgeschwindigkeit höher als die Erholungs- oder Rekristallisationsgeschwindigkeit. Die Kristallerholung setzt erst nach dem Umformvorgang ein. Die Unterscheidung in der DIN 8582 in Verfahren ohne Anwärmen (Kaltumformung) und Umformen nach Anwärmen (Warmumformen) stellt lediglich fest, ob eine Anwärmvorrichtung erforderlich ist. Im Gegensatz zu ihrer früheren Bedeutung stehen diese Begriffe nicht mehr in einem physikalischen Zusammenhang mit dem Werkstoff.
Formänderungsvermögen
Das Formänderungsvermögen eines Werkstoffs beschreibt Umformbarkeit bis zum versagen des Werkstoffes durch Schiebungsbruch oder Trennungsbruch. Ab diesem Punkt ist weiteres Gleiten in der Gitterstruktur ohne Werkstoffversagen nicht mehr möglich. Das Formänderungsvermögen eines Werkstoffs ist jedoch kein fester Wert, sondern vom mittleren Druck abhängig, unter dem die Umformung erfolgt.
Umformverfahren
Druckumformen nach DIN 8583
Bei diesem Umformverfahren werden die Verfahrensvarianten Walzen, Freiformen, Gesenkformen, Eindrücken und Durchdrücken unterschieden.
Walzen
Durch Walzen werden gegossene Brammen, Bolzen und Stränge zu Halbzeugen verarbeitet. Um die benötigten Walzkräfte niedrig zu halten, erfolgt die Umformung zunächst im Temperaturbereich der Warmumformung. Der Werkstoff ist bei diesen Temperaturen in einem teigig zähen, gut umformbaren Zustand, der hohe Umformgrade ohne bleibende Materialverfestigung zulässt. Der Prozess erfolgt mit zwei oder mehreren rotierenden Werkzeugen (Walzen) je nach angestrebtem Umformgrad. Dabei können Flachmaterial, Rohre, Drähte oder Profile erzeugt werden. Neben Halbzeugen werden auch Verzahnungen und Gewinde an Einzelwerkstücken gewalzt.
Unterschreitet das Walzgut einen bestimmten Mindestquerschnitt und werden höhere Anforderungen an Formgenauigkeit und Oberflächengüte gestellt, erfolgt die Verarbeitung bei Raumtemperatur im Kaltwalzverfahren.
Freiformen
Freiformen ist Druckumformen mit nicht oder nur teilweise die Form des Werkstücks enthaltenden, gegeneinander bewegten Werkzeugen. Die Werkstückform entsteht dabei durch eine freie oder festgelegte Relativbewegung zwischen Werkzeug und Werkstück. Hierunter fallen die Verfahrensvarianten Freiformschmieden, Stauchen, Rundkneten und Treiben.
Gesenkformen
Gesenkformen, auch als Schmieden bezeichnet, ist Druckumformen mit gegeneinander bewegten Formwerkzeugen (Gesenken). Das Werkzeug umschließt ganz oder teilweise das Werkstück und gestaltet dessen Form. Werkstückbeispiele für dieses Verfahren sind Zahnräder, Kurbelwellen oder Pleuel.
Eindrücken
Eindrücken ist Druckumformen mit einem Werkzeug, das örtlich in ein Werkstück eindringt. Beispiele hierfür sind das Prägen von Blechteilen und das Münzprägen.
Durchdrücken
Durchdrücken ist das Druckumformen eines Werkstückes durch teilweises oder vollständiges Hindurchdrücken des Werkstoffes durch eine formgebende Werkzeugöffnung. Hierbei wird der Durchmesser oder der Querschnitt vermindert. Zum Durchdrücken gehören das Verjüngen, das Strangpressen und das Fließpressen.
Beim Verjüngen von Vollkörpern bzw. beim Reduzieren wird ein Vollkörper teilweise verjüngt, ohne dass der nicht umgeformte Werkstückbereich gestaucht oder geknickt wird. Das Verjüngen von Hohlkörpern bzw. das Einhalsen durch Verjüngen ist die teilweise Reduzierung des Durchmessers eines Hohlkörpers (Napf, Hülse, Rohr), wobei je nach Wanddicke ein Aufnehmer erforderlich sein kann.
Strangpressen ist das Durchdrücken eines von einem Aufnehmer umschlossenen Blocks. Strangpressen dient der Fertigung von Halbzeugen (Strängen) wie Profile oder Stäbe mit vollem oder hohlem Querschnitt. Fließpressen ist Durchdrücken eines zwischen Werkzeugteilen aufgenommen Werkstücks. Im Gegensatz zum Verjüngen sind beim Fließpressen größere Formänderungen möglich. Das Fließpressen dient zur Fertigung von Einzelwerkstücken wie Zahnrädern. Beim Strangpressen und Fließpressen wird mit starrem Werkzeug oder Wirkmedien umgeformt. Des Weiteren wird in die Richtung des Werkstoffflusses relativ zur Stempelbewegung vorwärts, rückwärts oder quer unterschieden. Hieraus ergeben sich gemäß DIN 8583/6 insgesamt 17 Verfahrensausprägungen wie z.B. das Napf-Rückwärts-Fließpressen.
Zugdruckumformen nach DIN 8584
Durchziehen
Durchziehen ist Zugdruckumformen durch Ziehen eines Werkstücks durch eine in Ziehrichtung verengte Werkzeugöffnung. Das bedeutendste Verfahren ist das Gleitziehen. Hierbei wird das Werkstück durch ein geschlossenes, in Ziehrichtung feststehendes Ziehwerkzeug (Ziehstein, Matrize) gezogen. Damit können sowohl Vollkörper als auch Hohlkörper erzeugt werden. Neben der Herstellung von Halbzeugen, wie Drähte und Rohre, können auch Einzelwerkstücke gefertigt werden (Abstreckgleitziehen)
Tiefziehen
Tiefziehen ist Zugdruckumformen eines Blechabschnittes (Ronde, Platine) zu einem Hohlkörper oder eines Hohlkörpers zu einem Hohlkörper mit kleinerem Umfang ohne beabsichtigte Veränderung der Blechdicke, da das Material nachrutscht. Beim Tiefziehen im Erstzug entsteht aus dem Zuschnitt das Ziehteil in einem einzigen Arbeitsschritt (Arbeitshub) der Presse.
Bei größeren Formänderungen erfolgt der Umformprozess im Weiterzug auf mehrere Ziehstufen verteilt. Die größte Bedeutung hat das Tiefziehen mit starrem Werkzeug. Dieses besteht aus einem Stempel, einer Matrize und einem Blechhalter, der die Faltenbildung beim Einziehen des Blechs verhindert.
Kragenziehen
Kragenziehen ist Zugdruckumformen mit Stempel und Matrize zum Aufstellen von geschlossenen Rändern (Borden, Kragen) an ausgeschnittenen Öffnungen. Diese Öffnungen können sich sowohl in ebenen als auch in gewölbten Flächen befinden.
Drücken
Drücken ist Zugdruckumformen eines Blechzuschnitts zu einem Hohlkörper, wobei ein Werkzeugteil (Drückform, Drückfutter) die Form des Werkstücks enthält und mit diesem umläuft. Das Gegenwerkzeug (Drückwalze, Drückstab) greift örtlich ein und legt das Blech an die Form an. Eine Veränderung der Blechdicke ist im Gegensatz zum Drückwalzen (Fließdrücken) nicht beabsichtigt.
Knickbauchen
Knickbauchen ist Zugdruckumformen zum örtlichen Erweitern oder Verengen eines meist rohrförmigen Hohlkörpers durch Druckkräfte in Längsrichtung, die zu einem Ausknicken des Werkstücks nach außen, innen oder in Querrichtung führt.
Zugumformen nach DIN 8585
Längen
Längen ist Zugumformen eines Werkstücks durch eine von außen aufgebrachte, in der Werkstücklängsachse wirkende Zugkraft. Strecken ist Längen zum Vergrößern der Werkstückabmessungen in Kraftrichtung z.B. zum Angleichen an ein vorgegebenes Maß. Streckrichten ist dagegen Längen zum Beseitigen von Verbiegungen an Stäben und Rohren sowie von Beulen an Blechen.
Weiten
Weiten ist Zugumformen für die Vergrößerung des Umfangs eines Hohlkörpers. Wie beim Tiefziehen kommen auch hier starre und nachgiebige Werkzeuge sowie Wirkmedien und Wirkenergien zum Einsatz.
Tiefen
Tiefen ist Zugumformen zum Erzeugen von Vertiefungen an einem ebenen oder gewölbten Werkstück aus Blech, wobei eine Oberflächenvergrößerung durch Verringerung der Blechdicke erreicht wird. Die größte Bedeutung nimmt das Tiefen mit einem starren Werkzeug ein. Hierzu gehören das Streckziehen und das Hohlprägen. Treckziehen ist Tiefen eine Zuschnitts mit einem starren Stempel.
Biegeumformen nach 8586
Beim Biegen von Blech ist die Walzrichtung zu beachten. Die besser geeignete Richtung zum Biegen ist quer zur Walzrichtung. Sollte die Biegeachse parallel zur Walzrichtung liegen, muss der minimale Biegeinnenradius höher gewählt werden. Bei der Konzeption des Biergewerkzeuges sind scharfe Biegekanten zu vermeiden, da dies zum Versagen des Werkstücks führen kann. Hier sollten empfohlene Werte der DIN 6935 verwendet werden. Des Weiteren ist bei der Werkzeugauslegung die Rückfederung des Werkstücks infolge der elastischen Biegespannungen zu beachten. Dies tritt bei allen Biegeumformverfahren auf.
Biegen mit geradliniger Werkzeugbewegung
Biegen mit geradliniger Werkzeugbewegung ist Biegeumformen, bei dem die Werkzeugteile eine geradlinige Bewegung ausführen. Wichtigste Verfahrensvariante ist das Gesenkbiegen, bei dem die Teileform durch die Werkzeuggeometrie und die Rückfederung eingestellt wird. Das Werkstück wird zwischen Biegestempel und Biegegesenk gebogen. Gesenkbiegen kann in einem Arbeitsgang mit Gesenkdrücken kombiniert werden. Gesenkdrücken ist das Nachdrücken (Nachprägen, Nachschlagen) der Werkstücke zum Abbau von Spannungen, um z.B. die Rückfederung zu minimieren.
Biegen mit drehender Werkzeugbewegung
Biegen mit drehender Werkzeugbewegung ist Biegeumformen, bei dem die Werkzeugteile (Walzen, Rollen, Schwenkachsen) eine drehende Bewegung ausführen. Hierzu gehören das Walzbiegen, das Schwenkbiegen und das Rundbiegen. Beim Walzbiegen wird das Biegemoment durch Walzen aufgebracht. Zum Walzbiegen gehört auch das Verfahren Walzprofilieren (Profilieren). Hierbei werden Blechbänder oder Platinen mit Walzen (Rollen) zu Profilen umgeformt. Die Formgebung erfolgt stufenlos und für jede Umformstufe ist ein Rollenpaar erforderlich. Bei den Grundprofilformen unterscheidet man: - Rollen: Der Rand eines Profils wird um mehr als 180 Grad umgeformt (Auge, Oval, Schleife) - Falten: Stufenweises Biegen von geraden Schenkeln um einen gemeinsamen Punkt - Sicken: Vertiefungen im Profil z. B. zur Versteifung - Dopplungen: Das Material liegt doppelt aufeinander (Gestaltung von Rändern) Mit dem Verfahren Walzrunden können zylindrische oder kegelförmige Werkstücke hergestellt werden. Zum Walzbiegen zählen auch das Walzrichten zur Beseitigung unerwünschter Verformungen in Blechen, Drähten, Stäben oder Rohren durch geeignetes Zurückbiegen. Das Rückbiegen einer Ausgangskrümmung durch eine genau definierte Biegung zu dem gewünschten Endzustand ist nicht möglich. Daher wird das Werkstück durch mehrere, genau aufeinander abgestimmte Wechselbiegungen mit langsam zunehmendem Krümmungsradius gerichtet. Hierbei erfolgt das Biegen und Gegenbiegen jeweils im plastischen Bereich, d.h. die Fließgrenze des Materials muss überschritten werden. Schwenkbiegen ist Biegen mit einer Wange, die das Teil um die Biegekante herum biegt. Rundbiegen ist stetiges, in Schenkelrichtung fortschreitendes Biegen von Band, Profil, Stab, Draht oder Rohr. Rundbiegen von mehr als 360 Grad, beispielsweise zur Herstellung von Federn, wird als Wickeln bezeichnet.
Schubumformen nach DIN 8587
Verschieben
Verschieben, auch als Durchsetzen bezeichnet, ist Schubumformen, wobei in der Umformzone benachbarte Querschnittsflächen des Werkstücks in Kraftrichtung durch eine geradlinige Werkzeugbewegung parallel zueinander verlagert werden. Durchsetzen entlang einer in sich geschlossenen Werkzeugkante dient z.B. zur Herstellung von Schweißbuckeln und Zentrieransätzen in Blechteilen.
Verdrehen
Verdrehen ist Schubumformen, wobei benachbarte Querschnittsflächen des Werkstücks in der Umformzone durch eine Drehbewegung gegeneinander verlagert werden.
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