Wasserstrahlschneiden

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Das Wasserstrahlschneiden oder Waterjetverfahren ist ein trennendes und abtragendes Verfahren, bei dem das zu bearbeitende Material durch einen Hochdruckwasserstrahl geschnitten wird. Die Kaltschneidetechnik wird unter Einsatz von gefiltertem Wasser (Reinwasserschneiden) oder von Wasser mit Schleifmittel (abrasives Schneiden) angewendet. Dass der Wasserstrahl Ablagerungen auf bestimmten Gesteinen abtragen kann, war schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt. In den US-amerikanischen Goldminen verwendete man ihn zum Trennen von Gold aus Gesteinen. Das Verfahren wurde 1968 von einem Wissenschaftler der Universität von British Columbia (Kanada) zum Patent angemeldet. Ab 1979 nutzte man außer dem reinen Wasserstrahl noch das in diesem Jahr entwickelte und patentierte abrasive Schneiden mittels Wasserstrahl. Mit dieser Technologie boten sich dem Anwender noch bessere Bearbeitungsmöglichkeiten. In der Folgezeit wurde das Wasserstrahlschneiden so weiterentwickelt, dass man es auch bei speziellen Anwendungen einsetzen konnte.

Funktionsweise

Beim Wasserstrahlschneiden trifft stark beschleunigtes und mit Hochdruck durch einen Schneidkopf gepresstes gefiltertes Wasser auf ein zu bearbeitendes Werkstück. Die Technologie ermöglicht das Schneiden nahezu beliebiger Konturen. Außerdem kann der industrielle Anwender den Verlauf der Bearbeitung mit dem Wasserstrahl und ihren Anfangs- und Endpunkt ebenfalls fast beliebig wählen. Da der Schnitt mit äußerster Präzision erfolgt, muss der Werkstoff an seinen Schnittkanten nicht mehr nachbearbeitet werden. Je nach gewählter Maschine und eingesetztem Verfahren lassen sich mit dem Wasserstrahlschneiden fast alle Materialien und sogar dickere Werkstoffschichten bearbeiten. Im Anschluss daran wird das benutzte Wasser gefiltert und aufgearbeitet. Die in ihm enthaltenen Abrasivstoffe werden separat entsorgt. Dank der eingesetzten natürlichen Materialien ist das Waterjetverfahren ausgesprochen umweltfreundlich.

Wasserstrahlschneidemaschinen funktionieren CNC-gesteuert mit pulsationsfreien Hochdruckpumpen. Diese sind entweder mit einem Direktantrieb oder mit einem Druckübersetzer ausgerüstet. Bei Anlagen mit Direktantrieb wird der Hochdruckwasserstrahl mithilfe eines Elektromotors erzeugt. Dieser treibt über Riemenscheiben drei von Kurbelwellen bewegte Kolben an. Infolge der 120° Phasenverschiebung bleibt der Druck immer gleich. Wasserstrahlschneideanlagen dieser Bauart haben wegen der direkten Kraftübertragung einen hohen Wirkungsgrad. Niedrige Drücke ab 100 bar ermöglichen das schonende Schneiden spröder Materialien. Schneidesysteme, die mit einem Druckübersetzer (Druckerhöherpumpe), Druckspitzendämpfer, Hydraulikkolben und einer Diamantdüse im Schneidkopf arbeiten, können höhere Wasserdrücke von bis zu 6000 bar erzeugen. Daher sind sie auch für sehr harte und dicke Werkstücke geeignet. Bei derart ausgestatteten Maschinen können mehrere Hochdruckpumpen gleichzeitig in Betrieb sein. Um die hohe Lautstärke der Schneideanlage zu dämpfen, legt man die Düse unter eine Wasserglocke.

Das Materialgefüge wird durch den Kaltschneidevorgang nicht verändert. Außerdem muss der zu bearbeitende Werkstoff nicht erst aufwendig fixiert werden: Das Schneiden mit Waterjet setzt nur geringe Tangentialkräfte frei. Auf spröden und harten Materialien wie Keramik entstehen durch den Druck Mikrorisse, die sich vertiefen und miteinander verbinden und so das Ablösen der Materialpartikel bewirken. Bei zähen und weichen Werkstoffen aus Stahl kommt es durch die Druckkräfte zuerst zu einer plastischen Verformung und danach durch die Kaltverfestigung zur Veränderung der Kristallstruktur. Die entstandenen Leerstellen im Kristallgitter verursachen winzige Risse und begünstigen auf diese Weise den Materialabtrag.

Einteilung

Der Hauptunterschied des Wasserstrahlschneidens zu anderen trennenden Verfahren wie dem Laserstrahl-, Plasma- und EDM-Schneiden (Funkenerodieren) besteht darin, dass es nicht mit thermischer Energie arbeitet. Außerdem entsteht beim Schneidevorgang keine große Hitze, weil das in den Schneidkopf strömende Wasser dauerhaft gekühlt wird. Der hohe Druck, mit dem der Wasserstrahl auf das Material einwirkt, verursacht den Abtrag der mikroskopisch kleinen Oberflächenpartikel. Das seitlich abfließende gefilterte Wasser trägt wegen der auftretenden Scherkräfte zu einem geringeren Teil ebenfalls dazu bei. Es entstehen glatte Kanten, die im Gegensatz zum Laserstrahlverfahren und zu anderen Schneidetechnologien nicht mehr nachbearbeitet werden müssen. Dringt der Wasserstrahl sehr tief ein, büßt er aufgrund der Reibung an den Fugen mehr kinetische Energie ein. Daher entstehen an diesen Stellen dann die charakteristischen Riefen, der sogenannte Rillennachlauf. Im Unterschied zum Laserschneiden kann man mit dem Hochdruckwasserstrahl auch lichtreflektierende Oberflächen bearbeiten. Im Gegensatz zu spanenden Verfahren, die Späne und Stäube freisetzen, werden Verbundmaterialien mit dem Wasserstrahl nicht zerstört.

Bei Oberflächen, die mittels Laser nur unsauber bearbeitet werden können, erzielt das Wasserstrahlschneiden präzise Schnitte. Soll der Werkstoff anschließend beispielsweise durch Fräsen nachbearbeitet werden, wählt man statt des Laserstrahls den Hochdruckwasserstrahl, weil er keine Randzonenaufhärtung hinterlässt. Denn diese würde die Nachbearbeitung unnötig erschweren. Außerdem erlaubt das Waterjetverfahren höhere Eindringtiefen: Im Unterschied zum Laserschneiden, das bereits bei 8 mm Tiefe unbefriedigende Ergebnisse erzielt, schneidet der Wasserstrahl Werkstoffe von bis zu 20 mm Dicke mit der üblichen Präzision. Darüber hinaus hinterlässt er keine Schlacken als Abfallstoff. Innovative Materialien aus Titan-Aluminiumlegierungen werden bevorzugt mit dem Waterjet bearbeitet, weil bei ihnen herkömmliche Verfahren wie Plasma- und Laserschneiden versagen.

Verfahren

Reines Wasserstrahlschneiden trennt Werkstücke aus Kunststoff, Silikon, glasfaserverstärktem Kunststoff sowie Dichtungsmaterialien (Steinwolle) und Lebensmittel mit exakten und sehr feinen Schnitten. Dabei werden Drücke von maximal 6000 bar angewendet. Der Wasserstrahl erreicht eine Austrittsgeschwindigkeit von bis zu 1000 Metern pro Sekunde und entwickelt nur wenig Wärme. Auf Luft bezogen, entspricht dieser Wert der dreifachen Schallgeschwindigkeit. Außer der reinen Waterjettechnologie, die sich optimal für weichere und dehnbare Materialien eignet, gibt es noch das abrasive Wasserstrahlschneiden. Mit dessen Hilfe trennt man Panzerglas, Keramik, Marmor, Granit, Titan, Aluminium, Stahl und andere Metalle sowie Verbundwerkstoffe. Dabei wird dem gefilterten Kaltwasser ein hartes Schleifmittel in Pulverform wie Granatsand kontinuierlich hinzugefügt. Derartige Wasserstrahlschneidemaschinen sind mit einem dreiteiligen Schneidkopf ausgestattet. Das unter Hochdruck gesetzte Wasser wird von der Reinwasserfokussierdüse zu einem Strahl geformt. Dieser durchquert mit 1000 m/s die Abrasivmischkammer, wo er einen Unterdruck hervorruft. Er bewirkt, dass Abrasivpulver durch eine winzige Öffnung in die Mischkammer gesaugt wird. Das Wasser-Abrasiv-Gemisch wird dann in der Abrasivfokussierdüse zum Strahl verengt und tritt dann mit großem Druck aus.

Das Mikrowasserstrahlschneiden (Microwaterjetverfahren) kann ebenfalls mit und ohne Schleifmittelzusatz erfolgen. Da der Wasserstrahldurchmesser dabei noch geringer ist, sind Schnitte von 0,2 mm (abrasiv) und 0,08 mm (Reinwasser) möglich. Der schmalere Wasserstrahl arbeitet mit einer Präzision von +/- 0,01 mm und erlaubt im Unterschied zum normalen Waterjet sogar die Bearbeitung hitzeempfindlicher und leitender Werkstoffe. Das zweidimensionale Wasserstrahlschneiden erfolgt anhand von drei CNC-gesteuerten Achsen und wird ebenfalls als Reinwasser- oder Abrasivschneiden durchgeführt. Des 3D-Waterjet bedient man sich, wenn man komplexe dreidimensionale Teile einzeln oder in Serie herstellen möchte. Dies ist mit einem schwenkbaren Schneidkopf möglich.

Anwednungsgebiete

Das Verfahren des Wasserstrahlschneidens kommt in der ...

  • Feinmechanik,
  • Automobilindustrie,
  • Automationstechnik,
  • Luft- und Raumfahrttechnik,
  • Werkzeug- und Formenbau,
  • Elektroindustrie,
  • Architektur/Baugewerbe,
  • Glasherstellung,
  • Apparate- und Anlagenbau,
  • Maschinenbau,
  • Messebau,
  • Medizintechnik

... und in der Forschung zum Einsatz. Bei industriellen Anwendungen arbeitet man mit Wasserdrücken von 1000 bis 6000 bar und Düsendurchmessern zwischen 0,1 und 1,05 Millimetern. Die zugesetzten Abrasivstoffe erhöhen die am Wirkungsort auftreffende kinetische Energie und verbreitern zugleich die entstehende Fuge. Das Wasserstrahlschneiden wird immer dann genutzt, wenn die jeweiligen Materialien Licht reflektieren, temperaturempfindlich sind, bei höheren Temperaturen giftige Dämpfe freisetzen oder zerstört werden könnten. Die kostengünstige Alternative zum Fräsen und Erodieren, die für die Einzel- und auch Serienfertigung geeignet ist, bearbeitet sogar filigrane Werkstoffe mit optimalem Ergebnis. Mit ihrer Hilfe lassen sich an dreidimensionalen Werkstücken gerade und schräge Kanten, Schweißnähte und Löcher anbringen. Darüber hinaus entgratet und reinigt sie Materialoberflächen.

Hersteller

Zu den namhaften Anbietern von Systemen für das Wasserstrahlschneiden gehören AquaContour GmbH, BMA Metalltechnik GmbH, KMT Waterjet Systems (Zulieferer von Komponenten, Gebrüder HOHL (Bearbeiten mit Wasserstrahlschneiden)und Maximator JET GmbH.

Forschung

An der Leibniz Universität Hannover gibt es im Institut für Werkstoffkunde einen Arbeitskreis Wasserstrahltechnologie (AWT). Dieser wird von der Fachgruppe Wasserstrahl Labor Hannover durchgeführt. Sein Ziel ist es, die Neuentwicklungen in diesem Bereich den industriellen Anwendern und Herstellern von Wasserstrahlschneidesystemen und Komponenten nahezubringen und sich mit anderen Forschungsinstituten auszutauschen. Mitglied im Arbeitskreis sind weltweit mehr als 120 Unternehmen, einzelne Wissenschaftler und Forschungsinstitute. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung des Wasserstrahlschneidens und der Integration der Technologie in bestehende Prozesse.

Am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) arbeiten Wissenschaftler derzeit an der Neuentwicklung und Optimierung von Komponenten der Waterjetanlagen. Im Bremer Kompetenzzentrum Mikro-Wasserstrahlschneiden forschen mehrere Wissenschaftler zum Thema Anwendung des Microwaterjet in der Medizintechnik. Sie bearbeiten künstliche Herzklappen, Stents und Hüftgelenkimplantate sowie Komponenten für Endoskope und zahnmedizinische und chirurgische Instrumente. Der 15° schwenkbare Fünfachsenkopf wird von ihnen derzeit weiterentwickelt.

Literatur

  • Marcel Kolb: Wasserstrahlschneiden: Materialbearbeitung mit einem Hochdruckwasserstrahl, München 2006
  • Michaela Hörbinger: Wasserstrahlschneiden: Verfahrensmöglichkeiten und Vergleich mit alternativen industriellen Trennverfahren, Hamburg 2015
  • Andreas Risse: Fertigungsverfahren der Mechatronik, Feinwerk- und Präzisionsgerätetechnik, Wiesbaden 2012

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