Entwicklung von tribologisch optimierten Führungsleisten für das Tiefbohren
Zur Herstellung von Bohrungen mit einem großen Bohrungstiefe-zu-Durch-messerverhältnis (l/D) können verschiedene Tiefbohrverfahren, wie etwa das Einlippentiefbohren, das BTA-Tiefbohren oder das Ejektortiefbohren, eingesetzt werden. Das BTA-Tiefbohren wird oftmals verwendet, wenn Bohrungen mit einem Durchmesser größer D ≥ 20 mm hergestellt werden sollen. So werden beispielsweise Druckwalzen oder Getriebewellen oftmals mit diesem Verfahren bearbeitet. Das BTA-Tiefbohren von hochlegierten Stählen, wie es in der Petrochemie für Hochdruckrohre oder in der Offshore-Industrie für Schwerstangen bzw. Komponenten des Bohrstrangs Anwendung findet, stellt eine große Herausforderung an die spanende Fertigung dar. Vor allem der werkstoffbedingte, adhäsive Verschleiß kann die erzielbare Oberflächengüte mindern.
Ausgehend von diesem Hintergrund werden in diesem Erkenntnistransfer-projekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, weiterführende Untersuchungen zum Transfer der in einem Grundlagenprojekt erzielten Ergebnisse auf industrielle Rahmenbedingungen durchgeführt. Durch die Kooperation mit dem Werkzeughersteller botek Präzisionsbohrtechnik GmbH, dem Beschichtungsunternehmen SAM Coating GmbH und dem Endanwender Baker Hughes INTEQ GmbH sollen tribologisch optimierte Führungsleisten für industrielle BTA-Tiefbohrprozesse entwickelt werden. Diesbezüglich werden die tribologischen Eigenschaften der Führungsleisten durch die Verwendung von wasserstofffreien, tetraedrischen, amorphen Kohlenstoffschichten (ta-C) verbessert. Diese ta-C-Beschichtungen verfügen über spezifische Eigenschaften, die das tribologische System des Zerspanungsprozesses positiv beeinflussen. Aufgrund des hohen Diamantbildungsanteils sind Härten von bis zu Hm = 7000 HV bei gleichzeitig geringen Reibungszahlen von µ = 0,10…0,15 (trocken, gegen Stahl) erreichbar. Das große Potential von ta-C-beschichteten Führungsleisten beim BTA-Tiefbohren konnte im Rahmen des Grundlagenprojektes nachgewiesen werden.
Im Fokus der Untersuchungen stehen nichtrostende Stähle wie X5CrNi18-10. Die hohe Zähigkeit dieser Werkstoffe sowie die Neigung zur Kaltverfestigung erfordern eine angepasste Prozessführung zur Vermeidung von Prozessstörungen durch einen unzureichenden Spanbruch sowie durch erhöhten Werkzeugverschleiß aufgrund der Kaltverfestigung. Durch die ta-C-beschichteten Führungsleisten ist eine Erhöhung des Vorschubs möglich, was wiederum mit kürzeren Spänen einhergeht. Diese Erhöhung wird möglich, da der Verschleiß aufgrund der ausbleibenden Adhäsion an der Führungsleistenoberfläche im Vergleich zu konventionellen Führungsleisten deutlich reduziert werden kann. Darüber hinaus resultiert aus dem niedrigen Reibkoeffizienten und den damit einhergehenden guten Reibbedingungen eine Verbesserung der Oberflächengüte der erzeugten Bohrung.
Die genannten Vorteile setzen allerdings eine spezifisch abgestimmte Vor- und Nachbehandlung der unbeschichteten bzw. ta-C-beschichteten Führungsleisten voraus. Um eine gute Schichthaftung zu realisieren, ist eine hohe Oberflächengüte des Substrats erforderlich. Diese wird durch einen Microfinishprozess generiert. Ein weiterer Vorteil dieses Prozessschrittes ist die Verrundung der Übergänge im Einlaufbereich der Führungsleiste. Auf diese Weise erfolgt die Einebnung des Materials im Bohrprozess in einem weichen Übergang, und die Belastung der Führungsleisten verteilt sich auf größere Bereiche der Führungsfläche. Des Weiteren erfolgt ein Microfinishprozess nach dem Finishen. Durch diesen werden primär die Schichtfehler, die aus dem PVD-Beschichtungsprozess resultieren, entfernt. Darüber hinaus wird die Schicht insgesamt geglättet und somit die Reibeigenschaften verbessert. Die Prozesskette zur Erzeugung der angepassten Führungsleisten ist in der Abbildung dargestellt.
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Dipl.-Ing. Moritz Fuß
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